Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Endpunkte |
6,18 |
Endnote |
4,32 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Versuchter Mord, versuchte gefährliche Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Verfahrensmaxime der StPO
Paragraphen: §22 StGB, §23 StGB, §211 StGB, §223 StGB, §224 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, hart am Fall, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Strafrecht war unsere zweite Prüfung des Tages nach Zivilrecht. Eigentlich waren wir vier Prüflinge aber eine Kandidatin ist unentschuldigt nicht erschienen. Die Prüfung war auf vier Personen ausgelegt, weshalb wir die Prüfung zu dritt nicht komtplett zuende gebracht haben. Wir kamen in den Raum. Auf unseren Plätzen lag ein umgedrehter Sachverhalt. Ich kann ihn nicht mehr wortwörtlich widergeben, aber inhaltlich lautete er folgendermaßen: O und T spielen sind beide Mitglieder in einem Fußballverein. An diesem Spieltag saß T das ganze Spiel über auf der Bank ohne eingewechselt zu werden. O war hingegen das gesamte Spiel auf dem Spielfeld und schoss auch Tore. Das Team von T und O gewann das Spiel und im Anschluss an das Spiel wurde im Vereinsheim eine kleine ausgelassene Feier geschmissen. T war wütend, dass er nicht eingewechselt wurde und insgeheim auch neidisch, dass O Tore geschossen und dem Team zum Sieg verholfen hat. Er wollte sich deshalb an O rächen. Als O nicht hinsah, goss T eine Flüssigkeit in das von O unbeaufsichtigt stehen gelassene Bier. Diese Flüssigkeit fand er im Geräteraum des Platzwartes. Sie war Inhalt einer Plastikflasche, auf der ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen abgedruckt war. Nachdem T die Flüssigkeit in das Bier des O geschüttet hatte, hörte er, wie O über seine kleine Tochter redete und das er ein stolzer Vater sei. Als O darauf die Bierflasche in die Hand nahm, um aus dieser zu trinken, überkam T ein Gefühl der Reue. Mit einer schnellen Bewegung schlug er O die Flasche aus der Hand, welche daraufhin auf den Boden viel und kaputt ging. Obwohl T dem O die Flasche aus der Hand schlug, hatte er dennoch den Bedarf nach Rache an O. Unter dem Vorwand, er habe bei dem Fußballspiel seine Halskette auf dem Fußballplatz verloren und er bräuchte Hilfe bei der Suche, ging T mit O aus dem Vereinsheim. Als O sich in der Nähe eines Tore mit dem Rücken zu T gewandt bückte, um eine verdächtige Stelle zu untersuchen weil er dachte, er hätte eine Kette gesehen, trat T von O nicht bemerkt an diesen heran. T packte O von hinten und schlug dessen Kopf gegen den Torpfosten worauf dieser eine Platzwunde am Kopf erlitt und (ohnmächtig?) zu Boden viel. Strafbarkeit des T? Ich sollte damit beginnen, welche Straftatbestände in Betracht kämen. Ich gliederte den Sachverhalt zunächst in zwei Abschnitte, Vereinsheim und Suche auf dem Fußballplatz. Ich sagte zunächst, dass bzgl. der Tat im Vereinsheim eine versuchte gefährliche Körperverletzung in Betracht käme. Aufgrund des Stresses habe ich schlicht vergessen andere Sachen vorher zu nennen. STA Nolzen fragte mich dann, ob vorher nicht eventuell noch andere schwerere Strafbarkeiten in Betracht kämen. Ich entgegnete daraufhin, dass der versuchte Totschlag bzw. Mord vorher geprüft werden sollten. Ich sollte dann noch sagen, was der Unterschied zwischen Mord und Totschlag sei (die Mordmerkmale) und welche Gruppen der Mordmerkmale es gibt. Dabei habe ich noch den Streit angesprochen, ob Mord eine Qualifikation vom Totschlag oder ein eigenständiges Delikt sei. Ich habe den Streit auch kurz erläutert und gesagt das es eine Qualifikation sei. Nolzen fragte, ob das relevant für unsere Prüfung sei. Ich habe dies verneint mit dem Hinweis, dass ich das nur kurz erläutern wollte, da es eine grundlegende Meinungsverschiedenheit zwischen Rechtsprechung und Literatur sei. Das hat er dann angenommen und mich gebeten, das erste Mordmerkmal zu prüfen, das mMn in Betracht kommt. Vorher habe ich aber die Vorprüfung (Nichtvollendung und Versuchsstrafbarkeit angesprochen und die §§ 22, 23 I StGB genannt). Ich habe dann die Heimtücke durchgeprüft und diese bejaht. Danach hat Nolzen die