Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern vom November 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im November 20199. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 11,45 6 5,4 6,2
Zivilrecht 13 8 7 9
Strafrecht 16 10 8 7
Öffentliches Recht 16 10 9 7
Endpunkte 15 9,3 8 7,6
Endnote 12,43 6,82 6,05 6,55

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Raub und räuberische Erpressung; Amtsanmaßung; räuberischer Angriff auf Kraftfahrer; Ermittlungsverfahren; Einziehungsrecht

Paragraphen: §242 StGB, §249 StGB, §316a StGB, §73 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, hält Reihenfolge ein, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn der Prüfung teilte der Prüfer einen Sachverhalt aus, den wir kurz lesen sollten (selbigen SV hat er auch schon einmal in einer mündlichen Prüfung des 1. Examens geprüft):
Die 3 Angeklagten überfielen den Nebenkläger, der einen LKW der Firma C auf einer Transportfahrt führte. Sie folgten, dem gemeinsamen Tatplan entsprechend, mit einem Pkw dem vom Nebenkläger geführten, mit Produkten der Fa. A beladenen Lkw auf die A3. Die Täter fuhren kurz vor dem Rastplatz „St“ auf der mittleren Spur der Autobahn neben den Lkw. S betätigte die Hupe, H gab vom Beifahrersitz aus dem Nebenkläger durch das geöffnete Fenster per Handzeichen zu verstehen, er solle rechts herausfahren. Der Nebenkläger nahm, wie von den Tätern beabsichtigt, an, dass es sich um eine Polizeistreife in Zivil handele und ein Fahrzeugkontrolle durchgeführt werden solle. Er lenkte daher den Lkw auf den Rastplatz, hielt an und stellte den Motor ab. S brachte das von ihm geführte Fahrzeug dort ebenfalls zum Stehen. H ging auf die Fahrertür des Lkw zu und rief: „Polizeikontrolle! Papiere, bitte!“ Während der Nebenkläger nach den Fahrzeugpapieren und Frachtunterlagen griff, streifte sich H eine Unterziehhaube über das Gesicht, öffnete die Fahrertür des Lkw und bedrohte den Nebenkläger mit einer nicht geladenen Pistole. Er zwang ihn, sich auf das Bett in der Kabine hinter dem Fahrersitz zu legen, wo er ihn fesselte und ihm eine Jacke über den Kopf legte. Dann fuhr er mit dem Lkw zu einem für das Umladen der Beute vorgesehenen Platz. Dort warteten die Angeklagten M und Z mit einem weiteren Fahrzeug, auf das die Täter Waren im Wert von rund 450.000,- umluden (SV 1 zu 1 abgeschrieben).
Zunächst fragte der Prüfer alle Prüflinge der Reihe nach, welche Straftatbestände sie prüfen würden. Genannt wurden: §§ 249, 253, 255, 250, 242, 240, 132, 316a, 239 StGB (überraschenderweise nicht §§ 239a und 239b StGB).
Anschließend sollte zunächst § 242 StGB subsumiert werden. Wichtig war ihm eine saubere Definition und Subsumtion der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes machte er einen kleinen Exkurs zu den unterschiedlichen Vorsatzformen und wollte diese genannt und definiert haben (hatte er auch im 1. Examen schon explizit geprüft).
Anschließend sollte § 240 StGB geprüft werden. Besonders wichtig war ihm dabei der Gewaltbegriff und § 240 II StGB.
Danach sollte § 239 StGB geprüft werden. Dabei ging er vertieft darauf ein, ob ein tatsächlicher Fortbewegungswille des Opfers notwendig ist. Wichtig war ihm dabei vor allem eine gute Argumentation.
Dann sollte § 249 StGB geprüft werden. Gefragt wurde insbesondere wie sich der Gewaltbegriff zu dem in § 240 StGB verhält (enger, da Gewalt „gegen eine Person“) erforderlich. Anschließend wollte er das Verhältnis zu §§ 253, 255 StGB wissen und wie die Abgrenzung nach Rsp. und Literatur erfolgt.
Anschließend sollte § 250 I Nr. 1 a) StGB geprüft werden. Dabei wollte er auf die Frage der teleologischen Reduktion des Waffenbegriffs hinaus, wenn diese ungeladen ist und wie die Anforderungen der Rsp. sind (Munition muss ohne Weiteres griffbereit sein). Danach wollte er wissen wie der Begriff des „gefährlichen Werkzeuges“ auszulegen ist (objektive Waffenersatzfunktion, vgl. § 250 I Nr. 1 b) StGB e.c.).
Weiter wurde § 250 I Nr. 1 b) StGB geprüft. Dabei fragte der Prüfer auch nach der „LabelloRsp.“.
Danach wurde § 132 StGB geprüft. Der Prüfer wollte dabei allein die Tathandlungen geprüft haben und welcher Unterschied zwischen Alt. 1 und 2 besteht. Auch wollte er das Konkurrenzverhältnis wissen (Alt. 2 ist wohl lex specialis zu Alt. 1, ich bin mir aber nicht mehr 100 % sicher). Auch hier zählte allein eine gute Argumentation und Arbeit mit dem Gesetzeswortlaut.
Nun wurde noch § 316a StGB geprüft. Der Schwerpunkt lag hier auf dem Begriff des „Führers eines Kraftfahrzeuges“ und der Ausnutzung „der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“. Der BGH hat in diesem konkreten Fall wohl entschieden, dass § 316a StGB verwirklicht ist, da der „Angriff“ bereits mit dem „Herauswinken“ auf den Rastplatz begann (bin mir aber auch hier nicht mehr zu 100 % sicher).
Anschließend gingen wir in die StPO. Der Prüfer fragte jeden Prüfling, welche Ermittlungsmöglichkeiten bestünden, um die flüchtigen Täter aufzuspüren. Genannt wurden die Vernehmung des Nebenklägers, die Vernehmung von Zeugen, § 100a StPO, § 110a StPO, § 98a StPO, § 81e StPO, §§ 102 ff. StPO und §§ 94 ff. StPO. Der Prüfer fragte dann noch speziell nach der Zuständigkeit gem. § 105 StPO.
Danach wollte er wissen, was man machen könnte, wenn man die Diebesbeute oder Tatmittel nach Abschluss der Hauptverhandlung nicht zurückgeben möchte. Er wollte auf die Einziehung nach §§ 73 ff. StPO hinaus. Er lies kurz die § 73 und § 74 StPO subsumieren und fragte auch nach der Möglichkeit der vorläufigen Sicherung nach §§ 111b ff. StPO.
Zuletzt wollte der Prüfer den Unterschied zwischen hinreichendem Tatverdacht (§170 I StPO), dringendem Tatverdacht (§ 112 StPO) und Überzeugung des Gerichts (§ 261 StPO) wissen.
Dann war die Prüfung auch schon vorbei. Die Prüfung war sehr gelassen und der Prüfer sehr freundlich. Er ist ein sehr angenehmer Prüfer. Oft prüft er einzelne Fragen nur an, will dann eine gute Argumentation hören, lässt das Ergebnis dann aber offen. Wichtig ist bei ihm eine saubere Definition und Subsumtion der einschlägigen Tatbestände. Die Fragen zur StPo waren eher oberflächlich. Hier ist eine gutes Überblickwissen wichtig.
Im Großen und Ganzen ist dieser Prüfer ein echter „Glücksgriff“. Ihr braucht euch daher keine Sorgen zu machen!
Viel Erfolg!