Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern vom Juli 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Juli 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 3,83
Zivilrecht 8
Strafrecht 7
Öffentliches Recht 8
Endpunkte 7,6
Endnote 4,78

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Raub, Versuch, Betrug, Urkunden

Paragraphen: §249 StGB, §251 StGB, §267 StGB, §263 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, lässt Meldungen zu, hart am Fall, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stellte uns 2 Fälle.
Der erste lautete in etwa so:
T betrat mit einer Waffe ein Geschäft. Er hat jedoch keinen Tötungsvorsatz, sondern wollte lediglich etwas stehlen. Er sah O und versucht ihr die Tasche zu entreißen. Er zerrte daran, ließ jedoch dann davon ab und will entkommen. Daraufhin löst sich ein Schuss und O stirbt.
Zunächst wollte der Prüfer, dass wie alle in Betracht kommenden Delikte nennen.
Es wurde Totschlag, Mord genannt sowie Raub mit Todesfolge und fahrlässige Tötung.
Daraufhin begann die Prüfung.
Es wurde zuerst § 212 StGB geprüft.
A) § 212 StGB
Der objektive Tatbestand liegt vor, der Erfolg (=Tod) ist eingetreten. Mordmerkmale waren nicht gegeben. Ebenso war die Handlung kausal für den Erfolg und dem T objektiv zurechenbar.
Nun kamen wir zum subjektiven Tatbestand. T müsste mit Vorsatz gehandelt haben. Hier kam es dem Prüfer (wie schon aus früheren Protokollen bekannt) auf eine genaue Definition an. Vorsatz ist das Wollen der Tatbestandsverwirklichung bei Kenntnis aller objektiven Tatbestandmerkmale.
Hier diskutierten wir vor allem das deskriptive Merkmal. Der Prüfer wollte wissen, bezüglich welcher Tatbestandsmerkmale der Täter Kenntnis haben muss. Er wollte hören, dass dies nicht nur bzgl. des Todes, sondern auch bzgl. der Kausalität gegeben sein muss. Der juristisch Unkundige muss mit dem Tod gerechnet haben, das heißt er muss sich gedacht haben „Jetzt verursache ich den Tod“. Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht so, T wollte lediglich sein Opfer überfallen. Weiterhin wollte er die „Hemmschwellentheorie“ genannt haben, die auf dem Gedanken beruht, dass der Täter bei Tötungsdelikten eine besondere Hemmschwelle, die Tötungshemmschwelle, überwinden müsse. Dies war im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben.
Somit scheidet eine Strafbarkeit nach § 212 StGB aus.
B) §§ 249, 250, 251, 22, 23 I StGB
Daraufhin prüften wir den erfolgsqualifizierten Versuch.
Der schwere Raub nach §§ 249, 250 I Nr. 1 a) StGB war lediglich versucht, da T von der Tasche abließ und der Tatbestand somit nicht verwirklicht wurde.
Die schwere Folge, nämlich der Tod, ist hingegen eingetreten.
Hierbei wollte der Prüfer wissen, ob dies überhaupt möglich sei, da T keinen Tötungsvorsatz hatte. Es musste § 11 II StGB genannt werden, wonach hinsichtlich der schweren Folge auch Fahrlässigkeit genügt.
Fraglich war auch, ob der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang gegeben sein kann, wenn das Grunddelikt im Versuchsstadium stecken bleibt. Folgt man der Lehre von der Erfolgsgefährlichkeit ist dies zu verneinen, da die schwere Folge gerade auf die Gefahr zurückgeht, die mit dem Erfolgseintritt des Grunddelikts verbunden ist.
Folgt man hingegen der Lehre vom Handlungsunrecht ist der Gefahrzusammenhang zu bejahen, da lediglich auf die Handlung und nicht auf den Erfolgseintritt abgestellt wird.
Nach vorherrschender Ansicht ist jedoch je nach Delikt abzugrenzen. Da es beim Raub gerade auf eine Gewahrsamsverschiebung ankommt wird auf die Handlung abgestellt und der Gefahrzusammenhang bejaht.
Am Ende musste noch der Rücktritt nach § 24 I StGB geprüft werden, wobei der Prüfer wissen wollte, ob dies überhaupt möglich sei, wenn denn die schwere Folge eingetreten sei. Dies wurde jedoch aufgrund des Wortlauts des § 24 StGB („die Tat“) bejaht.
Somit wurde die Strafbarkeit nach §§ 249, 250, 251, 22, 23 StGB verneint.
C) § 222 StGB
Wir sprachen noch kurz den dann einschlägigen § 222 StGB an. Hier wollte der Prüfer wissen, worin eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung gesehen werden kann. Dies kann in der Missachtung spezieller Rechtsvorschriften (wie z.B. StVG) oder in der Abwägung des Risikos zu sehen sein. Hier liegt die objektive Sorgfaltspflichtverletzung im Mitführen der Waffe.

Der 2. Fall lautete in etwa so:
X schuldet T 1000 €. T bestreitet dies jedoch und zahlt sie nicht, sodass T den X verklagt. Da T den Schuldschein verloren hat, fertigt er selbst einen. Das Gericht verurteilt X dann jedoch nicht zur Zahlung.
§267 StGB (der einschlägig ist) wurde nicht geprüft.
Deshalb prüften wir direkt §§ 263 I, II, 22, 23 StGB. Hierbei musste sowohl Täuschung (jede intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen durch Vorspiegeln falscher Tatsachen) wie auch Tatsachen (=dem Beweis zugänglich) definiert werden. Vorliegend lag die Täuschung in der Echtheit des Schuldscheins. Es ist nicht derjenige Aussteller des Schuldscheins, der in ihr als Aussteller erkennbar ist. Erkennbar ist nämlich X, jedoch hatte X den Schuldschein nicht angefertigt, sondern T. Auch hier wollte der Prüfer wieder genau wissen, was der Täter sich gedacht hat.
Der Irrtum lag in der Fehlvorstellung über den Aussteller der Urkunde.
Die Vermögensverfügung in der Verurteilung (Dreiecksbetrug, denn Getäuschte war das Gericht, Verfügende der X)
Ein Schaden wurde verneint, da T einen Anspruch auf die 1000 € hatte.
Damit war die Prüfung zu Ende.
Es lohnt sich auf jeden Fall nochmals die Definitionen zu wiederholen und den Aufbau (z.B. vom erfolgsqualifizierten Versuch) zu beherrschen.
Viel Erfolg!