Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hamburg vom Februar 2022

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,4

Gesamtnote 1. Examen

10,9

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Hausfriedensbruch, Notwehr, rechtfertigender Notstand, Diebstahl, Sachenbegriff des StGB (Tiere), Rechtsnatur von § 113 Abs. 3 StGB

Paragraphen: §123 StGB, §113 StGB, §242 StGB, §32 StGB, §34 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

In dem vom Prüfer gestellten Sachverhalt ging es um eine Frau, die sich für den Tierschutz einsetzen wollte. In ihrer Nähe bestand eine Massentierhaltung, bei der die Vorschriften des Tierschutzes missachtet wurden. Die Frau informierte die zuständige Behörde, welche ohne Beweise jedoch nicht tätig werden wollte. Daher kletterte sie nachtsüber den Zaun der Anlage, um Fotos zu schießen. In der Anlage entschloss sie sich SPONTAN dazu, zwei Ferkel in die Tasche zu stecken. Bevor sie den Hof verlassen konnte, wurde sie jedoch festgenommen. Der erste Prüfling fing an und teilte in Tatkomplexe ein und prüfte dann „Einbruch“. Der Prüfer fragt was das für ein Straftatbestand sein soll. Dann erklärte der Prüfling, dass er Hausfriedensbruch prüfen wolle. Dabei gingen er und der Prüfer sauber das Prüfungsschema durch. Der Prüfling sollte die Begriffe „Raum“, „einbrechen“ und „einsteigen“ sauber definieren. Anschließend ging es noch darum, wer oder was von § 123 StGB geschützt wird (Hausrecht bzw. der Inhaber dessen). Der nächste Prüfling prüfte die Rechtfertigung, insbesondere § 32 StGB und § 34 StGB. Bei der Notwehr wurde problematisiert, ob Tierwohl ein notwehrfähiges Rechtsgut ist. Das wurde verneint. Im Rahmen des § 34 StGB lag der Schwerpunkt auf der die Abwägung zwischen dem Tierwohl einerseits (immerhin verfassungsrechtlich geschützt durch Art. 20a GG) und dem Hausrecht sowie dem Gewaltmonopol des Staates andererseits. Im Ergebnis wurde § 34 StGB angenommen. Als nächstes sollte der Diebstahl an den Ferkeln geprüft werden, was zunächst keine großen Probleme aufwies, außer der Frage, ob eine vollendete Wegnahme vorliegt. Die Täterin hatte den Hof zwar noch nicht verlassen, aber mit der Tasche eine Gewahrsamsenklave gebildet, sodass im Ergebnis die Wegnahme bejaht wurde. Dann warf der Prüfer jedoch noch einmal die Frage auf, ob es sich bei den Schweinen denn tatsächlich um Sachen handeln würde. Der gefragte Prüfling bejahte dies zunächst und verwies dazu auf § 90a BGB. Das stieß auf Protest beim Prüfer und er fragte, welches Gesetzbuch denn älter sei. Das StGB ist deutlich älter. Dann fragte er, wie das denn vor Einführung des BGB gewesen sei. Der Prüfling sagte dann, dass das StGB ein eigenes Verständnis von Sachen hat und das nach Wortlaut und vor allem Sinn und Zweck der Norm Tiere unter den Sachenbegriff fallen. Der Prüfer wandelte den Fall im Anschluss etwas ab und fragte was denn nun sei, wenn sich die Täterin gegen die Polizei, die ihre Personalien aufnehmen wollte, wehrt, indem sie die Beamten schubst. Dabei ging es dem Prüfer nur um die Nennung des § 113 StGB. Er fragte dann was denn der Absatz 3 der Norm bedeuten würde. Das wusste keiner von uns so richtig, aber wir erarbeiteten gemeinsam, dass das eine objektive Bedingung der Strafbarkeit sein könnte. Der Prüfer wollte wissen, wie man das am Wortlaut erkennen könnte. Als das keiner beantworten konnte, fragte er, welche Normen wir sonst noch kennen, die eine solche objektive Bedingung hätten. Es wurde § 323a StGB genannt. Mit der Hilfe vom Prüfer gelang es uns zu erarbeiten, dass der § 323a Abs. 1 StGB aufgebaut ist nach: Tatbestandsmerkmalen – Rechtsfolge – obj. Bedingung und dass man demnach so eine objektive Bedingung der Strafbarkeit identifizieren kann. Damit war die Prüfung zu Ende. Unsere Redebeiträge waren sehr ungleich verteilt, wodurch sich einige unfair behandelt fühlten und das Gefühl hatten nicht die Gelegenheit bekommen zu haben ihr Wissen zu demonstrieren. Das erklärte sich jedoch im Nachhinein, da der eine Prüfling, der besonders viel Redezeit hatte, auf einen Notensprung geprüft wurde. Das hat sich auch gelohnt, denn besagter Prüfling erhielt am Ende 14 Punkte im Strafrecht und außerdem 0,25 Sozialpunkte, um so die 9,0 im staatlichen Teil zu erreichen. Abschließende Worte: Habt keine Angst vor diesem Prüfer wegen der anderen Protokolle, der Prüfer ist womöglich das beste was euch passieren kann. Seid einfach präzise und redet nicht viel drum herum. Hört ihm gut zu und antwortet genau auf seine Frage. Er ist nicht darauf aus euch auf dem falschen Fuß zu erwischen oder es euch schwer zu machen. Viel Erfolg!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im Februar 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.