Prüfungswissen: Klageänderung in der Rechtsmittelinstanz

Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung:  Kündigung während Berufungsverfahren (OLG Hamm; Urteil vom 20.10.2015 – 28 U 91/15) Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.

Prüfungswissen: Klageänderung in der Rechtsmittelinstanz

I. Zulässigkeit einer Klageänderung im Allgemeinen

1. Vorliegen einer Klageänderung
Zunächst muss überhaupt eine Klageänderung vorliegen. Eine solche ist anzunehmen, wenn nach Rechtshängigkeit der Streitgegenstand geändert wird, also entweder Sachvortrag oder Antrag geändert werden. Dies kann in der mündlichen Verhandlung geschehen oder durch einen den Vorgaben des § 253 ZPO entsprechenden Schriftsatz.2. Wertung der Klageänderung als solche
Bevor die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung nach § 263 ZPO geprüft werden, ist festzustellen, ob das Gesetz eine mögliche Klageänderung vielleicht gar nicht als solche ansehen will, so dass es der Voraussetzungen des § 263 ZPO nicht bedarf.
In § 264 ZPO hat der Gesetzgeber eine solche Regelung getroffen. Sie lässt bestimmte Klageänderungen generell zu, um inhaltlich zusammenhängende Streitfragen möglichst rasch und umfassend klären zu lassen, wo dies den Beklagten nicht unzumutbar belastet. Das vermeidet neue Prozesse und bewahrt die Parteien, aber auch die Justiz davor, sich wiederholt mit demselben Streitstoff befassen zu müssen (vgl. Musielak-Foerste, § 264 ZPO, Rn. 1).

3. Einwilligung des Beklagten
Die klageauswechselnde Klageänderung ist zulässig, wenn der Beklagte in sie einwilligt. Diese Einwilligung muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sie kann auch konkludent erfolgen. Dies kann sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch schriftsätzlich geschehen.

4. Sachdienlichkeit
Auch ohne Einwilligung des Beklagten kann das Gericht eine Klageänderung zulassen, wenn es sie für sachdienlich hält.
Die Sachdienlichkeit ist dabei nach objektiven Kriterien zu beurteilen, auf die subjektiven Interessen der Parteien kommt es nicht an. Sachdienlichkeit ist gegeben, wenn die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängenden Rechtsstreits ausräumt und andernfalls einem möglichen weiteren Rechtsstreit vorbeugt (vgl. BGH NJW-RR 1990, 505; BGH NJW 1985, 1841, 1842; BGH NJW 1951, 311).

II. Zulässigkeit einer Klageänderung in der Rechtsmittelinstanz
Fraglich ist, ob eine Klageänderung unter den vorgenannten Voraussetzungen auch noch in der Rechtsmittelinstanz zulässig sein kann.

1. Klageänderung in der Berufung
Eine Klageänderung in der Berufungsinstanz als 2. Tatsacheninstanz ist grundsätzlich zulässig, obwohl der Beklagte hinsichtlich des neuen Vortrags eine Instanz verliert (vgl. BGH NJW 51,311; BGH NJW 85, 1842).
Soweit mit der Rechtsprechung auch in dem gewillkürten Parteiwechsel eine Klageänderung zu sehen ist, ist jedoch für die Berufungsinstanz zu beachten, dass hier ein Parteiwechsel nur noch auf Klägerseite zugelassen und stets die Zustimmung des Beklagten verlangt wird, ohne dass es auf die Sachdienlichkeit ankommen soll (vgl. BGH NJW 1987, 1946, 1947; BGH NJW 1997, 2885, 2886; BGH DtZ 1994, 282, 283).
Hinsichtlich einer Klageänderung durch Änderung des Lebenssachverhaltens ist zu berücksichtigen, dass unabhängig von den Voraussetzungen einer Klageänderung in der Berufungsinstanz neuen Vortrags hinsichtlich der neuen Klage ebenso von den Einschränkungen des § 529 I Nr. 2 ZPO abhängig ist, wie ohne Klageänderung. Es kommt also darauf an, ob der neue Vortrag in der Berufungsinstanz überhaupt berücksichtigungsfähig ist. Dies beurteilt sich nach § 531 II ZPO. Im Rahmen der Klageänderung kommt es also insbesondere darauf an, ob der Kläger diese Tatsachen nach § 531 II Nr. 2 ZPO wegen eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht hat oder nach § 531 II Nr. 3 ZPO diese Umstände ohne Nachlässigkeit in der ersten Instanz nicht eingebracht hat.

2. Klageänderung in der Revision
Da die Revisionsinstanz auf die reine Rechtsprüfung beschränkt ist, ist eine Klageänderung regelmäßig unzulässig (vgl. BGH NJW 1958, 98; BGH NJW 1993, 1207; BGH NJW 1998, 2969, 2970). Lediglich bei Umstellung des Antrags auf unveränderter Tatsachengrundlage kommt eine Klageänderung auch noch in der Revisionsinstanz in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 263 ZPO vorliegen (vgl. BGH, WM 1973, 1990. BGH NJW 1991, 1683, 1684; BGH NJW 1993, 2045, 2046 f.; BGH NJW 1998, 2969, 2970).

Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Fenruar 2016