Prüfungswissen: Der Zustellungsauftrag, § 176 ZPO

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Anforderungen an das „Nicht-antreffen“ bei Ersatz-zustellung in Geschäftsraum (BGH ; Beschluss vom 04.02.2015 – III ZR 513/13) Die Entscheidungsbe-sprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Der Zustellungsauftrag, § 176 ZPO

Wird der Post, einem Justizbediensteten oder einem Gerichtsvollzieher ein Zustellungs-auftrag erteilt oder wird eine andere Behörde um die Ausführung der Zustellung ersucht, übergibt die Geschäftsstelle nach § 176 I ZPO das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag und ein vorbereitetes Formular einer Zustellungsurkunde. Diese Art der Zustellung bietet die höchste Sicherheit, so dass die Ausführung eines Zustellungsauftrags besonders geregelt ist.

I. Aushändigung an den Zustellungsempfänger
Grundsätzlich erfolgt die Ausführung eines Zustellungsauftrags nach § 177 ZPO durch Aushändigung an den Zustellungs-empfänger. Die Übergabe des Schriftstücks ist an jedem Ort möglich, an welchem der Zustellungsempfänger angetroffen wird.

II. Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen, § 178 ZPO

1. Übergabe an Zustellungsempfänger in seiner Wohnung scheitert

a) Zugelassene Ersatzpersonen

aa) Erwachsene Familienangehörige

Soweit die Übergabe an den Zustellungsempfänger selbst in seiner Wohnung scheitert, kann das Schriftstück nach § 178 I Nr. 1 ZPO auch an einen erwachsenen Familienangehörigen übergeben werden. Volljährigkeit ist nicht erforderlich, sondern Maßgeblich, ob der minderjährige Fa-milienangehörige nach seinem Auftreten und äußerem Erscheinungsbild erwarten lässt, er werde das zuzustellende Schriftstück ordnungsgemäß weitergeben und er seiner körperlichen Entwicklung nach einem Er-wachsenen ähnlich ist.

bb) In Familie beschäftigte Personen
Darüber hinaus ist nach § 178 I Nr. 1 ZPO auch die Übergabe an eine in der Familie beschäftigte Person (z.B. Haushälterin, Butler, Putzfrau, Hauslehrer) möglich.

cc) Mitbewohner
Schließlich führt auch die Übergabe an einen erwachsenen ständigen Mitbewohner nach § 178 I Nr. 1 ZPO zur Zustellung.
Somit sind auch nichteheliche Lebenspartner und Mitglieder einer Wohngemeinschaft taugliche Ersatzpersonen. Allerdings ist hier die Zustellperson gehalten, den erwachsenen Mitbewohner nach der Dauer des gemeinsamen Wohnverhältnisses zu befragen, um so von zufällig oder vorübergehend anwesenden Erwachsenen abzugrenzen, an die eine wirksame Ersatzzustellung nicht erfolgen kann.

2. Übergabe an den Zustellungsempfänger in seinen Geschäftsräumen scheitert
Soll die Zustellung durch Übergabe an den Zustellungsempfänger in seinen Geschäftsräumen erfolgen, scheitert diese jedoch, so ist nach § 178 I Nr. 2 ZPO auch die Ersatzzustellung an eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person möglich. Geschäftsraum ist hierbei regelmäßig der Raum, in dem sich Publikums-verkehr abspielt und zu dem der mit der Ausführung der Zustellung betraute Bedienstete Zutritt hat (vgl. Musielak-Wolst, § 178 ZPO, Rn. 4).

