Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Zur Sache:
Prüfungsthemen: aktuelle Fälle, protokollfest
Prüfungsthemen: Koalitionsvertrag BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 311/16, NJW 2018, 1542
Paragraphen: §128 ZPO, §128a ZPO, §139 ZPO, §280 BGB, §823 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall, Fragestellung klar
Kandidat |
1 |
Endpunkte |
13,47 |
Endnote |
14,03 |
Endnote 1. Examen |
10,78 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer wies zu Beginn der Prüfung darauf hin, dass er gerne aktuelle rechtspolitische Themen aufgreift und wir dies sicherlich auch aus den Protokollen wüssten. Da sich im Zeitpunkt der Prüfung noch keine neue Bundesregierung zusammengefunden hat und es auch keine laufenden Gesetzesvorhaben gab, griff er stattdessen auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD zurück und las uns einige Passagen hieraus vor. Inhaltlich ging es – wie auch schon in den Prüfungen zuvor – vor allem um die Digitalisierung der Justiz. Abgesehen davon kam er kurz auf die geplante Erhöhung der Streitwertgrenze in § 23 Nr. 1 GVG von derzeit 5.000€ auf zukünftig 8.000€ zu sprechen. Er selbst begrüßt diese Änderung. Hierfür spricht u.a., dass dieser Wert bereits seit über 20 Jahren unverändert existiert, obwohl in diesem Zeitraum eine erhebliche Inflation stattgefunden hat. Außerdem können hierdurch die Landgerichte (und damit auch die Oberlandesgerichte als Berufungsinstanz) entlastet werden. Zur Digitalisierung der Justiz: Der Prüfer wollte wissen, wie die derzeitige Rechtslage ist. Wir kamen auf § 130d ZPO zu sprechen. Seit dem 01.01.2022 sind Rechtsanwälte verpflichtet, Schriftsätze elektronisch per beA einzureichen. In diesem Zug sind wir auch auf den notwendigen Inhalt einer Klageschrift eingegangen. Dieser findet sich in § 253 Abs. 2 ZPO. Sodann fragte uns der Prüfer, welche weiteren Maßnahmen bereits ergriffen wurden, um die Digitalisierung der Justiz voranzutreiben. Es wurde § 128a ZPO genannt. Momentan ist es lediglich den Parteien und deren Prozessbevollmächtigten gestattet, sich mittels Bild- und Tonübertragung zu der Verhandlung hinzuzuschalten. Es ist geplant, Verhandlung zukünftig vollständig digital durchzuführen, sodass sich auch die Richter nicht mehr (wie derzeit) in dem Gerichtsgebäude aufhalten müssen. Der Prüfer fragte – wie auch schon in den Prüfungen zuvor – welche Prozessgrundsätze hierdurch tangiert werden. Genannt wurde der Mündlichkeitsgrundsatz (§ 128 Abs. 1 ZPO), der Öffentlichkeitsgrundsatz sowie der Unmittelbarkeitsgrundsatz. Entscheidungen des Gerichts über die Nutzung technologischer Mittel sind nicht anfechtbar (§ 128a Abs. 7 Satz 1 ZPO). Prozessbevollmächtige haben hierauf keinen Anspruch (vgl. § 128a Abs. 1 Satz 1 „kann“). Gegen Ende der Prüfung schilderte der Prüfer uns dann noch einen kleinen Fall aus dem Nachbarschaftsrecht. Es handelt sich um die sehr bekannte Entscheidung des BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 311/16, NJW 2018, 1542. Dieser lag folgender Sachverhalt zugrunde: E ist Eigentümer eines Grundstücks. Er beauftragte den Handwerker H mit der Durchführung von Bauarbeiten an seinem Hausdach. Dabei entstand ein Brand, der auch auf das Haus des Nachbars N übergriff. N begehrt nun von E Schadenersatz. Wir sprachen lange über einen Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Hierbei war es der Prüfer wichtig, eigene Argumente zu entwickeln, warum das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kein gesetzliches Schuldverhältnis begründet. Voraussetzung für das Vorliegen eines Schuldverhältnisses ist das Bestehen mindestens einer Hauptleistungspflicht. Eine solche besteht nicht. Nachbarn leben nur nebeneinander, aber nicht miteinander. Sie sind einander lediglich zur Rücksichtnahme verpflichtet. Wir setzten mit § 823 Abs. 1 BGB fort. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Verletzungshandlung nicht in den Bauarbeiten des Handwerkers gesehen werden kann. Das Deliktsrecht kennt keine Zurechnung von Handlungen Dritter. § 278 BGB ist nicht anwendbar. Die einzige Handlung des E war die Auswahl des Handwerkers, diese war jedoch jedenfalls nicht schuldhaft. An dieser Stelle mussten wir die Prüfung aus Zeitgründen abbrechen. Zu § 831 Abs. 1 BGB sowie § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog (Stichwort: faktischer Duldungszwang) kamen wir leider nicht mehr.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz vom Mai 2025. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.