Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern vom November 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im November 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 9,95
Prüfungsgespräch 12,8
Endnote 10,66
Endnote (1. Examen) 12,03

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest, aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: BGB-AT (insb. Rechtsbindungswillen) und Schuldrecht-AT (insb. VzD / VSD / DSL / SSG, § 313 BGB / Kündigungen / WiderrufsR) sowie bzgl. des prozessualen Rechts in den allgemeinen ZPOFragen/
Postulationsfähigkeit / Prozessstandschaften / VU / Mahnverfahren / Streitverkündung / Tenorierungen / allg. und oberflächliches KostenR) sitzen

Paragraphen: §312 BGB, §355 BGB, §330 ZPO, §91 ZPO, §296 ZPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, hält Reihenfolge ei,n lässt Meldungen zu, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Die Zivilrechtsprüfung begann sofort mit dem Diktieren eines vor kurzem vom BGH entschiedenen Falles (Matratzen-Entscheidung des BGH: Online-Kauf einer Matratze trotz Entfernens der Schutzfolie widerrufbar, Urteil vom 03.07.2019 – VIII ZR 194/16). Hier hat der Prüfer beschrieben, dass er eine Matratze online bestellt, bei dieser die Schutzfolie entfernt habe und nach kurzer Zeit (etwa drei Tage) die Matratze zurückschicken wollte, da sie ihm nicht gefalle bzw. er sie doch nicht mehr möchte. Zuvor wurde er seitens des Verkäufers darauf hingewiesen, dass das Widerrufsrecht erlischt, sobald die Schutzfolie entfernt wird. Weiterhin habe der Verkäufer bei Vertragsschluss angegeben, dass er die Kosten einer etwaigen Rücksendung tragen würde. Der Käufer habe dann nach den drei Tagen eine E-Mail an den Verkäufer gesendet und darin (nur) geschrieben, dass er zwar die Schutzfolie entfernt habe, er die Matratze allerdings dennoch zurücksenden möchte und für weitere Schritte den Verkäufer nun hiermit kontaktiere.
Dann begann der Prüfer bei der ersten Kandidatin und fragte sie, wie es denn mit dem Widerrufsrecht aussieht, ob also ein solches besteht.
Es ging los mit der grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB, als dem Vorliegen eines Verbrauchervertrages im Sinne des § 310 Absatz 3 BGB in Verbindung mit § 312 Absatz 1 BGB. Weiter kam es darauf an, ob ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag im Sinne des § 312b BGB vorliegt, welcher definiert und problemlos bejaht wurde. Auch durfte das Widerrufsrecht gemäß §§ 355, 312g Absatz 1 nicht grundsätzlich bei dem konkreten Vertrag ausgeschlossen sein gemäß § 312g Absatz 2 Nummer 3 BGB (versiegelte Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde). Hier lag das erste wirkliche Problem bei dem Fall, da die Matratze eine Schutzfolie als Versiegelung ja hatte und der Hygiene-Aspekt eine Rolle spielen könnte. Zu diesem Punkt wurde viel diskutiert und der Prüfer ließ alle Prüflinge zu Wort kommen. Es wurden insbesondere Vergleiche zu Unterwäsche-Artikeln (welche ja auch im Laden nicht ohne Weiteres angezogen werden können) als auch zu normaler Kleidung und Schuhe (welche problemlos umgetauscht werden können) gezogen. Schließlich kam man zu dem Ergebnis, dass mehr eine vergleichbare Nähe zu herkömmlicher Kleidung bestünde und im Zweifel eine Aufbereitung/Reinigung der zurückgesendeten Matratze in Betracht kommt und somit der Tatbestand des § 312 Absatz 2 BGB nicht einschlägig ist. Somit ist auch wegen § 361 Absatz 2 BGB das Widerrufsrecht nicht erloschen.
Weiter müsste der Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß §§ 145, 157 BGB analog wirksam im Sinne des § 355 Absatz 1 Satz 3 BGB ausgeübt worden sein. Hier ging es dem Prüfer darum, dass die Willenserklärung anhand des objektiven Empfängerhorizonts bzgl. ihres Inhaltes auszulegen ist. Insbesondere verlangt die Vorschrift des § 355 Absatz 1 Satz 3 eine „eindeutige“ Erklärung, dennoch ist die Angabe einer Begründung nicht Pflichtbestandteil, eine konkludente Erklärung also weiterhin möglich.
Ferner wollte der Prüfer wissen, wie der Käufer nun sein gezahltes Geld zurückbekäme und ob er die Rücksendekosten im Falle des Eigenversandes seitens des Käufers vom Verkäufer zurückverlangen könnte. Hier wurde seitens des Prüflings bzgl. der Kaufpreisrückerstattung auf § 355 Absatz 3 Satz 1 BGB verwiesen.
Bzgl. der Erstattung der Rücksendekosten wurde diskutiert, ob sich solch ein Anspruch nicht einfach aus dem Vertag als solchem ergebe und allein eine ausdrückliche Normierung fehle. Ein solcher vertraglicher Anspruch wurde letztlich bejaht.

