Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Endpunkte |
6,6 |
Endnote |
7,0 |
Endnote 1. Examen |
4,9 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Es ging vor allem um Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte im Zusammenhang mit der Strafvereitelung und einigen Rechtsbehelfen (Beschwerdearten und Revision).
Paragraphen: §70 StPO, §258 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken
Prüfungsgespräch:
Anfangs teilte der Prüfer einen Fall aus. Diesen hatte er selbst geschrieben; leider waren in dem Fall einige Fehler enthalten, es war offensichtlich, dass er den Fall nicht noch einmal Korrektur gelesen hat. Er betonte auch, dass er diesen Fall nicht noch einmal stellen wird. Es ging darum, dass A und B Sozialarbeiter sind und bei einem Fußballspiel waren, bei dem Pyrotechnik gezündet wurde. Es gab 11 Verletzte und 10 Beschuldigte. Letztere hätten wohl durch A und B identifiziert werden können. Sie beriefen sich jedoch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, um das Vertrauensverhältnis zu den von ihnen sozialpädagogisch betreuten jugendlichen Fans nicht zu gefährden. Dabei war ihnen bewusst, dass sich dadurch die Ermittlungen verzögern und individuelle Tatbeiträge nicht aufgeklärt werden könnten. Die StA wies darauf hin, dass ihnen weder ein Zeugnis- noch ein Aussageverweigerungsrecht zustünde. Die StA beantragte schließlich gegen 8 Personen einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung an und stellte bei den anderen das Verfahren gemäß § 170 II StPO ein. Zunächst haben wir herausgearbeitet, was der Unterschied zwischen einem Auskunftsverweigerungsrecht und einem Zeugnisverweigerungsrecht ist und ob sich im vorliegenden Fall A oder B auf ein solches berufen können. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass dies nicht so sei. Infolgedessen sind wir auf den § 70 StPO im Zusammenhang mit der Beugehaft eingegangen und haben die Voraussetzungen der Beugehaft durchgeprüft. Außerdem haben wir in diesem Zusammenhang generell über die Voraussetzungen der Untersuchungshaft gem. §§ 112 ff. StPO gesprochen. Wir sollten davon ausgehen, dass sich A nunmehr in Beugehaft befindet. Die Frage war dann, was man als Richter machen müsse, wenn sich A mit einer der Teilnehmenden verlobt hat. Ich habe zunächst ausgeführt, dass ich als Richter das Verlöbnis anzweifeln und das Bestehen erst einmal überprüfen würde. Dies hat der Prüfer nicht als falsch gewertet, aber darauf wollte er nicht hinaus. Wir sollten direkt prüfen, ob nun die Voraussetzungen der Beugehaft nicht mehr bestehen würden. Sodann sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Haftbefehl aufzuheben ist. Der Prüfer hat den Fall dann verschiedenartig abgewandelt. In einer Konstellation wurde der Verlobte nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. Die Frage war, ob die getätigte Aussage dann verwertet werden dürfe, was wir mit nein beantworteten. Falls dennoch eine Verurteilung erfolgen sollte, kann man die mangelnde Aufklärung im Rahmen einer Revision rügen. Wir sollten hier gleich erklären, welches Rechtsmittel gegen ein landgerichtliches Urteil statthaft ist. Im weiteren Verlauf sind wir auf den § 258 StGB eingegangen und mussten erklären, dass dieser das Rechtsgut der effektiven Strafverfolgung schützt. Ebenso sollten wir die Tatbestandsmerkmale subsumieren und insbesondere auf die verschiedenen Möglichkeiten eingehen, aus denen sich einen Garantenstellung ergeben könnte. In einem weiteren Fall sind wir wieder auf die U-Haft eingegangen. Gegen den Beschuldigten wurde ein Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen. Im Laufe der weiteren Ermittlungen stellt sich aber heraus, dass der Beschuldigte nunmehr wegen versuchten Mordes angeklagt werden soll. Es stellte sich also die Frage, was mit dem Haftbefehl wegen der gefährlichen Körperverletzung passieren sollte. Dabei sind wir auch auf den § 120 StPO und die Haftprüfung eingegangen. Nur der erlassene Haftbefehl ist Gegenstand der Haftprüfung. Folgerichtig war der hier erlassene Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung aufzuheben. Die StA hätte dann einen neuen Haftbefehl beantragen müssen. Dann stellte er den Armbrustfall. A will B mit einer Armbrust töten. Er setzt zum Schluss an. Dieser geht aber fehl, weil B sich duckt und wegrennt. A hat auch keinen weiteren Pfeil. Das ärgert ihn, weil er den B immer noch töten möchte. Hier sollten wir den Versuch prüfen und den Fehlschlag definieren und feststellen, dass kein wirksamer Rücktritt vorliegt. Die StA hat die Tat dann als versuchten Mord angeklagt. Das LG hat aber den A wie folgt verurteilt: „Der A ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung. Er wird zu 180 TS / Summe EUR verurteilt. A ist nicht des versuchten Mordes schuldig. Hinsichtlich des versuchten Mordes wird A freigesprochen.“ Wir sollten erklären, was an der Verurteilung falsch ist. Da es sich um eine prozessuale Tat handelt, erfolgt nur ein Tenor. Der „abweisende“ Tenor wird nicht als solcher mit tenoriert. Dann stellte der Prüfer einen weiteren Fall: Im Rahmen einer Verkehrskontrolle wird eine Frau von der Bodycam eines Polizisten gefilmt. Die Frau bemerkt dies und filmt ihrerseits den Polizisten mit ihrem Handy. Die Polizei informiert die StA darüber und beschlagnahmt das Handy. Wir sollten erklären, was die Frau dagegen unternehmen kann. Es besteht die Möglichkeit der Beschwerde. In diesem Zusammenhang sollten wir erklären, was der Unterschied zwischen einer einfachen, weiteren und sofortigen Beschwerde ist und wie das Beschwerdeverfahren abläuft. Ebenso sollte materiell-rechtlich geprüft werden, ob die Frau den Polizisten mit ihrem Handy filmen durfte. Zum Schluss fragte uns der Prüfer eine rechtspolitische Frage zum Catcalling. Hier sollte vor allem auf die ultimatio ratio und den fragmentarischen Charakter des Strafrechts eingegangen werden.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Sachsen-Anhalt vom September 2025. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.