Prüfungswissen: Beihilfe, § 27 StGB

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung:  Beihilfe durch Ausleihen von Telefon für Drogendeal (BGH; Beschluss vom 05.11.2015 – 2 StR 96/15) Die Entscheidungsbesprechung (mit Jura-Lernvideo) wird morgen um 09:00h veröffentlicht.

Prüfungswissen: Beihilfe, § 27 StGB

I. Allgemeines
Nach § 27 StGB wird als Gehilfe eines Haupttäters bestraft, wer diesem vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Straftat Hilfe geleistet hat. Diese gesetzliche Regelung benennt die Voraussetzungen der Beihilfe:
– eine teilnahmefähige Haupttat, – einen auf Hilfeleistung beschränkten Tatbeitrag – sowie den Vorsatz, welcher wesentliche Modalitäten der Haupttat sowie die Funktion des eigenen Verhaltens als Hilfe zu dieser Tat umfassen muss.

II. Teilnahmefähige Haupttat
Beihilfe ist Unterstützung einer von einem anderen begangenen Straftat. Diese Haupttat begründet die Strafwürdigkeit der Hilfeleistung, denn die Strafbarkeit der Teilnahme ist an das Unrecht der Haupttat angebunden (Grundsatz der Akzessorietät). Darin spiegelt sich der Strafgrund der Teilnahme: Der Teilnehmer setzt sich dadurch in strafwürdiges Unrecht, dass er das durch den Täter verwirklichte Unrecht initiiert (Anstiftung) oder fördert (Beihilfe). Es bedarf daher einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat. Es genügt, dass diese das Versuchsstadium erreicht hat. Auch zu erfolgsqualifizierten Delikten ist Beihilfe möglich, da diese gem. § 11 II StGB wie Vorsatztatbestände zu behandeln sind.

III. Hilfeleisten
Als Gehilfenbeitrag kommt jedes Verhalten in Betracht, das die Chancen auf den Taterfolg in irgendeiner Weise erhöht, indem es die Begehung der Haupttat ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert. Dies kann „durch Rat und Tat” geschehen, d.h. durch Einflussnahme auf die Täterpsyche oder äußere Geschehensabläufe. Dabei ist vor allem umstritten, ob die Hilfeleistung für die Vollendung der Haupttat kausal geworden sein muss, unter welchen Umständen psychische Einwirkungen auf den Täter ausreichen, und wann durch ein berufstypisches Verhalten, nach Vollendung der Haupttat oder durch Unterlassen strafbare Beihilfe geleistet werden kann (vgl. hierzu weitere Ausführungen in Seher: Grundfälle zur Beihilfe JuS 2009, 793).

1. Kausalität
Nach verbreiteter Ansicht muss der Gehilfe den Erfolg der Haupttat mitverursachen. Zur Begründung wird geltend gemacht, Kausalität sei Zurechnungsvoraussetzung für jede vollendete Begehungsstraftat. Herangezogen wird auch der Strafgrund der Beihilfe: Wenn diese einen „akzessorischen, über den Täter laufenden Rechtsgutsangriff” des Gehilfen darstelle, müsse sich dieser Angriff durch seine Wirkung auf die Haupttat dokumentieren.
Allerdings fordern nur einige Vertreter eine Erfolgsverursachung im Sinne einer conditio sine qua non. Eine solche Forderung ist auch bedenklich, denn beschränkte man die Beihilfe auf unerlässliche Beiträge zur Haupttat, geriete sie in zu enge Nähe zur Mittäterschaft. Es ist daher – wenn man auf dem Erfordernis der Kausalität bestehen will – plausibler, eine „Modifikationskausalität” genügen zu lassen, also jeden Einfluss auf die Art und Weise der Ausführung der Haupttat.
Die vor allem von der Rechtsprechung vertretene Gegenposition verzichtet auf eine Erfolgskausalität und erachtet jeden Beitrag als hinreichend, der die Haupttat in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (Förderungstheorie).
Der Kausalitätstheorie der Beihilfe ist zuzugeben, dass sie einen durchgängig praktikablen Maßstab zur Bestimmung der Reichweite und Grenzen strafbarer Hilfeleistungen anbietet. Angesichts der Straflosigkeit der versuchten Beihilfe bewirkt sie aber bedenkliche sanktionsfreie Räume, wo ein Beitrag allein durch die Zufälle des Tatablaufs nicht für den Haupttaterfolg kausal geworden ist. Vorzugswürdig ist daher die Förderungstheorie, sofern man darauf besteht, dass jedenfalls eine Erleichterung der Tathandlung nachweisbar ist. Das Gegenargument, der Gesetzgeber habe die versuchte Beihilfe eben bewusst straflos gelassen, ist zirkulär, denn ob bei nicht kausalen fördernden Beiträgen nur der Versuch einer Beihilfe vorliegt, ist ja gerade die umstrittene Frage.

2. Psychische Beihilfe
Nicht nur durch physische Unterstützung, sondern auch durch psychische Akte kann der Gehilfe die Begehung der Haupttat fördern. Damit unterstützt er nicht so sehr die Tat, sondern vielmehr den Täter, und zwar durch Ratschläge, Anreize oder Bestärkung.
Der unterstützende Gehalt beratender Beiträge steht außer Zweifel: Erklärt jemand dem Täter den Weg zum Tatort oder wie die Tatwaffe funktioniert, ermöglicht er die Begehung der Haupttat, indem er den Wissensstand des Täters an einem relevanten Punkt verbessert.
Schon schwieriger sind Fälle zu beurteilen, in denen sich der helfende Beitrag in einem zusätzlichen Anreiz für den Täter erschöpft (vgl. hierzu weitere Ausführungen in Seher: Grundfälle zur Beihilfe JuS 2009, 793).

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) März 2016