anderen beiden Prüflinge nach deren Meinung gefragt. Diese haben mir zugestimmt. Da es sich um eine Versuchsprüfung handelte, sollte die nächste Kandidatin den Tatentschluss definieren und Prüfen. Dort wurde dann auch ein weiteres Mordmerkmal noch angesprochen und geprüft (niedere Beweggründe). Sie sollte danach das unmittelbare Ansetzen anfangen, was dann (wenn ich mich recht erinnere) der andere Prüfling zuende machen sollte. Rechtswidrigkeit und Schuld waren laut Nolzen einschlägig. Der andere Prüfling sollte dann noch sagen, was danach noch in Betracht kommt. Nach einigem Überlegen kam dieser dann auf den Rücktritt und er sollte sagen, was dort dann geprüft werden muss. Der Prüfling kam nicht darauf, das der Versuch nicht fehlgeschlagen sein durfte. Nolzen gab dann an mich weiter. Ich nannte dann diesen Prüfungspunkt, definierte und subsumierte ihn. Der nächste Prüfling sollte dann den Rücktrittsvorbehalt prüfen. Bei der Freiwilligkeit war der dritte Prüfling wieder dran. Dieser hatte die Freiwilligkeit als ersten Prüfungspunkt genannt. Deshalb wurde an mich weitergegeben und jetzt wieder zu ihm gegeben, damit er die Freiwilligkeit durchprüfen konnte. Nolzen merkt sich also immer, dass wenn ein Prüfling einen Prüfungspunkt nennt der noch nicht an der Reihe ist, dieser Prüfling diesen Punkt dann später auch durchprüfen soll. Wir haben dann den Rücktritt angenommen. Im Anschluss sollten wir eigentlich dann noch die versuchte gefährliche Körperverletzung mit dem Bier und der Flüssigkeit prüfen, aber da wir nur drei Prüflinge waren statt der eigentlich vier vorgesehenen und die Versuchsprüfung am Anfang etwas gedauert hat, sollten wir diese überspringen und zum zweiten Abschnitt des SV springen. Hier haben wir (meine ich) kurz den versuchten Mord/Totschlag angesprochen aber sofort abgelehnt mangels Tatentschluss. Dann sind wir sofort zur Prüfung der gefährlichen Körperverletzung übergegangen. Hier sollte der dritte Prüfling die Gesundheitsschädigung definieren. Danach hat Nolzen an mich weitergegeben und ich sollte die körperliche Misshandlung definieren. Peinlicherweise war ich in dem Moment schon bei den Qualifikationstatbeständen und konnte nicht so schnell im Kopf umschalten. Ich habe irgendwas undeutliches gestammelt und die zweite Kandidatin sollte dann die Defintion geben. Der Grundtatbestand des § 223 I StGB wurde bejaht. Bei der Qualifikation wurde dann Nr. 2 (Waffe und gefährliches Werkzeug) genannt. Die beiden sollten schnell definiert werden. Die Kandidatin die für mich die körperliche Misshandlung definiert hatte, sollte gefährliches Werkzeug definieren und hat – wie ich bei der körperlichen Misshandlung – auch einen Aufhänger gehabt. Nolzen gab dann an mich zurück und ich habe das gefährlich Werkzeug definiert. Ich sollte subsumieren und habe Gründe dafür genannt warum der Torpfosten mMn ein gefährliches Werkzeug in dem Fall sein kann. Hier habe ich gesagt, dass im SV nicht ersichtlich ist ob es sich um ein einbetoniertes oder mobiles Tor handelt (wegen der Beweglichkeit des gefährlichen Werkzeugs). Ich bin noch auf die Beschaffenheit eingegangen und habe dahingehend argumentiert, dass in der konkreten Situation der Torpfosten als gefährliches Werkzeug qualifiziert werden kann, da gerade wenn der Kopf gegen ein Metall- bzw. Aluminiumstück gehauen wird, Verletzungsgefahr besteht. Nolzen meinte, so kann man gut und vertretbar argumentieren da die Rechtsprechung das auch so sehe, hat befriedigt genickt und die anderen Prüflinge gefragt, ob sie das auch so sehen. Die Kollegin hat danach Nr. 3 (mittels hinterlistigen Überfalls) definiert und gesagt das liegt wohl auch vor. Wir anderen beiden Prüflinge wurden erneut gefragt ob wir das auch so sehen. Zuletzt sollte dann der dritte Prüfling darauf eingehen, ob noch andere Qualifikationen vorliegen können. Es wurde Nr. 5 (lebensgefährliche Behandlung) genannt. Diese sollte definiert werden von ihm. Dabei ist er darauf eingegangen das eine konkrete Gefahr vorliegen müsste. Nolzen hat mich dann gefragt, ob ich das auch so sehe, weil ich wohl (unbewusst) meinen Kopf geschüttelt habe. Ich habe gesagt es sei