Dann wurde ein zweiter Fall diktiert. Hierbei ging es wieder um den Prüfer und seine Tochter, die (irgendein) Musikinstrument spielt, dieses aber seitens des Prüfers bei einem Vermieter gemietet wird. Kurz vor Ablauf der Mietzeit beschädigt aus Versehen ein Freund des Der Prüfer das Instrument und der Vermieter will nun deswegen Schadensersatzzahlung (geschätzte Summe X) vom Prüfer. Auch erhält der Prüfer einen Mahnbescheid in dieser Sache, da er das Instrument nicht rechtzeitig zurückschickt und auch die geforderte Schadensersatzsumme nicht rechtzeitig bezahlt (der Fall wurde etwas wirr vorgetragen / diktiert). Im Ergebnis ging es dem Prüfer darum, dass er gegen seinen Freund einen möglichen Anspruch aus § 823 Absatz 1 BGB wegen der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes in Gestalt des berechtigten Besitzes hat. Der Prüfer wiederum ist dem Vermieter vertraglich schadensersatzpflichtig, weil ihm die Handlung des Freundes nach § 278 BGB zugerechnet wird. Erstaunlicherweise kam es dem Prüfer hierbei nicht darauf an, nach der neueren BGH-Rechtsprechung zwischen dem Anspruch aus §§ 280 Absatz 1, 241 Absatz 2 BGB (Nebenpflichtverletzung) und §§ 280 Absatz 1, 546 Absatz 1 BGB (Hauptpflichtverletzung) bei der Rückgabe einer beschädigten Mietsache zu differenzieren und sich richtigerweise für ersteres zu entscheiden (vgl. BGH: Schadenersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietsache erfordert keine Schadensbeseitigungsfrist, Urteil vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17).
Im Hinblick auf das Prozessuale wollte der Prüfer wissen, wie das Mahnverfahren grundsätzlich abläuft und was gegen einen Mahnbescheid zu unternehmen ist. Es sollte der Einspruch gefunden und dessen Zulässigkeit (Statthaftigkeit / Form / Frist) kurz erläutert werden. Auch wollte der Prüfer hören, dass § 340 Absatz 3 ZPO keine Zulässigkeitsvorschrift, sondern eine Präklusionsvorschrift im Hinblick auf § 296 ZPO ist. Ferner wollte er kurz den Unterschied zwischen dem absoluten und relativen Präklusionsbegriff erläutert haben.
Weiter sollte noch die Tenorierung bei teilweiser Klageabweisung bei vorangegangenen Mahnbescheid genannt werden ( I. Teilweises Aufrechterhalten des VU, soweit … II. Im Übrigen VU aufgehoben und Klage abgewiesen).
Schließlich fragte der Prüfer noch nach dem Kostentenor und wollte auf § 344 ZPO (wg. VU) und § 92 Absatz 2 Nr. 2 ZPO (wg. anfänglicher Schätzung seitens der Gegenseite) hinaus, wobei auf letzteres niemand gekommen ist, was allerdings wohl auch nicht schlimm war.