Prüfungswissen: Abrechnung nach Gutachten bei Verkehrsunfällen

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Verweis auf Reparatur in freier Fachwerkstatt (BGH, Urteil vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Abrechnung nach Gutachten bei Verkehrsunfällen

Es stellt sich häufig die Frage, ob der Geschädigte die Reparaturkosten nach Gutachten dann in voller Höhe abzüglich Mehrwertsteuer verlangen kann, wenn er das Fahrzeug tatsächlich preiswerter oder gar nicht reparieren lässt.
Zu berücksichtigen ist bei dieser Frage, dass es völlig unbillig wäre, den Schädiger nur deswegen besser zu stellen, weil auf der Seite des Geschädigten zufällig Umstände eintreten, die die Kosten gesenkt haben. Insofern handelt es sich um überobligatorische Aufwendungen auf Seiten des Geschädigten. Er hat einen rechtlichen Anspruch auf Durchführung der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt und kann auch die fiktiven Reparaturkosten danach berechnen (vgl. BGH NJW 2003, 2086). Die Reparaturkosten können daher nicht nach dem abstrakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region bemessen werden.
Allerdings ist es dann erforderlich, dass das Fahrzeug fachgerecht und vollständig repariert wird, auch wenn eine Selbstreparatur vorgenommen werden darf. Hinsichtlich des Reparaturbedarfs hat sich der Geschädigte an den im Schadensgutachten enthaltenen fachhandwerklichen Vorgaben zu orientieren. Bei einer nur die Fahrbereitschaft wiederherstellenden Teilreparatur kommt ein schutzwürdiges Integritätsinteresse des Geschädigten nicht in Betracht. In einem solchen Fall ist der für die Schadensbehebung erforderliche Geldbetrag bis zum Wiederbeschaffungswert ohne Abzug des Restwertes zu erstatten (vgl. BGH NJW 2005, 1108 und 1110).
Zudem kommt der 30 %-Aufschlag zur Wahrung des Integritätsinteresses nur in Betracht, wenn das Fahrzeug auch tatsächlich über einen längeren Zeitraum weitergenutzt wird. Der BGH hält hier eine Zeitspanne von 6 Monaten für erforderlich (vgl. BGH NJW 2008, 437).

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) August 2015