umstritten ob eine konkrete oder abstrakte Gefahr notwendig sei und gesagt die Literatur fordere eine konkrete aber die hM eine abstrakte Gefahr. Ich habe dann ausgeführt, dass es sich nicht um eine Erfolgsqualifikation handele und die anderen Qualifikationen des § 224 StGB im übertragenen Sinne eine abstrakte Gefahr ausreichen lassen würden. Ich habe noch andere Argumente genannt, weiß diese aber gerade nicht mehr. Ich sah die abstrakte als ausreichend an und bestätigte diese im Fall damit, dass generell Schläge auf den Kopf bzw. wenn der Kopf gegen harte Oberflächen geschlagen wird dies auch abstrakt zu Blutungen etc. führen können. Nolzen war wohl zufrieden mit der Begründung und hat dann meine Sitznachbarin gefragt. Diese nannte auch noch Argumente und stimmte mir zu. Letztendlich haben wir die gefährliche KV angenommen, nachdem wir die restlichen TBM schnell geprüft hatten. Irgendwo in der Prüfung, ich glaube recht weit am Anfang, hatte Nolzen beim subjektiven Tatbestand gefragt was Vorsatz sei und welche Arten es davon gebe. Dann hatte er mich noch gefragt was den dolus eventualis ausmacht und wovon der abgegrenzt werden müsste. Wir haben den dolus eventualis dann noch definiert. Nach Beendigung des zweiten Teils des SV hatten wir nicht mehr viel Zeit. Nolzen wollte noch eine Sache zur StPO wissen. Er hat uns darum gebeten, dass jeder von uns kurz in zwei Sätzen eine Verfahrensmaxime nennen sollte. Ich habe das in § 152 II StPO normierte Legalitätsprinzip genannt und gesagt, dass Staatsanwälte grundsätzlich einschreiten müssen, sobald sie mitbekommen, dass eine Straftat verübt wird. Nolzen hat mich darauf folgend gefragt, ob Staatsanwälte immer einschreiten müssen. Ich habe lustigerweise am Vorabend genau diesen Streit auf einer Karteikarte gelesen. Ich sagt ihm das nach eA Staatsanwälte immer einschreiten müssen, nach einer aA Staatsanwälte in der Freizeit nicht einschreiten müssen, da auch sie Erholung brauchen und die hM/BGH eine vermittelnde Ansicht hat. Nach ihr/ihm muss ein Staatsanwalt auch in seiner Freizeit einschreiten, da nur diese öffentliche Klage erheben können. Da aber auch Staatsanwälten die Freizeit nicht versagt werden darf, trifft diese nur zu, wenn es sich um Straftaten von gewisser Schwere handelt, also nicht unbedingt bei Diebstählen mit einem Wert von 100€ aber z.B. bei Körperverletzungen. Danach habe ich abgeschaltet und nicht mehr gehört was meine Mitprüflinge gesagt haben. Im Anschluss war die Prüfung vorbei und wir sollten wieder in den Aufenthaltsraum gehen. Staatsanwalt Nolzen legt wohl nicht allzu großen Wert darauf, ob man als Prüfling die genauen Definitionen vom BGH kennt oder nicht. Er fragt eher Grundwissen ab, ist aber nicht abgeneigt, wenn man zwischendurch mal einen Streit darstellt. Grundsätzlich kann man in jede Richtung gehen, solange man es gut argumentiert. Da er sich recht genau an den SV und die Prüfung hält, sollte man die Schemata gut kennen und zumindest eine Definition (wenn auch nicht die vom BGH) nennen können. Dies war wohl seine erste mündliche Prüfung, da es bisher keine Protokolle gibt. von einer Protokollfestigkeit kann man also leider nicht sprechen. Da man im Internet auch nicht viel über ihn findet und ich bis heute nicht weiß, für was er als STA zuständig ist, würde ich raten das Strafrecht grundlegend zu lernen. Habt ihm Kopf, dass er eventuell mindestens eine kurze Frage zum Thema der StPO stellen kann/wird. Wenn ihr mal etwas nicht wisst, ist das aber auch kein Grund zur Panik. Er gibt dann an den nächsten Prüfling weiter und ihr kommt danach wieder dran. Wichtig: Beantwortet nur das was er fragt. Ich habe zum Teil weiter ausgeholt (z.B. der Streit ob Mord eine Qulifikation oder eigenständig ist). Als mir meine Note mitgeteilt wurde, meinte Nolzen, dass ich vom Inhalt, meinen Antworten und Auftreten eigentlich eine höhere Note bekommen hätte. Da ich aber manchmal mehr gesagt habe als das was gefragt wurde, hat er Punkte abgezogen. Ihr habt es bald geschafft, gutes Gelingen!
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen vom Juni 2025. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.