Prüfungswissen: Gefährdung des Straßenverkehrs

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Tanken ohne Bezahlung und Gefährdung des Straßenverkehrs (BGH; Beschluss vom 09.07.2015 – 3 StR 537/14) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB

I. Allgemeines
Bei § 315c StGB handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. § 315c StGB betrifft nur den öffentlichen Straßenverkehr. Erfasst wird auch – anders als bei § 315b StGBausschließlich verkehrswidriges Verhalten von Verkehrsteilnehmern. Es ist also nicht – wie bei § 315b StGB – ein verkehrsfremder Außeneingriff erforderlich. Im Gegensatz zu § 315b StGB erfasst § 315c StGB aber verkehrswidrige Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer im fließenden und ruhenden Verkehr.
315c I StGB betrifft bestimmte vorschriftswidrige Fahrweisen im öffentlichen Straßenverkehr. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem Führen eines Kfz durch einen fahruntüchtigen Fahrzeugführer (§ 315c I Nr. 1 StGB) und den „7 Todsünden“ des Straßenverkehrs (§ 315c I Nr. 2 StGB). In beiden Fällen müssen zudem Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Die „doppelte“ Vorsatzstrafbarkeit nach Abs. 1 setzt hierbei voraus, dass sich der Vorsatz sowohl auf die Begehungsvariante als auch auf die Gefährdung bezieht. Fehlt es hieran, so kommt nur eine Strafbarkeit nach § 315c III StGB in Betracht. Täter kann hierbei nur der Fahrzeugführer sein. Es handelt sich um ein eigenhändiges Delikt.

II. Prüfungsaufbau

1. Objektiver Tatbestand
a) Tathandlung
aa) 1: Führen eines Fahrzeuges in fahruntüchtigem Zustand
bb) Nr. 2: Grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Fehlverhalten gem. den Ziffern a–g
b) Taterfolg
aa) Konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen
bb) Konkrete Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert
c) Kausalität und objektive Zurechnung

2. Subjektiver Tatbestand

a) Strafbarkeit nach Abs. 1
Vorsatz bezüglich des Fehlverhaltens (Fahruntüchtigkeit/Todsünden) und bezüglich der Gefährdung erforderlich (sog. Vorsatz-Vorsatz-Kombination). Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) ist jedoch ausreichend.

b) Strafbarkeit nach Abs. 3 Nr. 1
Hier geht es um eine Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination, bei der die Fahruntüchtigkeit vorsätzlich hingenommen wird bzw. die „Todsünde“ vorsätzlich begangen wird, die Gefährdung jedoch vom Vorsatz nicht umfasst ist, sondern diesbezüglich lediglich Fahrlässigkeit feststellbar ist.

c) Strafbarkeit nach Abs. 3 Nr. 2
Hier ist sowohl bezüglich des Fehlverhaltens auch hinsichtlich der Gefährdung nur Fahrlässigkeit feststellbar (sorg. Fahrlässigkeit-FahrlässigkeitsKombination)

3. Rechtswidrigkeit
Auch hier ist, wie bei § 315b StGB umstritten, ob die Vorschrift nur Individualrechtsgüter schützt und daher eine echtfertigende Einwilligung möglich ist oder aber der Straßenverkehr als solcher geschützt wird, so dass eine rechtfertigende Einwilligung ausscheidet.

4. Schuld
Bei der Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs ist die Anwendung der Rechtsfigur der actio libera in causa ausgeschlossen (vgl. Grundsatzentscheidung des BGH in NJW 1997, 138).

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Mai 2016