Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern vom Februar 2023

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,36

Gesamtnote 1. Examen

10,59

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Mittelbare Täterschaft Rechtspflegedelikte Aktuelle Strafrechtliche Themen Mord/ Totschlag Dolus Generalis

Paragraphen: §239 StGB, §222 StGB, §145d StGB, §22 StGB, §25 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, lässt Meldungen zu, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stieg mit der Frage ein, was uns denn für aktuelle strafrechtliche, rechtspolitische Themen einfallen würden. Hier nannte jeder Prüfling etwas Unterschiedliches. Anschließend begann der Prüfer mit einem Fall, zu dem ihn das Buch „Unschuld“ inspiriert habe. Der Prüfer schilderte einen Haushalt mit vielen Waffen, der unter anderem aus dem Vater V den Kinder A (12 Jahre alt) und B bestünde. Zudem gebe es den Haushalter S. A spielt gerne mit üblicherweise ungeladenen Pistolen, die im Haushalt auffindbar sind. So auch eines Tages bei dem A mit einer geladenen Pistole spielte, die er jedoch für ungeladen hielt. Er zielte mit dieser aus seiner Sicht ungeladenen Pistole auf den B und drückte ab. B verstarb. Der Vater überredete den S mithilfe finanzieller Anreize dazu die Tat auf sich zu nehmen. Dabei ließ der Prüfer explizit offen, ob der Vater auch selbst gegenüber der Staatsanwaltschaft/ dem Gericht tätig wurde, um von der Täterschaft des A abzulenken oder ob dies nur durch Einwirkung auf S geschah. Zunächst war nach der Strafbarkeit des A gefragt. Wir subsumierten Mord, Totschlag kurz durch, bis wir zur fahrlässigen Tötung kamen, bei der die objektive sowie in der Schuld die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und Vorhersehbarkeit kurz thematisiert wurde. Letztendlich wurde die Strafbarkeit des A wegen fahrlässiger Tötung abgelehnt, da er schuldunfähig war. Als nächstes prüften wir die Strafbarkeit des Vaters. Hier wollte der Prüfer zunächst auf eine Prüfung der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) in mittelbarer Täterschaft hinaus. Dies prüften wir durch, wobei der Defekt des Richters als Tatmittlers in einem Erlaubnistatbestandsirrtum zu sehen war. Problematisiert wurde zudem ein Tatbestandsauschließendes Einverständnis des S, da er ja mit der Inhaftierung einverstanden war. Dieses lehnten wir aber mit der Begründung ab, dass ein tatbestandliches Einverständnis in die Freiheitsberaubung nicht möglich sei, da der einzige Anhaltspunkt dafür, dass der Tatbestand des § 239 StGB nur gegen den Willen des Opfers erfüllt werden kann in dem Begriff der Freiheit liegen könnte. Der Freiheitsbegriff gem. § 239 StGB ist umstritten, sodass man hier auch sicherlich eine andere Meinung hätte vertreten können. Der Prüfer war aber mit der Argumentation zufrieden, sodass wir anschließend eine rechtfertigende Einwilligung prüften. Hier gingen wir generell auf dieses Institut ein, worin seine Rechtfertigung liege und unter welchen Grenzen eine Einwilligung noch möglich ist. In diesem Fall wäre es vertretbar gewesen eine rechtfertigende Einwilligung mit der Begründung abzulehnen, dass S nicht in eine so schwere Folge wie die lebenslange Freiheitsstrafe einwilligen könne. Als nächstes prüften wir § 164 StGB und § 145d StGB. § 164 sowie § 145d I lehnten wir ab, § 145d II bejahten wir, je nach Sachverhaltsvariation durch die eigene Täterschaft des Vaters oder aber durch Anstiftung des S. Auch fragte der Prüfer nach dem von § 145d StGB geschützten Rechtsgut, der Rechtspflege. Dann bildete der Prüfer einen zweiten Fall. T sticht O mit Tötungsvorsatz mehrmals ins Gesicht und lässt ihn anschließend in dem Glauben liegen, dass dieser gestorben sei, was aber nicht der Fall ist. Später schickt T seine Freundin F um die Spuren am Tatort zu beseitigen. Sie findet den röchelnden O und tötet diesen aus Mitleid. Zunächst wurde die Strafbarkeit der F geprüft (§ 212 StGB, kein § 211, da Hauptmotiv Mitleid und nicht die Verdeckung.) Anschließend prüften wir die Strafbarkeit des T. Dies erfolgte recht oberflächlich und Ts Strafbarkeit wurde nicht vollumfänglich durchgeprüft, da der Prüfer noch einen weiteren Fall durchprüfen wollte: T klingelt bei O um diesen, wenn er die Tür öffnet zu töten. Hierzu wollte T das Überraschungsmoment nutzen. Wir prüften den versuchten Mord. Dabei subsumierten wir die Strafbarkeit des Versuchs und den Tatentschluss samt Mordmerkmale (lediglich Heimtücke) kurz durch. Das eigentliche Problem lag hier in dem unmittelbaren Ansetzen. Hierzu wollte der Prüfer die Definition erfahren. Auch wollte er, dass wir den Fall mit den Distanzfällen vergleichen. Es begann daher eine eher allgemeine Diskussion über das unmittelbare Ansetzen.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern vom Februar 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.