Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW vom Januar 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Januar 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 8,4
Aktenvortrag 6
Prüfungsgespräch 9
Endnote 8,3
Endnote (1. Examen) 9,9

Zur Sache:

 

Prüfungsthemen: Vollstreckung wegen Geldforderungen nach VwVG (Pfändung Konto und KfZ), Fristen, Wasserhaushaltsgesetz, Gebühren/Leistungsbescheid, außerordentliche Zuständigkeit der Ordnungsbehörde

Paragraphen: §6 VwVG, §7 VwVG, §178 ZPO, §193 BGB, §114 WHG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, hart am Fall, Intensivbefragung Einzelner 

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer übergab zu Anfang des Gesprächs jedem Prüfling einen 3-seitigen Sachverhalt (1 Seite davon Skizze) sowie eine Datenübersicht, einen Kalender und 3 Seiten abgedruckte Vorschriften. Es sollte sich herausstellen, dass es sich dabei um die für die wesentlichen (allerdings nicht abschließend) für die Prüfung relevanten Normen handelte. Der zweiseitige Fließtext des Sachverhaltes war relativ eng gedruckt und etwas verwirrend in Fettdruck, Normaldruck und Kursivdruck unterteilt. Zu Anfang stellte der Prüfer in Aussicht, dass die kursiv gedruckten Teile nur relevant würden, wenn wir mit der Prüfung am Ende noch Zeit hätten. Hatten wir natürlich nicht. Zu einem späteren Zeitpunkt der Prüfung teilte er noch einmal zwei mit Normen ausgedruckte Seiten aus (Auszüge aus dem Wasserhaushaltsgesetz).
Der Prüfer erzählte sodann den folgenden Sachverhalt in Kürze nach.
(entspricht in etwa dem ausgeteilten Sachverhalt – für diejenigen, die es interessiert; die kursiven Teile haben wir im Laufe der Prüfung gar nicht angesprochen, dazu kann ich deshalb auch nicht mehr sagen):
Der Mandant M war früher Inhaber einer Firma, die einen Steinbruch betrieben hatte. Am Samstag, 10.11.2018, bemerkte ein Förster Ölflecken und Verfärbungen auf der Wasseroberfläche eines im Eigentum des Mandanten stehenden Teichgrundstückes auf dem Gebiet des ehemaligen Steinbruchs „Niederkuhle“ im Gemeindegebiet, der kreisangehörigen Stadt Troisdorf (Rhein-Sieg-Kreis) im Regierungsbezirk Köln und alarmierte das Ordnungsamt der Stadt Troisdorf. Nach Erkundung durch Mitarbeiter des Ordnungsamts wurden weiteres aufsteigendes Öl im Gewässer sowie tot auf der Wasseroberfläche treibende Fische festgestellt. Sodann wurde zunächst die örtliche freiwillige Feuerwehr eingeschaltet, die Ölsperren auslegte und daraufhin die Taucher des THW alarmiert, um die Ursache des Ölaustritts festzustellen. Diese fand sich in einem mit Dieselkraftstoff betriebenen Hallenheizgebläse, das sodann mit einem Kran gehoben und nach Tankleerung entsorgt wurde. Die Wasseroberfläche innerhalb der Ölsperre wurde mit Ölvlies ausgelegt und von der unteren Wasserbehörde abgenommen. Der M wurde über die Maßnahmen informiert.
Die Kosten betrugen 4000 € ( 3300 € Personalkosten Feuerwehr, 500 € Kosten THW-Taucher, 200 € Gebühren für die Amtshandlungen des Ordnungsamts) und wurden gegen den Mandanten am 26. November durch einen Leistungs- und Gebührenbescheid festgesetzt.
Begründet wurde der Bescheid damit, dass die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzugs zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich gewesen sei.
