Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 1. Staatsexamen – Bayern vom März 2023

Prüfungsfach:  Zivilrecht

Gedächnisprotokoll:

Erfolg eines Einspruchs mit Problemen im Rahmen der Einspruchsfrist und beA-Problematik. Kaufrechtliches Mängelrecht eingehend zu behandeln. Sachverhalt: Der in Regensburg wohnende P erwirbt am 9. Juni 2022 von der in Regensburg ansässigen A-OHG, die mit Oldtimern handelt, für private Zwecke zum Kaufpreis von 150.000, – € den Sportwagen Austin-Healy (Baujahr 1960) in Originalausstattung. Da P den Kaufpreis nicht sofort zahlen kann, wird im Kaufvertrag von G, dem alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter der A-OHG, eingetragen, dass die Zahlung des Kaufpreises erst am 29. Juni fällig sein soll. Alle erforderlichen Informationen und Belehrungen werden bei Vertragsschluss von G erteilt. Da G weiß, dass P wohlhabend ist, wird vereinbart, dass das Eigentum am Sportwagen sofort auf P übergehen soll. G übergibt dem P das Fahrzeug nebst Papieren und Schlüssel. Auf einer Spritztour am Vormittag des 24. Juni 2022 bleibt der Sportwagen aufgrund eines nicht von P verursachten und nicht auf Verschleiß zurückzuführenden technischen Defekts am Motor liegen. P ruft bei der A-OHG an und beschwert sich bei G, der versichert, dass die A-OHG den Sportwagen sofort abholen und kostenfrei den Mangel suchen und beheben werde. P erklärt sich damit einverstanden, woraufhin der Wagen von einem Mitarbeiter der A-OHG in die Werkstatt abgeschleppt wird. Da P in den nächsten Stunden nichts weiter von der A-OHG hört, wird er ungeduldig, da er noch am selben Abend spontan mit dem Sportwagen über das Wochenende an den Luganer See fahren will. Auf telefonische Anfrage, ob der Wagen bis zum Abend repariert werde, teilt ihm ein Mitarbeiter der A-OHG mit, dass die Fehlersuche – da es sich um einen Oldtimer handelt – voraussichtlich einen Tag in Anspruch nehmen werde und aufgrund des anstehenden Wochenendes Ersatzteile erst in der kommenden Woche beschafft werden könnten. P fordert am Nachmittag des 24. Juni die A-OHG per E-Mail auf, den Mangel „bis spätestens heute Abend um 19.00 Uhr“ zu beheben, worauf die A-OHG nicht reagiert. Da P bis Montagmorgen keine Rückmeldung von der A-OHG erhalten hat, schreibt er am 27. Juni 2022 um 10:00 Uhr an diese eine weitere E-Mail und teilt mit, dass er am Kaufvertrag „nicht mehr festhalten“ wolle und sich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorbehalte. Mit einer Zahlung des Kaufpreises könne die A-OHG „erst recht nicht mehr rechnen“. Dies sei sein letztes Wort. Eine von G noch am Mittag desselben Tages per E-Mail angebotene Reparatur bis zum 29. Juni 2022 lehnt P ab. Am 28. Juni 2022 verlangt P per E-Mail Schadensersatz i.H.v. 10.000,- €, da er sich einen vergleichbaren Sportwagen für 160.000,- € bei einem anderen Autohändler gekauft habe. Die A-OHG reagiert darauf nicht. Da P den Kaufpreis nicht bezahlt, lässt G im Namen der A-OHG durch Rechtsanwalt R am 8. August 2022 Klage beim Landgericht Regensburg gegen P auf Rückübereignung des Sportwagens und Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (früher Fahrzeugbrief) erheben. In der Klageschrift führt R aus, dass die A-OHG infolge des Rücktritts des P oder zumindest aufgrund des Schadensersatzverlangens – selbst wenn dieses unberechtigt gewesen sei – zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages berechtigt sei. Jedenfalls ergebe sich dieser Anspruch aus einem Rücktrittsrecht der A-OHG. Außerdem beantragt R für den Fall eines schriftlichen Vorverfahrens den Erlass eines Versäumnisurteils, sofern sich P nicht gegen die Klage verteidigen sollte. Das LG Regensburg ordnet die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an und stellt die Klage an P mit den gesetzlich vorgesehenen Belehrungen persönlich zu. P reagiert nicht auf die Klage. Nach Ablauf der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft erlässt das LG Regensburg antragsgemäß ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil gegen P, welches dem P am 5. September 2022 zugestellt wird. Am 9. September 2022 wird das Versäumnisurteil in elektronischer Form dem R über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) zugestellt. R übermittelt daraufhin eine Kopie des Versäumnisurteils an die A-OHG, bei der diese am 12. September 2022 eingeht. Ein elektronisches Empfangsbekenntnis an das LG Regensburg übermittelt R allerdings nicht. P lässt durch Rechtsanwältin X fristgerecht Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen. Der Einspruch geht am 22. September 2022 beim LG Regensburg ein. In der Einspruchsschrift führt X aus, dass die von der A-OHG geltend gemachten Ansprüche nicht bestünden. Zumindest stehe dem P ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis die A-OHG dem P den von ihm geltend gemachten Schadensersatz in Höhe von 10.000, – € erstatte. Teil II: Das LG Regensburg erlässt nach mündlicher Verhandlung ein Endurteil, mit dem das Versäumnisurteil gegen P aufrechterhalten wird. Dieses wird, da P kein Rechtsmittel einlegt, rechtskräftig. Da sich P weigert, den Sportwagen zurückzuübereignen und die Zulassungsbescheinigung Teil II zurückzugeben, wen- det sich G erneut an R und fragt diesen, wie die Verpflichtungen des P aus dem Versäumnisurteil durch- gesetzt werden können. Vermerk für die Bearbeitung: In einem Gutachten, das – ggfs. Hilfs gutachtlich – auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht, sind in der vorgegebenen Reihenfolge folgende Fragen zu beantworten: Zu Teil I: Hat das Vorgehen von P gegen das Versäumnisurteil des LG Regensburg Aussicht auf Erfolg? Hinweis: Eine Reparatur des behebbaren Defekts am Oldtimer war vor dem 29. September nicht möglich. Der Kaufpreis des anderweitig erworbenen Sportwagens i.H.v. 160.000, – € war marktüblich. Zu Teil II: Wie können die Verpflichtungen des P aus dem Versäumnisurteil zur Rückübereignung des Sportwagens und Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II an die A-OHG durchgesetzt werden?

Bei den obigen Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom März 2023 im ersten Staatsexamen in Bayern. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.