Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Mecklenburg-Vorpommern vom Dezember 2023

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

6,71

Endnote

6,04

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Haftgründe, Haftprüfung, Gang des Verfahrens, besonders schwerer Fall des Diebstahls

Paragraphen: §77 StGB, §112 StGB,, §121 StGB,, §243 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer nahm zunächst Bezug auf den im ZR geschilderten Fall: hier war i.R. eines Festivals eine Besucherin (O) durch einen Besucher (T) verletzt worden. Den Fall stellte so um dass die beiden sich kannten und nicht leiden konnten. Der Besucher T kam deshalb auf die Idee, die Besucherin O in ein Bällebad zu schubsen. Woraufhin diese ein Schädeltraum erlitt. Dann fragte er nach dem praktischen Vorgehen: man würde zur Polizei gehen und eine Anzeige nach § 77 StPO stellen. Bedarf es i.R.d. § 223 StGB nur einer Anzeige? Nein, auch eines Strafantrags, § 230 StGB. Er wollt außerdem wissen, was passiert, wenn der Beschuldigte nicht zur Vernehmung der Polizei erscheint? Antwort: Nichts. Gibt es einen Unterschied, wenn er zur staatsanwaltschaftlichen Vernehmung nicht erscheint? Wie kommen wir an weitere Informationen? Zeugenvernehmungen. Wie kommen wir an die Zeugen? Rein praktisch denken! Er wollte dann wisse, wie wir dann zur Anklage kommen. Polizei gibt es an Staatsanwaltschaft ab, die prüfen den hinreichenden Tatverdacht. Bei Bejahung wird die Anklage geschrieben und der Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens gestellt. An welches Gericht richtet sich dann die Anklage? Hier wollte er die Zuständigkeiten genauestens wissen inkl. der Besetzungen und der jeweiligen Rechtsmittelmöglichkeiten mit dazugehörigem Gericht (Berufung, Revision, Sprungrevision). Es sollte außerdem der Unterschied zwischen Berufung und Revision erklärt werden und alles immer mit Normbezug! Der Richter bekommt dann die Anklage auf den Tisch, was macht er? Er prüft erneut den hinreichenden Tatverdacht und eröffnet das Hauptverfahren (alternativ: Nichteröffnungsbeschluss). Was ist, wenn schon eine andere Anklage bei dem gleichen Gericht anhängig ist (bspw. räuberische Erpressung), was würde der Richter machen? Antwort: Die Akten miteinander verbinden. Wo würde der Richter das Verfahren dann eröffnen? Wohl nicht mehr Strafrichter (wie zuvor), sondern zum Schöffengericht. Wie sieht die Strafgewalt des Strafrichters aus? Was passiert, wenn die Straferwartung über 4 Jahre liegt? Verweisung zum Landgericht. Er wollte dann noch wissen, wie das Gericht zu Schöffen kommen. Es gibt eine Schöffenliste und die Schöffen werden als Schöffenpaar zu Jahresbeginn bestimmten Gerichtstagen zugeordnet. Dann schilderte er einen weiteren Fall: Am 14.03.2023 wurde der T nach vierjähriger Haft wegen eines besonders schweren Diebstahls aus der Haft entlassen und wohnt bei einem Freund. Am 25.07.2023 um 22 Uhr wurde ein Wachschutz im DRK-Jugendschutz auf den T aufmerksam, weil dieser ein Fenster aufgehebelt und dann eingestiegen war. Alarmiert durch den Wachschutz verließ der T das Gebäude ohne Tatbeute. Er wurde dann durch die Polizei gefasst und bei der Vernehmung sagte er selbst aus, dass er bereits am 20.06.2023 in dem Büro der Volkssolidarität eine Kaffeekasse entwendet hatte, weil er unter Geldnot litt. In dieser befanden sich 30 €. Der Sachverhalt sollte dann zunächst kurz zusammengefasst werden. Und dann erklärte der Prüfer uns, dass der T noch am 26. von der Polizei festgehalten wurde. Was macht dann die Staatsanwaltschaft? Antrag auf Erlass eines Haftbefehls (§ 125 StPO). Dann wollte er die Haftgründe genannt bekommen und wissen, wann der T spätestens vorgeführt werden muss. Wir sollten weiter die Rechtsbehelfe gegen den Haftbefehl nennen und ob nach einer bereits erfolgten Haftprüfung ein weiteres Mal Haftprüfung beantragt werden kann, ob das sinnvoll ist und wie über eine erneute Haftprüfung entschieden werden kann (ohne mündliche Anhörung, schriftlich möglich, weil der Angeklagte schon angehört wurde). Wir sollten weitersagen, wie der Haftbefehl ausgehändigt wird und was passiert, wenn der T den Haftbefehl nicht versteht (Dolmetscher) oder ihn nicht lesen kann (Irrelevant, weil er nach § 114a StPO verkündet wird). Dann ging es außerdem um die notwendige Verteidigung und was ist, wenn der Verteidiger nicht zur Verkündung erscheinen kann (§ 143a StPO) oder das Mandant nicht übernehmen möchte. Der Prüfer fragte noch, wie der Pflichtverteidiger ausgewählt wird und kann sich auch der Angeklagte einen Verteidiger aussuchen? Es ging hier um die Berufung des Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger nach erfolgter Mandatsniederlegung. Was passiert, wenn der Haftrichter die Akte liegen lässt und erst nach 6 Monaten terminieren möchte und welcher Zeitpunkt i.R.d. § 121 I StPO maßgeblich ist? Das OLG entscheidet über die Haftfortdauer und es genügt, wenn innerhalb der 6 Monate terminiert wird, § 121 StPO. Wir diskutierten abschließend noch über die Verhältnismäßigkeit einer Haft bei nur leichten Straftaten. Es war aber eine sehr offene Diskussion und jeder konnte dazu etwas sagen. Die Prüfung verging sehr schnell und kam eigentlich nie so richtig ins Stocken, weil der Prüfer ein gutes Gespür dafür hatte, wann er weitergeben sollte.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Mecklenburg-Vorpommern vom Dezember 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.