Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen im Dezember 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im Dezember 2017. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Versuchter Mord, Rücktritt, Besonders schwerer Raub, Haftbefehl

Paragraphen: §211 StGB, §249 StGB, §22 StGB, §24 StGB, §112 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teilte uns zu Beginn einen Fall aus:
B wollte seine Mutter M um finanzielle Mittel erleichtern. Sein Plan sah vor, dass er bei seiner Mutter klingelt und sie ihn in ihre Wohnung eintreten lässt. Danach wollte B ihr sagen, dass er eine Überraschung für sie habe und sie ihre Augen zunächst schließen soll. Dann will er ihr mit einem greifbaren Objekt auf den Kopf schlagen, sodass sie ihn Ohnmacht falle. Hierbei war es ihm egal, was mit seiner Mutter durch diesen Schlag geschehe. Danach wollte er das Geld, was die M immer in ihrer Wohnung aufbewahrte, an sich nehmen.
B führte seinen Plan durch und Schlug der Mutter, als diese die Augen geschlossen hatte, auf den Kopf. Diese wurde jedoch nicht, wie von B erwartet, ohnmächtig, sondern blieb bei Bewusstsein. Durch den Schlag war sie jedoch sehr verwirrt und verstand nicht mehr, was um sie geschah.
B änderte daraufhin seinen Tatplan und brachte seine Mutter ins Krankenhaus. Im Krankenhaus nahm er dann von seiner Mutter, die nicht wusste, was geschehen war, den Schlüssel zu ihrer Wohnung. Er verließ das Krankenhaus, ging in die Wohnung der M und nahm das Geld an sich. Danach verließ er ihre Wohnung und kehrte in seine zurück.
Prüfen Sie die Strafbarkeit des B nach dem StGB!
Der Prüfer wollte dann zunächst generell von uns Delikte hören, die wir prüfen wollen. Es wurden versuchter Mord, schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl in einem besonders schweren Fall, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung genannt.
Die Prüfung begann mit dem versuchten Mord. Es kam dem Prüfer bei der Prüfung sehr darauf an, dass man die Prüfungsschemata ausführt und sich nicht direkt auf die Probleme des Falles stürzt. Zunächst wurde somit die Vorprüfung durchgeführt bevor wir zum Tatentschluss gelangten. Hier wurden zunächst die Vorsatzformen definiert und genauer erklärt bevor eine Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit auf Grund des Wortes egal im Sachverhalt vorgenommen wurde. Anschließend wurden die möglichen objektiven Mordmerkmale innerhalb des Tatentschlusses geprüft. Hierbei wurde insbesondere das Mordmerkmal Heimtücke unter die Lupe genommen und welche Erfordernisse die Rechtsprechung bzw. die Literatur an dieses Merkmal (abgesehen von der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers) stellen. Die Rechtsprechung fordert eine feindliche Willensrichtung und die Literatur einen besonderen Vertrauensbruch. Da beides im Fall gegeben war, konnte ein Streitentscheid somit dahinstehen. Des Weiteren wurden dann die subjektiven Mordmerkmale wie Habgier und niedrige Beweggründe erläutert. Auch auf Nachfragen vom Prüfer wurde das Mordmerkmal der Verdeckung- bzw. Ermöglichungsabsicht nicht mehr genannt. Dies schien ihm auch nicht so wichtig zu sein. Nach dem unmittelbaren Ansetzen, der Rechtswidrigkeit und der Schuld wurde dann ein Rücktritt seitens des B geprüft. In diesem Zusammenhang wurde auf die Einzelaktstheorie und die Gesamtbetrachtungslehre (Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs) sowie auf die Tatplantheorie und die Lehre vom Rücktrittshorizont eingegangen (Vorliegen eines beendeten oder unbeendeten Versuchs). Zwischendurch stellte der Prüfer Fragen wie: wofür ist das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs überhaupt wichtig? Gibt es Stimmen, die meinen es sei irrelevant, ob ein solcher vorliegt oder nicht?“ oder „haben Sie mitbekommen, dass der 211 StGB reformiert werden soll? Warum ist das so?
Danach stand der schwere Raub im Fokus. Auch dieser wurde im Einzelnen durchgeprüft. Beim Merkmal des Finalzusammenhangs zwischen der Gewaltanwendung und der Wegnahme hackte der Prüfer genauer ein und ließ alle Prüflinge hintereinander erklären und argumentieren warum ein solcher hier nun gegeben sei oder nicht. Letztendlich entschieden wir uns diesen anzunehmen, da noch keine hinreichende zeitliche Zensur vorlag und wir annahmen, dass B keinen neuen Entschluss gefasst hatte. Der Prüfer wollte dann noch von einer Kandidatin hören, welche Delikte zu prüfen wären, wenn wir den Finalzusammenhang und damit den schweren Raub abgelehnt hätten.
Schließlich wurde dann StPO geprüft. Der Prüfer ist insoweit protokollfest. Hier sollten wir einen Haftbefehl nach 112 StPO durchprüfen. Diesen haben wir im vorliegenden Fall abgelehnt. Zwischendurch ging der Prüfer noch auf die Verdachtsstufen ein.