Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom September 2023

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

6

Endpunkte

6

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Verkehrsdelikt (§ 315d), Mord, Totschlag

Paragraphen: §212 StGB, §211 StGB, §315d StGB, §160 StPO

Prüfungsgespräch: Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn der Prüfung präsentierte der Prüfer uns einen recht langen Sachverhalt. Bei diesem handelte es sich um den Sachverhalt von dem Berliner Ku’damm Raser Fall. Ich verweise auf diesen Sachverhalt. Die erste Frage vom Prüfer war, was der Staatsanwalt unternehmen würde, wenn eine Akte auf seinem Schreibtisch landet. Antwort: Einleitung des Ermittlungsverfahrens nach § 160 I StPO. Weitere Frage: was sei zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens nach § 160 I StPO erforderlich? Antwort: ein Anfangsverdacht. Ein Prüfling definierte diesen. Im Folgenden definierte ein anderer Prüfling den hinreichender Tatverdacht und ein wieder anderer Prüfling definierte den dringender Tatverdacht. Zudem fragte der Prüfer, wofür der dringende Tatverdacht von Nöten sei. Antwort: U-Haft nach 112ff. StPO bzw. § 111a I StPO im vorliegenden Fall. Nun begann die Prüfung mit dem Prüfen der Strafbarkeit des Rasers H, der das Opfer totgefahren hat. Geprüft wurde eine Strafbarkeit gem. § 212 I StGB. Der Prüfer wollte wissen, wie das Verhältnis von § 211 StGB und § 212 StGB ist (eigenständige Delikte oder § 212 StGB als Grunddelikt, § 211 StGB als Qualifikation, § 216 StGB als Privilegierung). Ein Problem war im Rahmen dieser Prüfung der Vorsatz. Er wurde in Form des dolus eventualis bejaht. Rechtswidrigkeit und Schuld waren unproblematisch. Daraufhin wurde eine Strafbarkeit nach § 211 StGB geprüft. Es wurden verschiedene Mordmerkmale diskutiert. Die heimtückische Tötung wurde mit der Begründung bejaht, dass H gewusst habe, wenn er über eine rote Ampel fährt, während die andere Ampel grün anzeigt und von dort womöglich ein anderes Fahrzeug seinen Weg kreuzt, dass H wissentlich und willentlich in Bezug auf die Arglosigkeit des Opfers gehandelt hat. Der Vorsatz hinsichtlich der Wehrlosigkeit wurde angenommen, da der Täter davon ausgegangen sei, dass das Opfer bei grünem Ampellicht mit keinem seinen Weg kreuzenden Fahrzeug rechnete und somit in seiner Verteidigungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war, wenn es doch dazu kommen sollte. Das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit wurde nicht thematisiert. Weiter wurde das Mordmerkmal gemeingefährliches Mittel und niedrige Beweggründe bejaht. An die Argumentation erinnere ich mich leider nicht mehr. Dann wurde eine Strafbarkeit des N gem. §§ 212 I, 25 II StGB zu Lasten des verstorbenen Opfers geprüft und unproblematisch angenommen. Auch wurde die Strafbarkeit des H nach § 315d I Nr. 2, 3 StGB geprüft und bejaht. Der Prüfer fragte den Prüfling zudem, wie man die Täterschaft von der Teilnahme abgrenzt (Tatherrschaftslehre, normative Kombinationslehre).

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen vom September 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.