Die Post wurde mit der Zustellung des mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenden Bescheids mittels Zustellungsurkunde beauftragt. Der Zusteller war den Bescheid an der Meldeadresse des M am 29.11.2018 in den mit dem Namen des Mandanten versehenen Briefkasten ein, nachdem der Zusteller niemanden in der Wohnung antraf. (Der Prüfer erzählte, dass dies daraus resultierte, dass der M bereits am 14.11.2018 wieder zu seinen Eltern gezogen sein, die Wohnung allerdings bis zum 31.12.2018 weiter gemietet hatte und deshalb auch der Briefkasten weiterhin mit seine Adresse versehen war. In der Wohnung sei er seitdem nicht mehr gewesen, es gab auch keine Abmeldung oder einen Nachsendeauftrag. Er habe den Schlüssel am 30 Dezember dem Vermieter ausgehändigt, der ihm den Leistungs- und Gebührenbescheid der Stadt Troisdorf, der im Briefkasten lag, am 31. Dezember vorbeigebracht habe. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er von dem Bescheid Kenntnis erhalten. (Diese Informationen fanden sich auf dem ausgeteilten Blatt verwirrenderweise erst ganz am Schluss).
Am 3. Dezember wurde auf der Grundlage des Leistungs- und Gebührenfeststellungsbescheides das Konto des M nach §§ 6, 40 VwVG NRW in Höhe des Tagessaldos gepfändet und die Einziehung angeordnet. Das Guthaben vom 2000 € wurde am gleichen Tag an die Stadtkasse der Stadt Troisdorf überwiesen. Dagegen hat der M am 4. Dezember Widerspruch eingelegt.
Der M begründete den Widerspruch damit, dass er nicht für die Ölverschmutzung verantwortlich sei. Das Teichgrundstück, das in seinem Eigentum stehe, sei vollständig vom Grundbesitz der Nachbarin, der Montag GmbH und Co. KG umschlossen (dazu die Skizze). Auf seinem Grundstück befänden sich weder Aufbauten noch Maschinen, sodass das geborgene Gerät nur vom Nachbargrundstück stammen könne, auf dem zahlreiche genutzte Werkhallen unterhalten würden, die an eine Rampe zum Steinbruch angrenzten. Es sei leidglich die GmbH verantwortlich, wenn sie nicht Eigentümerin des Gebläses sein sollte, dann wegen des Eigentums am Betriebsgelände und wegen der Inhaberschaft der tatsächlichen Gewalt an dem Betriebsgelände (Verkehrssicherungspflichtverletzung). Die Stadt habe keine Ermittlungen gegen die GmbH unternommen und ihn nicht angehört.
Die Stadt Troisdorf hat den Widerspruch des Mandanten mit Bescheid vom 10.12.2018 zurückgewiesen. Der Bescheid mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung und vermerktem Übergabetermin wurde dem M auf seine Vorsprache beim Ordnungsamt am 11. Dezember in den Räumlichkeiten des Ordnungsamtes gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt.
Begründet wurde der Widerspruchsbescheid durch die Stadt mit einer ermessensgerechten korrekten Störer Auswahl (Inanspruchnahme des M als Zustandsstörer), da der Widerspruchsführer nicht beweisen könne, dass das Gebläse vom benachbarten Grundstück stamme bzw. im Eigentum der GmbH stehe. Die GmbH zu fragen, sei nicht erfolgsversprechend, weil diese die Verantwortung abstreiten könnte.
Der Mandant gibt weiter an, dass er seine bisherige Wohnung wegen Zahlungsschwierigkeiten habe kündigen müssen und den Leistungs- und Gebührenbescheid wegen der oben geschilderten Gründe erst am 31.12.2018 erhalten habe. Daran treffe ihn aber kein Verschulden.
Am 10. Januar 2019 hat die Stadt Troisdorf den Privat-PKW des Mandanten noch nach §§ 6, 21 VwVG NRW gepfändet und auf den örtlichen Betriebshof verbracht, Der Wagen soll dort in einer öffentlichen Versteigerung von Pfandsachen am 20. Januar verkauft und der Pfanderlös zur Abgeltung der restlichen Forderung aus dem Leistungsbescheid herangezogen werden.
Dieser Sachverhalt wurde uns, wie gesagt zu Beginn ausgeteilt und in Grundzügen (bis auf die auch hier kursiven Teile) wiedergegeben. Es war allerdings aus meiner Sicht mehr als schwierig, zu erkennen, was wirklich wichtig war, insbesondere, weil auch der vom Prüfer nacherzählte Sachverhalt deutlich kürzer war als der gedruckte und man dadurch noch mehr Mühe hatte, sich in dem ausgedruckten Sachverhalt beim Überfliegen zu orientieren. Im Nachhinein erscheint der Sachverhalt beim Lesen nachvollziehbar, in der konkreten Situation macht der Prüfer es einem durch diese Überforderung an gleichzeitigen Informationen meines Erachtens unnötig schwer. In anderen Prüfungen wird das Verfahren für die Prüflinge mit kurzen, prägnant nacherzählten Sachverhalten, die der Prüfling ggf. notiert, und die bei Bedarf durch den Prüfer erweitert werden, wesentlich übersichtlicher und damit fairer gestaltet.
