Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hessen vom Juli 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen vom Juli 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Strafrecht

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Im Gegensatz zu vielen Protokollen, prüfte er merklich anders. Protokollfest war er leider nicht. StPO, eines, seiner Lieblingsthemen, fand nur in einer Frage statt. Und zwar was passiert, wenn die Staatsanwaltschaft feststellt, dass die Tat schon verjährt ist.
Zu Beginn schilderte er einen Fall. Hier sollte man gut mitschreiben. Er wiederholt den Fall zwar, aber las ziemlich schnell vor, sodass es gar nicht so leicht war zu folgen. Man konnte allerdings problemlos Nachfragen zum Sachverhalt stellen.

Paragraphen:  §249 StGB, §240 StGB

Paragraphen: Frage-Antwort, Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

A lieh seinem Bruder B im Jahre 2010 30 € mit dem Zweck Betäubungsmittel für sich (B) zu kaufen.
B plante allerdings nicht das Geld zurückzuzahlen.
Am 1.7.2012 fordert der A das Geld von B zurück und setzt ihm eine Frist bis zum 31.7.2012.
Daraufhin drohte B dem A mit einer Anzeige wegen Betäubungsmitteldelikten, da auch A mit Betäubungsmittelkonsum zu tun hat.
Aus Angst vor solch einer Anzeige fordert A das Geld nicht mehr zurück. Hierbei war ebenso zu beachten, dass B völlig mittellos ist und eine Realisierung der Forderung (auf dem Rechtsweg) aussichtslos ist.
Es war zunächst nach der Strafbarkeit des B gefragt.
Als erstes gingen wir auf die Nötigung gemäß § 240 StGB. Hier war festzustellen, dass einzig die Variante „durch Drohung mit einem empfindlichen Übel“ einschlägig war.
An diesem Punkt wollte der Prüfer genau wissen, ob denn eine Anzeige solch ein empfindliches Übel darstellen kann, auch wenn diese letztlich erfolgreich wäre.
Dies wurde bejaht. Daraufhin fragte der Prüfer allerdings nochmal nach weshalb denn ? Hier sollte argumentiert werden, dass zum Beispiel bei einer Anzeige wegen eines Sexualdeliktes, sei es noch so erfunden, schwerwiegende berufliche Konsequenzen verbunden sein können. Es wurde weiter mit Beispielen argumentiert. Letztlich schloss der Prüfer diese Diskussion mit der Feststellung, eine Anzeige sei jedenfalls ein „empfindliches Übel“ im Sinne des § 240 StGB.
Zwar lächelte er viel und war „gut drauf“ während der Prüfung, aber ob er mit der Antwort zufrieden war, war leider nicht ersichtlich.
Als einziger Prüfer hielt er die Reihenfolge ein und durchbrach diese nur, wenn er eine offene Diskussion und von jedem etwas hören wollte. Hier kam es darauf an einfach zu argumentieren.
Sodann fragte er an welche Tatbestände noch zu denken wäre. Genannt wurde ein möglicher Betrug des B zu Lasten des A gem. § 263 StGB.
Hier wurden die Tatbestandsmerkmale schulmäßig durchgeprüft.
Sodann ergänzte der Prüfer den Sachverhalt:
Am 1.7.17 entscheidet sich A das ihm zustehende Geld mit Gewalt zurückzuholen. Mit einem Schlagstock bewaffnet geht er zur Wohnung des B und klingelt. Als dieser die Tür öffnet geht A sofort in die Wohnung und schlägt dem B mit dem Schlagstock ins Gesicht. Dieser geht zu Boden und erleidet eine Platzwunde. A findet die Geldbörse des B. Darin befinden sich ein 10€-Schein, ein 20€-Schein und dreißig weitere 100€-Scheine.
A nimmt sich den 10€ und 20€ Schein heraus und als „Kompensation“ für die lange Wartezeit einen weiteren 100€-Schein.
Sodann verlässt er das Haus.
Ein Strafantrag wurde nicht gestellt.
Gefragt war nach der Strafbarkeit des A.
Wir begannen mit der Prüfung ein Raubes gem. § 249 StGB. Auch hier gingen wir die Tatbestandsmerkmale Schritt für Schritt durch. Gewalt gegen eine andere Person konnte unproblematisch bejaht werden. Ebenso die Wegnahme Handlung und die fremde bewegliche Sache.
Hierbei ging der Prüfer die Sitzreihenfolge nach und nach durch. Worauf der Prüfer besonders Wert legte war der Finalzusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme. Hier wollte er auch die Stichworte hören.
Ein größeres Problem, das er angesprochen haben wollte war, dass A ja nach wie vor einen Anspruch auf die 30€ hatte. Hier musste problematisiert werden, wie es sich bei einer Gattungsschuld im Rahmen des Raubes verhält. Hier war auch besonders darauf einzugehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen den 30€ (10+20) und dem 100€-Schein. Bezüglich der 30€ entfiel die Rechtswidrigkeit und es lag kein Raub gem. § 249 StGB vor.
Ein weiteres Thema, das angesprochen und vor allem offen diskutiert wurde war, ob denn er als Oberstaatsanwalt oder Polizisten jede Straftat, die er sieht (auch im privaten) zur Anzeige bringen muss bzw. ermitteln muss. Hierauf kamen wir, weil der B den A mit der Anzeige wegen Betäubungsmitteldelikten bedrohte.
Insgesamt lässt der Prüfer bei solchen Diskussionen ziemlich alles gelten solange es fundiert ist. Allerdings ist im Strafrecht auch sehr vieles schlicht heillos umstritten und alles vertretbar, wie der Prüfer selbst sagte.
Etwas fordernd ist die Frage des Prüfers, ob man denn noch etwas zu beachten hatte. Hier war von den Prüflingen gefordert, dass wir erkenn, dass die Verjährungsfrist 5 Jahre beträgt. Hier sollten auch die Normen genannt werden. Da wir am 20.7. Prüfung hatten, war die Tat bereits seit 20 Tagen verjährt. Er fragte, was die Staatsanwaltschaft nun tun wird. Die Antwort war die Ermittlungen einstellen. Hier sollte auch die StPO-Norm genannt werden.
Insgesamt war die Prüfung im Fach Strafrecht die mit Abstand angenehmste. Durch Routine führte der Prüfer souverän durch die Prüfung und gab einem nie das Gefühl man wüsste gar nichts. Im Gegenteil er ermunterte einen zum Nachdenken und ließ auch längere Gedankenpausen zu.
Die Notengebung empfand ich als fair und eher wohlwollend. Ein äußerst angenehmer Prüfer.