Prüfungswissen: Die Protokollierung der Verfahrensverständigung

  1. Für das Verständigungsverfahren gilt die Protokollierungsregelung nach § 273 I a StPO, wonach sowohl der wesentliche Ablauf und auch der Inhalt sowie schließlich das Ergebnis der Verständigung in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen sind. In den Urteilsgründen muss danach nur noch angegeben werden, dass eine Verständigung erfolgt ist (BGH NStZ 2010, 348; BGH NStZ 2011, 170). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Angekl. wird erst dann geschaffen, wenn eine Zusage protokolliert ist.
  2. Ein Protokoll, in dem weder vermerkt ist, dass eine Verständigung stattgefunden, noch dass eine solche nicht stattgefunden hat, ist widersprüchlich bzw. lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft. Das Revisionsgericht kann dann im Wege des Freibeweisverfahrens z. B. durch die Einholung dienstlicher Erklärungen der Prozessbeteiligten klären, ob dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist, die zur Unwirksamkeit des nachfolgend erklärten Rechtsmittelverzichts führen würde (vgl. Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn 30).
  3. Der nach § 273 I a S. 3 StPO zwingend vorgeschriebene Vermerk, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe, gehört somit zu den wesentlichen Förmlichkeiten i.S. des § 274 S. 1 StPO (BGH NStZ-RR 2010, 213; a.M. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 273 Rn 12c). Ausweislich der Gesetzesmaterialien dient das sog. Negativattest dazu, mit höchstmöglicher Gewissheit und auch in der Revision überprüfbar die Geschehnisse in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass „stillschweigend” ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten solche Verhaltensweisen stattgefunden haben (vgl. Jahn/Müller NJW 2009, 2625). Diesem gesetzgeberischen Anliegen würde es widersprechen, § 273 Ia S. 3 StPO entgegen seinem klaren Wortlaut als überflüssige systemwidrige Ordnungsvorschrift ohne jeglichen Anwendungsbereich zu begreifen (so aber Meyer-Goßner, § 273 Rn 12c; dagegen Brand/Petermann NJW 2010, 268)

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Oktober 2013