Prüfungswissen: Das Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 – 177 StPO)

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Klageerzwingungsverfahren bei tödlichem Schusswaffeneinsatz durch Polizei (BVerfG, Beschluss vom 26.06.2014 –  2 BvR 2699/10 und Beschluss vom 06.10.2014 – 2 BvR 1568/12 ). Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Das Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 – 177 StPO)

Hierbei handelt es sich nicht um eine Popularklage, nur dem „Verletzten“ wird ein Weg gewiesen, die Einhaltung des Legalitätsprinzips (§ 152 StPO) überprüfen zu lassen:

I. Die Einstellungsbeschwerde („Vorschaltbeschwerde“ auf dem Weg zum OLG), § 172 I StPO
1. Zulässigkeit
der Beschwerde
a) An sich statthaft
Grundsätzlich muss ein Einstellungsbescheid vorliegen.
Die Statthaftigkeit der Beschwerde fehlt in den Fällen des § 172 II 3 StPO
(Opportunitätsprinzip)
; diese Regelung ist konsequent, da § 172 StPO nur dem Legalitätsprinzip dient (OLG Hamm NJW 75, 1984). – Aus § 172 II 3 StPO ist der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, dass überall dort, wo eine Anklageerhebung in das Ermessen oder in die ausschließliche Entscheidung der StA gestellt ist, das Klageerzwingungsverfahren nicht statthaft ist.

b) Abhilfe
Die StA kann – nach ihrem Ermessen – den Einstellungsbescheid jederzeit aufheben und damit den Antrag aus § 171 StPO gegenstandlos machen Dazu wird vornehmlich dann Veranlassung bestehen, wenn neue Tatsache oder Beweismittel bekannt werden.

c) Frist: 2 Wochen, sofern Belehrung erfolgt ist (§ 172 I 3 StPO). Einlegung bei der StA a quo genügt (§ 172 I 2 StPO).

d) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen: Der Ast. muss prozessual nhandlungsfähig, also partei- und prozessfähig sein, der Verteidiger muss eine entsprechende Vollmacht haben.

e) Beschwer und BeschwerdeberechtigungBeschwert ist nur der „Ast.“ i.S.d. § 172 I StPO. Gemeint ist damit der Ast. i.S.d. § 171 StPO, also nicht auch derjenige, der i.S.d. § 171 StPO lediglich das Verfahren angeregt hatte (OLG Hamm JZ 69, 171) – Beschwerdeberechtigt ist unter den Ast. (i.S.d. §§ 172 I, 171 StPO) nur derjenige, der zugleich „Verletzter“ ist.

2. Begründetheit der Beschwerde
Die Überprüfung des Einstellungsbescheides erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 170 I, 153 ff. StPO).

II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, § 172 II StPO
1. Zulässigkeit des Antrags: Unterfragen der Zulässigkeit wie bei der Beschwerde, vgl. oben unter A I 1. Im Einzelnen:
a) Die Statthaftigkeit setzt einen ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der StA (§ 147 GVG) voraus (§ 172 II 1 StPO. Die Statthaftigkeit fehlt daher in den Fällen, in denen das Legalitätsprinzip durch das Opportunitätsprinzip
ersetzt ist, § 172 II 3 StPO.
b) Form: Die Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt ist nötig (§ 172 III StPO). Der Antrag ist beim OLG, nicht bei der StA, einzureichen, § 172 III 3, IV StPO.
c) Frist: Im Gegensatz zu der Beschwerdefrist mit einer Laufzeit von 14 Tagen (§ 172 I StPO) läuft hier eine 1-Monatsfrist, § 172 II 1 StPO.
d) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen: wie bei der Beschwerde (oben unter A I 1 d). Zusätzlich: Zuständig ist das OLG , § 172 IV StPO
e) Beschwer und Antragsberechtigung: wie bei der Beschwerde (oben unter A I 1 d).
f) Antragsbegründung

  • Die Antragsbegründung ist in § 172 III 1 StPO vorgeschrieben und eine Frage der Zulässigkeit, nicht der Begründetheit des Antrags.
  • Schlüssigkeitsprüfung

Die danach anzuführenden Tatsachen (und Beweismittel) müssen so vollständig sein, dass sie eine aus sich heraus verständliche Tatsachendarstellung geben und grundsätzlich einen Rückgriff auf die Akten der StA oder andere Schriftstücke zwecks Überprüfung des Begehrens entbehrlich machen.
In der Antragsschrift ist auch darzulegen, dass und warum der Antragsteller Verletzter i.S.d. Klageerzwingungsverfahrens ist, soweit sich dies nicht aus dem sonstigen Vorbringen eindeutig ergibt. Nötig ist ferner eine Darstellung des Verlaufs des Verfahrens einschließlich der Wahrung aller Fristen (dazu i.e. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 172 Rn. 27), des Inhalts der angefochtenen Entscheidungen und der Gründe, warum die Einstellungsverfügung der StA und die Beschwerdeentscheidung des GenStA fehlerhaft sind. Insgesamt muss das beschließende Gericht in die Lage versetzt werden, selbstständig und ohne Rückgriff auf staatsanwaltliche Ermittlungsvorgänge in eine „Schlüssigkeitsprüfung“ einzutreten. Die angeführten Tatsachen – hinreichenden Tatverdacht unterstellt – müssen die Anklage rechtfertigen, also in diesem Sinne „schlüssig“ sein. Fehlt diese „Schlüssigkeit“, ergibt sich also nicht, dass die StA gegen das Legalitätsprinzip verstoßen hat, so ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen.

2. Begründetheit des Antrags
Da ein mündlicher Termin nicht stattfindet, hat eine schriftliche Anhörung der Beteiligten stattzufinden.
Das Gericht hat nunmehr den vorgetragenen Sachstand (die vorgetragenen Tatsachen) zu prüfen und dabei ggf. die angebotenen Beweise zu erheben (§ 173 III StPO).
Dies hat aus dem Blickwinkel der StA zu erfolgen, da es um die Frage der Anklageerhebung geht. Also ist nicht auf vollen Beweis, sondern nur darauf abzustellen, ob der Beschuldigte hinreichend verdächtig ist, §§ 170 I, 203 StPO.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Mai 2015