Prüfungswissen: Die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nach § 35 GewO

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Unzuverlässigkeit wegen Duldung von Drogenhandel (mit Jura-Lernvideo) (OVG Lüneburg; Beschluss vom 29.06.2015 – 7 ME 32/15). Die Entscheidungsbesprechung wird morgen früh veröffentlicht.

Prüfungswissen: Die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nach § 35 GewO

I. Begriff der Unzuverlässigkeit
Der Gewerbetreibende ist unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er das von ihm ausgeübte Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird.
Wegen der schweren Folgen der Gewerbeuntersagung für den Gewerbetreibenden muss eine besonders verantwortliche Abwägung zwischen den für einen funktionsfähigen Wirtschaftsablauf unerlässlichen gewerbebehördlichen Maßnahmen und den Interessen des Gewerbetreibenden stattfinden. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bedeutet die Prüfung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit als stets eine Bewertung und Prognose im konkreten Einzelfall.


Die Prüfung der Unzuverlässigkeit ist branchenbezogen und konkret, d.h. sie ist im Hinblick auf die vom Gewerbetreibenden jeweils ausgeübte Tätigkeit vorzunehmen; das bedeutet, dass jeweils unterschiedliche Anforderungen zu stellen sind, je nach der Art des ausgeübten Gewerbes und der Sensibilität des Bereiches für Unregelmäßigkeiten. Die vorzunehmende Bewertung im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung muss auf Tatsachen beruhen. Bloße Vermutungen hinsichtlich der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden reichen nicht aus.
Auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Es soll der Geschäftsverkehr geschützt, nicht das Verhalten des Gewerbetreibenden sanktioniert werden.

II. Fallgruppen von Unzuverlässigkeit
1. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
Die einmalige Bestrafung vermag nur dann die Unzuverlässigkeit zu begründen, wenn sie sehr schwerwiegend ist und brachenrelevant ist. Allerdings können viele kleinere Gesetzesverletzungen zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen, wenn sie einen Hang zur Nichtbeachtung von Vorschriften erkennen lassen. Die Verwertungsverbote des § 51 BZRG sind zu beachten. Eine Begehung bei Ausübung des Gewerbes ist nicht erforderlich, es kommt lediglich darauf an, ob sie sich auf die ordnungsgemäße Gewerbeausübung auswirken.

2. Verletzung steuerlicher Pflichten
Erforderlich ist, dass der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Pflichten längere Zeit beharrlich und nachhaltig nicht nachkommt. Allerdings kommt hier nur die Verletzung von steuerlichen Pflichten in Betracht, die mit der Gewerbeausübung in Zusammenhang stehen (Betriebssteuern).
Die öffentliche Hand ist auf den Eingang von Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Die Entziehung von steuerlichen Verpflichtungen, schädigt nicht nur die Allgemeinheit, sondern führt auch zur unlauteren Verschaffung eines Vorsprungs im Wettbewerb mit denjenigen, die ihre Steuerpflichten in redlicher Weise erfüllen (BVerwG GewArchiv 82, 233).

3. Nichtentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen
Auch hier kann die Nichtentrichtung über einen längeren Zeitraum und in nicht unerheblicher Höhe die Unzuverlässigkeit begründen. Allerdings ist vor allem in diesem Zusammenhang die Teiluntersagung zunächst in Betracht zu ziehen, mit der die Beschäftigung von Arbeitnehmern untersagt werden kann.

4. Mangel wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
Als genereller Grund für Unzuverlässigkeit umstritten, aber jedenfalls anerkannt, wenn der Gewerbebetrieb die Verwaltung fremder Vermögenswerte umfasst oder es auf die finanzielle Vertrauenswürdigkeit und Leistungsfähigkeit besonders ankommt. Teilweise wird der Nachweis wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in gewerberechtlichen Nebengesetzen als Erlaubnisvoraussetzung ausdrücklich gefordert.

III. unzuverlässige Personen
1. Inhaber des Betriebes ist eine natürliche Person.
Hier kommt es grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit des Betriebsinhabers. Hat dieser die Leitung der Geschäfte an einen anderen übertragen, so kommt es auf dessen Zuverlässigkeit an. Wer einem Unzuverlässigen einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglicht, ist selbst unzuverlässig.

2. Juristische Person/Personenmehrheiten
Es kommt auf die gesetzlichen Vertreter an, also den Vorstand oder den Geschäftsführer. Bei juristischen Personen wird die Unzuverlässigkeit der Vertretungsberechtigten insofern der juristischen Person zugerechnet.

3. Strohmannverhältnisse u.ä.
Ein Gewerbetreibender ist auch dann unzuverlässig, wenn er Dritten, welche die für erforderlich Zuverlässigkeit nicht besitzen, maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Gewerbetriebes einräumt oder auch nur nicht willens oder in der Lage ist, einen solchen Einfluss ausschalten. Der maßgebliche Einfluss eines unzuverlässigen Dritten rechtfertigt es aber nur dann, dem Betriebsinhaber das Gewerbe zu untersagen, wenn diese Einfluss auf demselben Gebiet des betrieblichen Rechts- und Wirtschaftsverkehrs zu Tage tritt, auf dem der Dritte unzuverlässig ist.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Dezember 2015