Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern vom Januar 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Januar 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 75 7 8 7 8
Zivilrecht 9 9 10 9 8
Strafrecht 10 4 4 8 7
Öffentliches Recht 11 6 7 8 7
Endpunkte 10 11 9 12 13
Endnote 8 9 10 11 12

Zur Sache:

Prüfungsthemen: bayerisches Polizeirecht (PAG nicht PolG, wird mir leider nichtangezeigt), Verwaltungsakt Voraussetzungen, Arten, Formen, statthafte Klageart bei erledigten VAs

Paragraphen: §43 VwGO, §113 VwGO, §42 VwGO, §11 PolG, §16 PolG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer hat uns alle verblüfft als er trotz vieler aktueller staatsrechtlicher Geschehnisse, einen alten Polizeirechtfall prüfte, der bereits exakt so in einem der älteren Protokolle zu finden ist.
Fall:
A parkt auf einem Behindertenparkplatz. Daneben sind noch 2 Parkplätze frei. Polizist P sieht den A und fragt ihn, ob er behindert sei. A verneint und sagt, dass er nur kurz etwas erledigen wolle. P deutet auf das Parkverbotsschild (für alle ohne Behindertenausweis) und bittet A wegzufahren.
A leistet dem Folge. Er möchte aber auch in Zukunft mal kurz auf dem Behindertenparkplatz parken und fragt sich wie er gerichtlich vorgehen müsste um das zu erreichen.
Die Zulässigkeit wurde sehr ausführlich geprüft.
I. VerwRweg > Abdrängende Sonderzuweisung nach 23 EGGVG wurde recht schnell vernein. Danach wurde die modifizierte Subjektstheorie und die Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art abgeprüft.
II. Statthaftigkeit der Klage > Hier lag der absolute Schwerpunkt der Prüfung!
1. VA? Welcher Anordnung, das Straßenschild oder die Anordnung des Polizisten. Ist das Straßenschild eine Allgemeinverfügung. Wie unterscheidet sich eine Allgemeinverfügung von einer Rechtsverordnung.
Dann wurden im Einzelnen die Merkmale eines VAs hinsichtlich der Anordnung des Polizisten abgefragt. Dabei genügte dem Prüfer das Aufsagen der Definitionen allein nicht.
Er wollte wissen: Woraus ergibt sich die Hoheiheitlichkeit der Maßnahme: P handelt als Vertreter einer Behörde.
Liegt wirklich hoheitlicher Zwang und die Herbeiführung einer Rechtsfolge vor, wenn P den A bloß bittet wegzufahren?
P handelt hier im Dienst als Polizist, er beruft sich auf die Rechtsordnung, indem er auf das Schild zeigt, sein Handeln ist darauf gerichtet die Rechtsordnung wiederherzustellen. Außerdem könnte er als Polizist die Rechtsfolge, das Wegfahren des PKW, auch vollziehen.
Weiter wollte der Prüfer, welche Arten von VAs es gibt und welche Rechtsfolgen gesetzt werden können, in welcher Form sie erlassen werden können.
Dann wurde genau abgefragt, wann und wie die Erledigung eines VAs eintreten kann (Wegfall der Regelungswirkung)
2. Als Klageart kamen damit die FFK 113 I S. 4 VwGO analog und die Allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht.
Hier wurde sehr genau gefragt, wann eine Analogie erforderlich ist (planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage) und ob das hier der Fall ist, ob die Feststellungsklage einen schlechteren Rechtsschutz gewährleistete. Letztlich konnten die Prüflinge keine befriedigende Antwort geben, nur darauf hinweisen, dass die FFK eben für die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines VAs konzipiert sei und es regelmäßig nur vom Zufall abhinge, ob sich der VA vor oder nach Klageerhebung erledige. An diesem Punkt wurde die Prüfung auch sehr zäh.
Der Prüfer hat wesentlich tiefergehend gefragt, als man es üblicherweise in Lehrbüchern und im Rahmen der Wiederholung von VAs und Klagearten gewöhnt ist. (Tipp: zum VA und zur Abgrenzung FK/FFK vielleicht einen ausführlichen Kommentar durchlesen)
III. Die restlichen Prüfungspunkte wie Klagebefugnis, Feststellungsinteresse, sowie Erforderlichkeit einer Fristsetzung wurden lehrbuchmäßig abgefragt. Auf Beteiligten- und Prozessfähigkeit wurde nicht eingegangen.
Begründetheit:
I. Der Richtige Beklagte musste sauber an den Normen § 78 I VwGO und 1 II POG bestimmt werden
II. Rechtswidrigkeit der AO des Polizisten
1. Zunächst wurde die formelle Rechtmäßigkeit geprüft, wobei vorher festgestellt wurde, dass dieRechtmäßigkeit eines VA aus RGL, formeller und materieller Rechtmäßigkeit besteht.
Dabei sollte man schnell auf Art. 2 I PAG kommen. Positiv bewertet wurde, dass zusätzlich zur Definition Gefahr, abstrakte Gefahr darauf hingewiesen wurde, dass die Gefahrenbewertung in Form einer ex-ante Prognose aus Sicht eines verständigen und erfahrenen Polizisten stattfindet.
2. R.d. RGL war Art. 16 PAG anzusprechen. Dieser wurde nach längerer Diskussion abgelehnt, weiler sich nur auf Personen beziehe, vgl. auch Systematik : Sicherstellung von Sachen 24 PAG.
Damit war Art. 11 II PAG einschlägig.
Hier ist der Prüfer dann direkt zur Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Ermessens gesprungen und wollte dort (nach Leg. Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit) im Rahmen der Angemessenheit eine Abwägung des Interesses des A, schnell mal Parken zu können mit dem Interesse der Behinderten an der Freihaltung der Behinderten Parkplätze.
Interesse des A: Bequemlichkeit
Interesse der Behinderten: Freihaltung der Parkplätze, weil behinderte Menschen nicht leicht Alternative Parkmöglichkeiten finden können (größere Aussteige- und Einladefläche, Nähe zu Geschäften und Ärzten etc.) und stärker auf Autos für ihre Mobilität angewiesen sind.
Dass noch 2 Behindertenparkplätze frei seien, sei unerheblich, da es gerade darum ginge, behinderten Menschen im Rahmen der Kapazitäten stets die Möglichkeit zu geben, an wichtigen Punkten in der Stadt parken zu können.
Damit war die Prüfung beendet.
Halt die Ohren steif, bald ist es geschafft!
Viel Glück und Erfolg!