Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hessen vom Oktober 2022

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

6

Gesamtnote 1. Examen

7

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Mord Totschlag Rücktritt Versuch

Paragraphen: §211 StGB, §24 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion

Prüfungsgespräch:

Zunächst schilderte die Prüferin einen kurzen Sachverhalt. T, die 16 Jahre alt ist, lebt in schwierigen familiären Verhältnissen und beschließt, dass sie einen Ausweg aus diesem Leben braucht. Dafür, so beschließt sie, muss sie ins Gefängnis kommen und fasst folgenden Tatplan. Am nächsten Tag möchte sie O mit einem Messer in der Schule erstechen. Ein weiteres Motiv für die Tat hat sie indes nicht, da sie ansonsten keine Probleme mit O hat, er ist nur das Mittel zum Zweck. Wie von ihr geplant, nimmt sie am nächsten Tag ein Messer mit in die Schule, begrüßt O beim Betreten des Klassenraums freundlich und sticht diesem sodann in den Rücken, nachdem sie am Tisch hinter O Platz genommen hat. Nach dem Beifügen der Wunde stellt T – zu Recht – fest, dass O jedenfalls nicht akut lebensgefährlich verletzt worden ist und obwohl sie weiter auf O einstechen könnte, um ihn doch noch zu töten, lässt sie sich widerstandslos das Messer abnehmen und verzichtet auf weitere Tathandlungen, da sie sich sicher ist, bereits durch das einmalige Zustechen eine Gefängnisstrafe zu erhalten. O kann durch hinzugerufene Rettungskräfte gerettet werden. Sodann sollten wir die Strafbarkeit der T prüfen. Sofort kamen wir auf den versuchten Mord nach §§ 212 I, 211 I, II, 22, 23 I StGB. Die Vorprüfung erfolgte recht schnell, allerdings legte die Prüferin schon hier Wert auf die richtige Zitierung des § 23 I i.V.m. § 12 I StGB. Bei der weiteren Prüfung des Tatentschlusses war ihr zudem wichtig, dass es nicht des Vorsatzes bezüglich der tatbestandlichen Handlung, sondern ebenso aller weiteren subjektiven Merkmale bedürfe. Das unmittelbare Ansetzen war recht schnell definiert und auch die Rechtswidrigkeit wurde von uns angenommen. Angesprochen haben wir dort kurz, dass T sich in einer ausweglosen Lage wähnte, verwarfen aber sehr schnell etwaige Rechtfertigungsgründe. In der Schuld mussten wir insbesondere die Minderjährigkeit der T sehen und kamen zu der Frage, ob eine Jugendliche überhaupt hinreichend schuldhaft handeln kann. Hier wollte die Prüferin insbesondere auf das JGG hinaus und hier auf die §§ 1, 2, 3 JGG. Sie wollte den Unterschied zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden wissen und dass nach § 3 JGG die Frage der Schuldfähigkeit eines Minderjährigen immer im Einzelfall zu prüfen ist. Nachdem wir hier insbesondere mit der Schwere der Tat und der Planung argumentiert haben, sind wir zu dem Ergebnis gelangt, dass T hinreichend schuldhaft gehandelt hat. Als letzter großer Punkt war dann der Rücktritt gemäß § 24 StGB zu prüfen. Hier sind wir schnell zu dem Meinungsstreit bezüglich Einzelaktstheorie und Gesamtbetrachtungslehre gekommen und habe diese geprüft. Darauf aufbauend fragte die Prüferin, ob der Versuch der T fehlgeschlagen sein könnte. Sie spielte auf einen Meinungsstreit an, ob der Täter, wenn er seinen außertatbestandlichen Erfolg, hier die Gefängnisstrafe, bereits erreicht habe, überhaupt noch zurücktreten könne. Nach dem Abwiegen von Pro- und Contra-Argumenten beendete die Prüferin die Prüfung der Strafbarkeit nach §§ 212 I, 211 I, II, 22, 23 I StGB und fragte abschließend nach weiteren, mit verwirklichten Straftaten. Hier war §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB zu prüfen. Auch hier legte die Prüferin großen Wert auf die Definitionen der einzelnen Nummern des § 224 I StGB, ebenso wie schon bei den in Betracht kommenden Mordmerkmalen nach § 211 II StGB. Damit war die strafrechtliche Prüfung beendet, einen strafprozessualen Teil gab es nicht.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Oktober 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.