Zu der Prüfung an sich kann ich leider nur in Bruchstücken berichten, weil sie meines Erachtens, auch durch die Hartnäckigkeit, mit der der Prüfer selbst bei Prüflingen blieb, die erkennbar in diesem Moment keine Antwort liefern konnten, schwer nachvollziehbar und in vielen Dingen auch unübersichtlich und verwirrend war.
Wegen der drohenden Versteigerung sollte zunächst geprüft werden, ob die Pfändung des Autos im einstweiligen Rechtsschutz (wir einigten uns auf § 80 V VwGO) angegriffen werden könne. Dass es sich dabei um einen VA handelte, gab der Prüfer nebenbei vor. Im Ergebnis verneinten wir die u.a. an § 6 VwVG (als Vorschrift bei den ausgeteilten Normen abgedruckt) geprüften
Erfolgsaussichten. Ein Mitprüfling sollte insoweit noch den Tenor nennen. Es ging dann noch in der Pfändung des Kontos am 3. Dezember und ob man sich dagegen wehren könne. Der Prüfer wollte nach Verneinung dessen noch wissen, ob man noch irgendwie an das Geld kommen könnte, auch hier konnte ich dem Ergebnis jedoch nicht folgen.
Zuletzt wurde noch der Leistungs- und Gebührenbescheid im Hinblick auf das Fristproblem mit der Ersatzzustellung i.E. nach den Vorschriften der ZPO geprüft. Wir kamen in diesem Zusammenhang auf eine Rechtsprechung des BVerfG, die wohl davon ausgeht, dass eine Wohnung grundsätzlich bewohnt sein muss. Im Endeffekt ging es darum, dass es wohl möglich und zulässig sein müsste, zum Beispiel durch die Mutter als Zeugin, zu beweisen, dass der M nicht mehr in der Wohnung gewohnt hat.
Im Rahmen der Rechtmäßigkeit des Bescheides sprachen wir noch über das Problem, dass die Behörde nicht zuständig gewesen sein könnte. Der Prüfer teilte uns sodann weitere zwei Seiten Normen aus dem Wasserhaushaltsgesetz, die sich u.a. mit Zuständigkeiten beschäftigten und wir letztlich, nach langem und zähem Ringen dazu kamen, dass die Ordnungsbehörde nach § 6 OBG NRW wegen eines Falls von Gefahr in Verzug zuständig gewesen ist.
Damit endete eine unangenehme, zähe Prüfung, die lange Phasen des Schweigens hatte, die der Prüfer auch (bewusst) nicht beendete und sehr am jeweiligen Kandidaten klebte. Ob das mit den von bisherigen Prüflingen vermerkten 2x 5 Minuten pro Prüfling zu tun hatte, vermag ich nicht zu beurteilen.
Aus meiner Sicht war die Prüfung so gestaltet, dass es den Prüflingen kaum möglich war, zu zeigen, was sie können, sondern dies vielmehr – durch die Art zu prüfen – den Kandidaten unnötig schwer gemacht wurde. Im Nachhinein erscheint der Fall nämlich gar nicht so schwierig, während er in der Prüfung nur schwer zu überblicken war.
Ich möchte Euch mit diesem Protokoll keine Angst machen, sondern Euch nur realistisch darauf vorbereiten, was Euch erwarten kann. Vielleicht war es an diesem Tag aber auch nur Pech. Seid also (ggf.) vorbereitet auf einen sehr unnahbar wirkenden Prüfer, den ich nicht ein einziges Mal habe lächeln sehen an dem Tag, und der einem oft das Gefühl gibt, nicht die richtige Antwort gegeben zu haben. Probiert es einfach und lasst Euch von der Menge an ausgeteilten Blättern nicht zu sehr verwirren. Im Nachhinein denke ich, wäre es eventuell besser gewesen, den ausgeteilten Sachverhalt zu ignorieren und nur die durch den Prüfer nacherzählten Informationen aufzunehmen und ggf. zu notieren, um sich überhaupt orientieren zu können.
Auch diese Prüfung geht rum und vielleicht erwischt ihr einen besseren Tag, in jedem Fall ist es bald geschafft und ich wünsche Euch ganz viel Erfolg!