Prüfungswissen: Planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Bauen im unbeplanten Innenbereich (mit Jura-Lernvideo) (BVerwG; Urteil vom 30.06.2015 – 4 C 5.14). Die Entscheidungsbesprechung wird morgen früh veröffentlicht.

Prüfungswissen: Planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich, § 34 BauGB

Liegt das Grundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, so richtet sich die Zulässigkeit gem. § 30 BauGB nach den Festsetzungen des Bebauungsplans. Fehlt ein solcher, so beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB, wenn das Grundstück sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befindet. Anderenfalls handelt es sich um ein Außenbereichsgrundstück, bei welchem sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 35 BauGB richtet.

I. Bebauungszusammenhang
Da ein Bebauungsplan im vorliegenden Fall fehlt, könnte es sich um ein Grundstück handeln, welches § 34 BauGB unterfällt. Dann muss es sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befinden. Hier ist eine einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen. Dabei ist maßgebend, ob eine tatsächlich aufeinander folgende, zusammenhängende Bebauung besteht (BVerwGE 31, 20). Entscheidend ist hierbei letztlich die Verkehrsauffassung.

II. Zulässigkeit der Art der Nutzung
Entspricht der festgestellte Bebauungszusammenhang von seinem Charakter her einem der in der BauNVO in §§ 2-11 festgelegten Baugebiete, so beurteilt sich die planungsrechtliche Zulässigkeit der Vorhabens bezüglich der Art der Nutzung nach § 34 II BauGB allein nach der BauNVO.

1. Bebauungszusammenhang entspricht einem der Baugebiete der BauNVO
In diesem Fall ist nach den Vorschriften der §§ 2-15 BauNVO zu prüfen, ob das Vorhaben die Vorgaben einhält. Ist dies nicht der Fall, so können nach § 34 II 2. HS BauGB auch Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB zugelassen werden, so dass auch die in der BauNVO geregelten Ausnahmen zu den jeweiligen Baugebieten innerhalb des unbeplanten Innenbereichs Anwendung finden.

2. Bebauungszusammenhang entspricht keinem der Baugebiete der BauNVO
Dann ist im Rahmen des § 34 I BauGB einzelfallbezogen zu prüfen, ob sich das Vorhaben von der Art der Nutzung her in die nähere Umgebung einfügt (s.u.)

III. Zulässigkeit des Maßes der Nutzung und Einhaltung der überbaubaren Grundstücksflächen sowie sonstige Merkmale der baulichen Anlage (z.B. Gestaltung)
Bezüglich aller anderen Merkmale einer baulichen Nutzung kommt es dann darauf an, ob sich ein Vorhaben in die nähere Umgebung einfügt.

Als „nähere Umgebung“ kommen zunächst, aber nicht nur die unmittelbaren Nachbargrundstücke in Betracht (BVerwG, NJW 1975, 460). Vielmehr muss die nähere Umgebung insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwGE 55, 369/380).

Die „Eigenart“ der näheren Umgebung wird vor allem durch die vorhandene Bebauung geprägt. Es ist somit auf die städtebauliche Eigenheit abzustellen, durch die die Umgebung gekennzeichnet ist, also auf alles „Vorhandene“, sofern es nur prägende Wirkung hat (vgl. Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr, 10. Auf. 2007, § 34 BauGB Rn. 13/14).

IV. Ausnahmen
1.
Unzulässigkeit trotz Einfügens, § 34 III BauGB
Trotz Einfügen in die nähere Umgebung ist ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich dann planungsrechtlich unzulässig, wenn es schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Gemeinde oder anderer Gemeinden hat (sog. Einkaufszentren auf der grünen Wiese).

2. Zulässigkeit trotz Nichteinfügens, § 34 IIIa BauGB
Zur Erweiterung von zulässigen Gewerbe- und Handwerksbetrieben, sofern dies städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist (Vgl. § 31 II BauGB). Dies gilt jedoch nicht für Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können.

V. Sicherung der Erschließung
Schließlich setzt die planungsrechtliche Zulässigkeit stets voraus, dass die Erschließung gesichert ist. Hierzu gehört zumindest

  • der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz
  • Versorgung mit Energie
  • Versorgung mit Wasser
  • Entsorgung der Abwässer.   (vgl. BVerwGE 64, 186)

Gesichert ist die Erschließung, sobald nach den objektiven Kriterien nach aller Erfahrung damit gerechnet werden kann, dass die Erschließungsanlagen spätestens bis zur Fertigstellung der baulichen Anlage zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, DVBl. 1977, 41 [43]; DVBl. 1986, 685).

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Dezember 2015