Prüfungswissen: Anforderungen an das Strafurteil

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Anforderungen an Urteilsgründe (OLG Hamm; Beschluss vom 17.08.2014 – 5 RVs 65/15) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Anforderungen an das Strafurteil (vgl. hierzu http://herberger.jura.uni-sb.de/ref/straf-prozessrecht/Rat-20.html)

I. Allgemeines
Das Abfassen eines Strafurteils wird im Examen üblicherweise nicht verlangt, so dass hier nur die Grundzüge kurz angeschnitten werden. Die wichtigsten Bestimmungen enthalten §§ 260, 267, 268, 275 StPO. Das Urteil besteht aus dem “Rubrum” (wurde früher mit roter Tinte geschrieben) dieses enthält die Personalien des Angeklagten, Namen des Richters, Staatsanwalts, Verteidigers und des Urkundsbeamten, und den Tag der Verhandlung, dem Tenor (Urteilsformel mit den angewendeten Vorschriften), Gründen und Unterschrift.
Besonders auf die Personalien des Angeklagten und den Tenor ist die größte Sorgfalt zu verwenden, da das Urteil sonst u. U. nicht vollstreckbar ist. Kann z. B. nicht geklärt werden, welche Person verurteilt worden ist, besteht ein Vollstreckungshindernis.
Nach Erlass eines Urteils kann dieses nicht mehr abgeändert werden, d. h. etwaige Fehler können nur noch durch Rechtsmittel, die Wiederaufnahme oder zu Gunsten des Verurteilten im Gnadenweg beseitigt werden.II. Urteilsgründe
Die Urteilsgründe bei Verurteilung bestehen aus fünf großen Abschnitten:

  • persönliche Verhältnisse,
  • Feststellungen,
  • Beweiswürdigung,
  • rechtliche Würdigung und
  • Strafzumessung

Ein gutes Urteil gelingt nur, wenn der Richter nach gründlicher Vorbereitung der Sitzung in der Hauptverhandlung mit wachem Blick eine Fülle von Einzelheiten aufgenommen hat. Diese werden gedanklich geordnet dargestellt. Das Urteil soll aus sich heraus verständlich und vollständig sein. Bezugnahmen auf andere Schriftstücke oder Abbildungen sind nur ausnahmsweise erlaubt.

1. Persönliche Verhältnisse
Die persönlichen Verhältnisse werden in der Form eines Lebenslaufs geschildert, also beginnend mit der Geburt, Familienverhältnissen, Schulbildung. Die Vorstrafen werden zeitlich geordnet in den Lebenslauf eingegliedert nebst einer kurzen Inhaltsangabe, um welche Sachverhalte es sich handelt und ev. einer kurzen Zusammenfassung der Strafzumessungsgründe. Weiter wird das Verhalten nach der Tat erwähnt.

2. Feststellungen
Aus den Feststellungen ergibt sich, von welchem Sachverhalt das Gericht nach der Beweisaufnahme überzeugt war. Die Kunst besteht darin, alle für die Subsumtion unter das Strafgesetz wesentlichen Umstände, also die objektiven und subjektiven Merkmale der Tat, mit Tatsachen auszufüllen und alles Nebensächliche wegzu-lassen. Der Sachverhalt wird zeitlich geordnet geschildert, als ob ihn ein Augenzeuge erlebt hätte.

3. Beweiswürdigung
Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht dazu, all das zu dokumentieren, was in der Hauptverhandlung an Beweisen erhoben wurde; sie sollen nicht das vom Gesetzgeber abgeschaffte Protokoll über den Inhalt von Angeklagten- und Zeugenäußerungen ersetzen, sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen.
Mit der Beweiswürdigung soll der Tatrichter – unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten – lediglich belegen, warum er bestimmte bedeutsame tatsächliche Umstände so festgestellt hat. Hierzu wird er Zeugenäußerungen, Urkunden o.ä. heranziehen, soweit deren Inhalt für die Überzeugungsbildung nach dem Ergebnis der Beratung wesentlich ist.
Bei der Beweiswürdigung empfiehlt es sich, mit der Darstellung der Einlassung des Angeklagten zu beginnen und sodann darzulegen, in welchen Punkten und aus welchen Überlegungen der Einlassung nicht gefolgt worden ist. Es sollte sich dem Leser erschließen können, warum ein Umstand in der Beweiswürdigung erörtert wird. Die Erörterung von Umständen, deren Unerheblichkeit für die Entscheidung am Ende in den Urteilsgründen selbst festgestellt wird, sollte unterbleiben. Auf diese Weise ausgedehnte Urteilsgründe bergen nur die Gefahr, widersprüchlich zu sein und den Blick auf das Wesentliche zu „verstellen“
Die Zeugenaussagen werden nicht der Reihe nach und in ihren Einzelheiten wiedergegeben, erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung. Das Gericht soll zeigen, dass es den Fall durchdacht hat und die einzelnen Aussagen sinnvoll zusammenfügen kann.

4. Sonstiges
Es schließt sich die rechtliche Würdigung an. In der Strafzumessung wird die Auswahl der Sanktionen und die Höhe der gefundenen Strafe begründet. Das Urteil endet mit der Begründung der Kostenentscheidung und den Unterschriften der Berufsrichter.

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) April 2016