3. Übergabe an Zustellungsempfänger in einer Gemeinschaftseinrichtung scheitert
Scheitert die Übergabe an den Zustellungsempfänger in einer Gemeinschafts-einrichtung, so kann die Zustellung nach § 178 I Nr. 3 ZPO auch ersatzweise an den Leiter der Einrichtung oder eine dazu ermächtigte Person erfolgen. Gemeinschaftseinrichtungen sind hierbei vor allem Seniorenwohnheime, Pflegeheime, Lehrlingsheime, Kranken-häuser, psychiatrische Anstalten sowie Justizvollzugsanstalten und Kasernen. Auf die Art der Einrichtung oder die Rechtsform ihren Betriebes kommt es hierbei nicht an, so dass nicht nur öffentlich-rechtliche Einrichtungen als Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 178 I Nr. 3 ZPO anzusehen sind, sondern auch private Einrichtungen.

III. Zustellung bei verweigerter Annahme, § 179 ZPO
Verweigert der Zustellungsempfänger oder die nach § 178 I ZPO zulässige Ersatz-person die Annahme des Schriftstücks, so wird dieses nach § 179 S. 1 ZPO einfach in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen zurückgelassen und gilt damit als zugestellt. Lediglich dann, wenn weder Wohnung noch Geschäftsraum vorhanden sind, wird das Schriftstück an das Gericht zurückgesandt. Es gilt jedoch nach § 179 S. 3 ZPO gleichwohl als zugestellt. Allerdings ist zu beachten, ob die Verweigerung nicht ausnahmsweise zu Recht erfolgt. Dies kann z.B. bei Ausführung eines Zustellungsauftrags die versuchte Aushändigung nach § 177 ZPO sein, wenn entweder Zeit oder Ort unpassend ist.

IV. Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, § 180 ZPO
Die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ist nach § 180 ZPO nur zulässig, wenn das Schriftstück weder dem Zustellungsempfänger selbst, noch einer in der Wohnung oder den Geschäftsräumen zugelassenen Ersatzperson übergeben werden kann. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ist bei einem Adressaten in einer Gemein-schaftseinrichtung nicht zulässig.
Die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO erfolgt dergestalt, dass das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähn-liche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang einge-richtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist.
Eine dem Briefkasten „ähnliche Vorrichtung“ ist etwa der Briefschlitz in der Haustür eines Einfamilienhauses. Ein einziger Briefschlitz in der Tür eines Mehrfamilienhauses ist hingegen untauglich (vgl. Musielak-Wolst, § 180 ZPO, Rn. 2).
Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung, damit der Zustellungsempfänger bei einem späteren Auffinden des Schriftstücks erkennen kann, wann die Zustellung erfolgt ist.

V. Ersatzzustellung durch Niederlegung, § 181 ZPO
Für die Fälle, in denen die Ersatzzustellung in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 178 I Nr. 3 ZPO scheitert oder bei Zustellung in der Wohnung bzw. im Geschäftsraum nach § 178 I Nr.1, 2 ZPO die Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten nach § 180 ZPO nicht möglich ist, sieht § 181 I 1 ZPO vor, dass das zuzustellende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden. Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, so ist das zuzustellende Schriftstück nach § 181 I 2 ZPO bei einer von der Post am Ort der Zustellung oder des Gerichts dafür bestimmten Stelle niederzulegen. Sowohl bei Gericht als auch bei der Post sind die Schriftstücke nach § 181 II ZPO 3 Monate aufzubewahren. Erst danach werden sie an den Absender zurückgeschickt.
Über die Niederlegung ist nach § 181 I 3 ZPO eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften.
Das Schriftstück gilt nach § 181 I 4 ZPO mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zusteller vermerkt zudem nach § 181 I 5 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

VI. Nachweis der Zustellung, § 182 ZPO
Über die Zustellung ist eine ordnungsgemäße Zustellungsurkunde anzufertigen. Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle unverzüglich zurückzuleiten. Sie muss die in § 182 II ZPO vorgesehenen Angaben enthalten. Die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde und erbringt daher nach § 418 I ZPO den vollen Beweis der in ihr beurkundeten Tatsachen, wobei jedoch nach § 418 II ZPO der Gegenbeweis zulässig ist, der jedoch dann auch zur vollen Überzeugung des Gerichts erbracht werden muss.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Juli 2015