Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Endpunkte |
11,5 |
Endnote |
10,9 |
Endnote 1. Examen |
7,4 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: aktuelle Fälle
Prüfungsthemen: Prüfungsgespräch nach Aktenvortrag: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/anklage-scheuer-falschaussage-100.html
Paragraphen: §145 GVG, §153 StGB, §28 StPO, §338 StPO
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort
Prüfungsgespräch:
Im Mittelpunkt des Prüfungsgesprächs stand eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH ((5. Strafsenat), Beschluss vom 18.01.2024 – 5 StR 473/23). Der Fall betraf eine Staatsanwältin, die im Rahmen ihres Schlussplädoyers deutlich ihre Befangenheit äußerte. Sie echauffierte sich über die intensive Befragung des mutmaßlichen Sexualopfers, hielt eine solche Vorgehensweise für unzumutbar. Sie beantragte jedoch trotz der Kritik lediglich in Bezug auf einen von mehreren angeklagten Vergewaltigungsvorwürfen eine Verurteilung. Ausgehend hiervon wurde die Frage eröffnet, wie man als Verteidiger des Angeklagten in einer solchen Situation beraten würde. Zunächst wurde festgestellt, dass aufgrund der Deliktsart das Landgericht zuständig sei, sodass im Rechtsmittelzug allein die Revision möglich sei. Folglich war zu prüfen, welche Revisionsgründe in Betracht kommen könnten. Zunächst wurden absolute Revisionsgründe nach § 338 StPO erörtert. Genauer § 338 Nr.2 und Nr.3 StPO. Sodann stellte sich die Frage, ob die Befangenheit einer Staatsanwältin überhaupt einen Verfahrensmangel begründen könne. Ein Blick in die §§ 22 ff. StPO zeigte, dass Befangenheitsregeln nur für Richter und Sachverständige, nicht aber für Staatsanwälte vorgesehen sind. Diskutiert wurde daraufhin die Möglichkeit einer analogen Anwendung. Voraussetzung wäre eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage. Beides wurde im Ergebnis verneint: Es fehle an einer planwidrigen Unvollständigkeit, da die Staatsanwaltschaft als „objektivste Behörde der Welt“ einer besonderen dienstrechtlichen und organisatorischen Bindung unterliege. Zudem könne eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben werden (§ 147 GVG, Art. 17 GG). Auch die strukturelle Stellung der Staatsanwaltschaft unterscheide sich wesentlich von der eines Richters, der durch die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) und die Geschäftsverteilung einer besonderen Unabhängigkeit unterliegt. Eine analoge Anwendung der Befangenheitsvorschriften scheide daher aus. (Gerne nachlesen, wir hielten uns hier länger auf, um das irgendwie zu begründen) In der Folge wurden relative Revisionsgründe in den Blick genommen. Eine direkte Norm ließ sich nicht finden, sodass auf Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK abgestellt wurde. In diesem Zusammenhang wurde das Fragerecht des Angeklagten (§ 240 StPO) betont, das sich als Konfrontationsrecht darstelle. Zudem wurde betont, dass gerade in Sexualstrafverfahren, in denen häufig Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen ohne weitere Beweismittel vorliegen, der Befragung der Geschädigten eine besondere Bedeutung zukommt. Eine solche Befragung ist somit nicht nur zulässig, sondern auch für die Wahrheitsfindung erforderlich. Ausführlich diskutiert wurde sodann das „Beruhen“. Da die Staatsanwältin ihre Befangenheit erst im Plädoyer äußerte, weitere Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit aber nicht vorlagen und sie letztlich einen neutralen Antrag stellte, sprach wenig dafür, dass das Urteil auf ihrem Verhalten beruhte. Der Prüfer legte Wert auf Argumente, die gegen ein Beruhen sprechen, und kam im Ergebnis zu dem Schluss, dass kein Revisionsgrund gegeben sei. Gleichwohl wurde das Verhalten der Staatsanwältin als äußerst kritisch bewertet; der Prüfer betonte mehrfach, dass ein solches Auftreten „gar nicht gehe“ und die Staatsanwältin Glück gehabt habe. Abschließend wurde noch eine prozessuale Folgesituation diskutiert: Wie sollte man als Verteidiger reagieren, wenn man der betreffenden Staatsanwältin in einem neuen Verfahren – etwa erneut in einem Sexualstrafprozess – gegenübersteht? Hier wurde empfohlen, zu Beginn der Verhandlung einen förmlichen Widerspruch gegen die Mitwirkung der Staatsanwältin protokollieren zu lassen, um für den Fall erneuter Auffälligkeiten eine belastbare Grundlage im Protokoll zu haben. Zudem wurde erneut auf die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde verwiesen.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin vom August 2025. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.