Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom November 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung im NRW im November 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 64
Zivilrecht 9
Strafrecht 9
Öffentliches Recht 9
Endpunkte 101
Endnote 10

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Culpa in contrahendp

Paragraphen: §311 BGB, §241 BGB, §280 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann sein Prüfungsgespräch damit, dass er uns einen Sachverhalt vorstellte. Ich versuche ihn, soweit ich mich erinnere, wiederzugeben:
Verbraucher K möchte von Verbraucher V ein Haus kaufen. Das Haus wird besichtigt und beiden werden sich auch weitgehend einig. K sagt dem V zu sicher zu, dass er das Haus kaufen werde. V freut sich darüber. V beauftragt daraufhin den Notar N. Als V beim Notartermin erscheint, kommt K jedoch nicht. K teilt V mit, er habe es sich nun doch anders überlegt. Zu prüfen war nun, welche Ansprüche dem V gegen K zustehen könnten.
Wir kamen nun sofort auf §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB zu sprechen. Hier wollte der Prüfer jedoch zunächst wissen, ob dem V denn überhaupt Kosten entstanden seien. Dies war zu bejahen, da er Kosten für die Beauftragung des Notars zu tragen hat. Dann wollte er wissen, wofür genau denn der Notar Geld verlange (= Termin und das Ausarbeiten einer Vertragsurkunde).
Von da an drehte sich das Prüfungsgespräch nur noch um eine Frage: Was genau ist die Pflichtverletzung des K? Der Prüfer hatte hier eine BGH Entscheidung im Kopf, die wohl circa 6 Monate alt ist (aber keiner von uns kannte und zumindest in der JuS wurde sie auch nicht besprochen). Wir beschäftigen uns eigentlich das ganze Gespräch damit, was genau denn hier die Pflichtverletzung sein könnte und was gegen eine Pflichtverletzung spreche. Er wollte dabei auch genau (!) das Argument des BGH hören und genau (!) das Argument, dass die Gegenseite vertritt.
Ich empfand dies ehrlich gesagt nicht sehr fair. Wie sollen wir auf den genauen Wortlaut eines Arguments kommen, dass der BGH sich überlegt hat? Insbesondere, da man sich dieses hier ja nicht durch Auslegung erschließen konnte. Letztlich ging es darum, dass auf der einen Seite die Privatautonomie des K steht, jederzeit von einem Vertragsschluss Abstand zu nehmen und auf der anderen Seite das Vertrauen des V (dieses Argument hatten wir selbst sehr schnell genannt, aber das reichte der Prüfer nicht, denn er wollte ja genau auf die Argumente des BGH hinaus…).
Das Argument, das für eine Pflichtverletzung spreche, soll hier dann gewesen sein, dass es vom Zufall abhänge, ob der Käufer oder Verkäufer den Notar beauftrage und daher auch die Kosten zu tragen habe. Demnach könnte es aber nicht gerecht sein, wenn nur eine Seite die Kosten zu tragen habe. Gegen eine Pflichtverletzung soll dann jedoch sprechen, dass Käufer und Verkäufer auch gerade hätten vereinbaren können, den Notar gemeinsam zu beauftragen. Vielen Dank! Da haben sich 5 Jahre Zivilrecht lernen sehr gelohnt, wenn sich fast das gesamte Prüfungsgespräch um diese zwei Punkte dreht.
Mit diesem Prüfer hat man – zumindest meiner Erfahrung nach – leider keinen Glücksgriff gelandet. Aber vielleicht stellt er bei euch ja einen Fall, bei dem sein Wissen oder sein Können (zum Beispiel bei der Auslegung) unter Beweis stellten kann.
Ich wünsche euch viel Erfolg! Ihr schafft das 🙂