Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 2. Staatsexamen – Hessen vom Juli 2021

Prüfungsfach:  Strafrecht

Gedächtnisprotokoll:

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist zu fertigen – im Fall der Anklageerhebung ist keine Begleitverfügung zu fertigen; Auflistung der Beweismittel und wesentliches Ergebnis der Ermittlungen erlassen – im Fall der Einstellung ist Abschlussverfügung zu machen, in der die Gründe für die Einstellung erläutert werden – bei Teileinstellung ist keine Verfügung anzufertigen – fall man zu Aufhebung des Haftbefehls kommen sollte, soll unterstellt werden, dass diese erfolgt ist – „Messerstecherei“ vor einer Diskothek – der später Beschuldigte steht mit einer Bekannten vor der Tür; drei Männer (A, B und C) kommen nach draußen und A gefällt die Bekannte – A baggert die Frau an, der Beschuldigte sagt, er soll aufhören – daraufhin A, der ziemlich groß und breit gebaut ist: „Den walze ich um, der steht nicht mehr vor der Disko rum.“ – geht mit geschwollener Brust aber anliegenden Armen auf den Beschuldigten zu, B folgt ihm, um ihn zu unterstützen, C will dazwischen gehen – Beschuldigter (gibt später an, er habe sich nur verteidigen wollen weil er gedacht habe, sie wollten ihn verschlagen und hätte gedacht, er hätte anders keine Chance) schlägt mit der Faust in Richtung des Gesichts des A, hat dabei aber Messer in der Hand; trifft A nicht, aber bei der Rückführung des Arms fügt er A Schnittverletzung am Hals zu – Beschuldigter schlägt dann nochmal zu, trifft aber wieder nicht; bei der Rückführbewegung fügt er C Schnittverletzung am Rücken zu – dann läuft Beschuldigter weg – B schildert das Geschehen später auch so; auch die Freundin bestätigt das und gibt an, die Situation sei schon sehr bedrohlich gewesen – die Wunde des C muss genäht werden, sodass etwa 15 cm lange Narbe entsteht – A wurde erheblich verletzt, hat viel Blut verloren, muss lange operiert werden und war zwei Tage lang in Lebensgefahr; trägt jedoch keine Folgeschäden davon – C sagt später, er selbst habe den A nicht unterstützen wollen, sondern wollte die Situation verhindern; er kann aber nicht ausschließen, dass der Beschuldigte dachte, dass er auch gegen ihn vorgehen wollte – eine Stunde nach dem Vorfall beobachtet Halbbruder des Beschuldigten anderes Geschehen – der Nachbar des Halbbruders geht über die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten – der Beschuldigte fährt gerade mit dem Fahrrad die Straße entlang und muss deshalb stark bremsen – kurzes Wortgefecht, gegenseitiges Anspucken (Beleidigung war jedoch nicht zu prüfen) – erst dann merkt der Beschuldigte, dass bei dem Bremsvorgang sein Handy zu Boden gefallen und kaputtgegangen ist – er ruft „Jetzt boxe ich dich wie ein Mann!“ und schlägt dem Nachbarn mehrfach mit Wucht mit der Faust ins Gesicht; dieser geht zu Boden und als er sich nochmal aufrappeln will, beugt sich der Beschuldigte über ihn und schlägt nochmal so fest zu, dass der Nachbar bewusstlos wird – als die Polizei eintrifft, schildert der Halbbruder nach ordnungsgemäßer Belehrung (und auch in späterer Vernehmung noch einmal) das ganze Geschehen – Beschuldigter selbst sagt plötzlich zu Polizist „Ich war das.“ – der Nachbar kommt ins Krankenhaus; Schädelhirntraume, Hirnblutung und daraus resultierende Lähmung des Zentralnervensystems, die auf den Schlägen resultieren kann, wird festgestellt; Nachbar stirbt an seinen Verletzungen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben – Halbbruder des Beschuldigten hat auch ausgesagt, dass Beschuldigter früher lange Kickboxer war und auch an Wettkämpfen teilgenommen hat, dann aber wegen Knieverletzung aufhören musste – Polizei recherchiert und findet auf öffentlichen Facebook-Profil des Beschuldigten Bilder und Videos von Kickboxen des Beschuldigten; unter einem Foto steht auch „Achtung Lebensgefahr“ – durch Recherche kann auch früherer Trainer ausfindig gemacht werden, der sagt, dass alle Schüler belehrt würden, dass sie ihre Fähigkeiten auf keinen Fall außerhalb von Training und Wettkämpfen anwenden dürfen, weil dies erhebliche, oder gar lebensgefährliche Verletzungen bei dem Gegner verursachen könnte – Beschuldigter selbst sagt in Vernehmung aus, dass er sich bei Disko nur verteidigen wollte; wollte den anderen keine schweren Verletzungen zufügen, wollte nur, dass sie ihn in Ruhe lassen; zu anderem Vorfall will er nichts sagen – Vernehmung wird ordnungsgemäß aufgenommen – Haftbefehl wird erlassen und Pflichtverteidiger (auf den er bei Vernehmung zunächst verzichtet hatte) wird bestellt – Halbbruder beruft sich später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht; nach qualifizierter Belehrung sagt er, dass seine vorherige Aussage verwertet werden darf, solange er nur selbst nicht mehr aussagen muss – Verteidiger meldet sich: sagt, im ersten Fall habe sich Beschuldigter nur verteidigen wollen; die zweite Tat könne ihm wohl nicht nachgewiesen werden; außerdem weist er darauf hin, dass die Nutzung der Facebook-Seite ohne richterlichen Beschluss eine unrechtmäßige Beschlagnahme darstellen würde und deshalb auch die Aussage des Trainers nicht verwendet werden könnte; er widerspricht vorsorglich der Verwertung.

Bei den obigen Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom Juli 2021 im zweiten Staatsexamen in Hessen. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.