Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 1. Staatsexamen – Hessen vom August 2020

Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom August 2020 im ersten Staatsexamen in Hessen. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsfach:  Öffentliches Recht

Gedächnisprotokoll:

In der hessischen Stadt S finden Demonstrationen „gegen die Islamisierung des Abendlandes in S“ statt. K wird auf Facebook darüber aufmerksam und entscheidet sich daher einen Aufruf über einen Post mit dem Hashtag „S gegen rechts“ und „S für Toleranz“, den K öffentlich absetzt und dafür in acht Tagen zur Demonstration auf dem Bahnhofsvorplatz aufruft (an diesem Tag soll auch die Demo „S gegen die Islamisierung des Abendlandes stattfinden“). Der Beitrag wird vielfach geteilt. Die Versammlung meldet K nicht an. Am besagten Tag kommt es zur Zusammenkunft von ca. 250 Personen auf dem Bahnhofsvorplatz. Damit zeigt sich K sehr erstaunt, aber auch erfreut. Allerdings treffen dann beide Demos aufeinander und aus der Demo „S gegen rechts“ werden vereinzelt Steine auf die andere Demo geworfen. Für die Polizei ist unklar, wer genau wirft. Die Situation ist unübersichtlich. Aus vergangenen Demos weiß die Polizei, dass es im fortlaufenden Stadium zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist. Daher entschließt sich die Polizei, die Versammlung wegen erheblicher Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufzulösen, was sie sofort per Lautsprecher an alle Demoteilnehmer „S gegen rechts“ mitteilt. K und die Teilnehmer lösen sich widerwillig auf. K erkennt, dass die Polizei während und nach der Versammlung Bilder getätigt hat. Dies war durch die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit geschehen, die extra eingerichtet wurde und Bilder anfertigt und speichert, um diese ggf der Öffentlichkeit zu präsentieren, wenn es zu Ausschreitungen kam, um die Polizeiarbeit zu dokumentieren.
K erhebt zwei Wochen nach Auflösung der Versammlung Klage vor dem zuständigen VG und begehrt die Feststellung, dass die Auflösung der Versammlung rechtswidrig war und dass die Bild-Aufnahmen rechtswidrig waren.
Sie begründet die Klage damit, dass sie sich selbst bei der Versammlung stets friedlich verhalten habe und das Verhalten Einzelner ihr nicht zurechenbar sei. Außerdem habe sie die Versammlung nicht anmelden müssen, denn Sinn einer Spontanversammlung, überraschend für eine andere Demo zu sein. Es existiere des Weiteren keine Rechtsgrundlage für das. Anfertigen von Bildern für Öffentlichkeitsarbeit. Es wirke einschüchternd und abschreckend für die Teilnehmer einer Versammlung. K wolle selbst bestimmen, was mit ihren Daten und Bildern passiere.
Die Polizei indes verteidigt die Versammlungsauflösung damit, dass bereits die Nicht-Anmeldung zur Auflösung berechtige. Des Weiteren habe eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit wegen der Steinwürfe vorgelegen. Die Bilder dürfe die Polizei unabhängig einer Ermächtigungsgrundlage anfertigen, da dies der allgemeinen Polizeiarbeit zu Öffentlichkeitszwecken diene. Überdies seien zwar einzelne Teilnehmer zu erkennen und individualisierbar. Im Vordergrund stünden aber Einsatzwagen, Beamte und Einsatzmittel. Auch käme es nicht immer zur Veröffentlichung. Lediglich gespeichert werden würden die Bilder. Des Weiteren stünden mit §§ 19a, 12a VersG und § 11 HSOG einige Ermächtigungsgrundlagen zur Verfügung.
Beurteilen Sie gutachterlich die Erfolgsaussichten der Klagen der K.
Bearbeiterhinweise:
⁃ COVID-19 hat keinen Ausfluss auf die Versammlung
⁃ Beteiligten-, Prozessfähigkeit, Klagegegner, gesetzl. Vertretung sind nicht zu prüfen
⁃ Es ist nur die polizeiliche/versammlungsrechtliche Verantwortlichkeit der K zu prüfen
⁃ Außerhalb des HSOG und VersG sind Ermächtigungsgrundlagen nicht zu thematisieren. Es ist zu unterstellen, dass in den §§ 13-29a HSOG keine EGL für Bildaufnahmen vorhanden ist.