Prüfungswissen: Der Urkundsprozess

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Betriebskostennachforderung im Urkundsprozess (BGH; Urteil vom 22.10.2014 – VIII ZR 41/14). Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Der Urkundsprozess

I. Allgemeines
Der Urkundsprozess als eine besondere Art des Erkenntnisverfahrens ist in §§ 592 ff. ZPO geregelt. Ein solches Verfahren kann dann geführt werden, wenn alle zur Entscheidung notwendigen Nachweise zum Bestehen des Anspruchs durch Urkunden und Parteivernehmung erbracht werden können. Einwendungen des Beklagten werden nur berücksichtigt, wenn sie ebenfalls durch Urkunden nachgewiesen werden können. Anderenfalls bleiben die Einwendungen gegen den durch Urkunden ausgewiesenen Anspruch jedoch erhalten. Im Urteilsprozess ergeht lediglich ein sog. Vorbehaltsurteil nach § 599 ZPO. Hat der Beklagte Einwendungen erhoben, so muss ihm die Geltendmachung seiner Rechte nach § 599 ZPO vorbehalten bleiben. Um Anschluss wird dann das Verfahren nach § 600 ZPO als Nachverfahren weitergeführt, wobei der Rechtsstreit ohne Unterbrechung anhängig bleibt.
Das Urkundsverfahren dient dazu, demjenigen Kläger, der seinen Anspruch durch Urkunden nachweisen kann, schneller zu seinem Recht zu verhelfen. Aufgrund der nur eingeschränkt zulässigen Beweismittel ergeht im Urkundsverfahren schneller ein Urteil, aus welchem der Kläger dann zunächst vollstrecken kann, zwar nach § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistung.

II. Statthaftigkeit eine Klage im Urkundsprozess
1. Erklärung, dass im Urkundsprozess geklagt werden soll
Nach § 593 I ZPO muss der Kläger ausdrücklich erklären, im Urkundsprozess klagen zu wollen. Nur so kann sichergestellt werden, dass bei Klagen, in deren Rahmen der Kläger seinen Beweispflichten durch Urkundsvorlage nachkommen möchte, eine Abgrenzung zum besonderen Verfahren im Urkundsprozess möglich ist.
Der Kläger kann allerdings, ohne dass es der Einwilligung des Beklagten bedarf, nach § 596 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von dem Urkundenprozess in der Weise abstehen, dass der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig bleibt.

2. Anspruchsinhalt
Ein Urkundsprozess kann nach § 592 I ZPO nur geführt werden, wenn es um einen Anspruch geht, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat. Als ein Anspruch, der die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.

3. Beweismittel
Zudem ist erforderlich, dass sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können Es findet daher eine Inzidentprüfung hinsichtlich der Begründetheit statt.

Neben Urkunden ist in Ausnahmefällen nach §§ 592, 595 II ZPO auch die Par-teivernehmung als Beweismittel zulässig. Dies gilt allerdings nur, wenn es um den Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde geht sowie um andere als die in § 592 ZPO erwähnten Tatsachen, wie z.B. die vorerwähnte Erfüllung der eigenen Verpflichtung.

III. Begründetheit der Klage im Urkundsprozess
1. Zunächst kommt in Betracht, dass die Klage schlüssig ist und der Kläger alle streitigen Tatsachen, die zur Innehabung des geltend gemachten Anspruchs vorliegen müssen, durch Urkunden nachgewiesen hat.

a) Sind die vom Beklagten angeführten Beweismittel im Urkundsprozess unzulässig, so wird der Klage durch Vorbehaltsurteil stattgegeben, aber dem Beklagten sind seine Rechte nach § 599 I ZPO vorzubehalten. Dies gilt im Übrigen auch, wenn der Beklagte der Klageforderung auf andere Weise widerspricht, sogar der Klageabweisungsantrag wird als ausreichend erachtet (vgl. OLG Hamm MDR 1982, 415).
b) Sind die vom Beklagten angeführten Beweismittel im Urkundsprozess zulässig, so kommt es darauf an, ob er mit den vorgelegten Beweismitteln den ihm obliegenden Beweis auch vollständig erbringen kann. Ist dies nicht der Fall, so ergeht nach § 599 I ZPO ein Vorbehaltsurteil zugunsten des Klägers.
c) Kann der Beklagte seine Einwendungen durch die zulässigen Beweismittel nachweisen, so wird die Klage nach § 597 I ZPO durch Sachurteil abgewiesen.

2. Ist die Klage unschlüssig, so wird die Klage nach § 597 I ZPO als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung steht dann einer erneuten Klageerhebung im „normalen“ Verfahren entgegen.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA)  März 2015