Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom Juli 2022

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

9,1

Gesamtnote 1. Examen

9,1

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Vermögensdelikte, Diebstahl, Unterschlagung, Gewahrsam

Paragraphen: §242 StGB, §246 StGB, §22 StGB, §23 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer schilderte folgenden Fall, der auch in anderen Protokollen schon vorkam: Die Garderobenfrau G steht in Verdacht, Geld aus den Mänteln der Gäste zu nehmen. Personalchef P versteckt daraufhin einen 50 € Schein in einem Mantel. G nimmt den Schein mit nach Hause. Die Frage war, wie G sich strafbar gemacht haben könnte. Wir begannen mit der Prüfung des Diebstahls gem. § 242 I StGB. Bei den Gelscheinen handelt es sich unproblematisch um eine fremde, bewegliche Sache. Diese müsste G auch weggenommen haben. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Hier sind wir genau darauf eingegangen, was Gewahrsam ist und welche Arten es von Gewahrsam gibt. Gewahrsam ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene Einwirkungsmöglichkeit auf eine Sache. Hier kam es dem Prüfer maßgeblich auf die Verkehrsauffassung an. Wir sprachen generellen Gewahrsam an, den z.B. ein Ladeninhaber hat. Hier hat der Personalchef noch gelockerten Gewahrsam. Auch die G hat allerdings Gewahrsam, da sie auf die Mäntel zugreifen kann. Es besteht also fremder Mitgewahrsam. Diesen hat G allerdings nicht gebrochen, da P gerade wollte, dass G den Schein mitnimmt (Diebesfalle). Es liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Der Prüfer wollte noch wissen, ob es dem Gewahrsamsbruch entgegensteht, dass G von P beobachtet wurde. Das verneinten wir, da der Diebstahl kein heimliches Delikt ist, die Beobachtung dient nur der Rückführung der Sache. Dann gingen wir kurz auf den versuchten Diebstahl gem. §§ 242, 22, 23 StGB ein, der zu bejahen war. Der Prüfer fragte hier nach der Definition des unmittelbaren Ansetzens und der Absicht rechtswidriger Zueignung. Dann gingen wir noch auf eine Unterschlagung gem. § 246 I StGB ein. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Zueignung in objektiv erkennbarer Weise gingen wir auf die Manifestationstheorien ein. Hier lag aber bereits nach der engen Theorie eine Manifestationshandlung vor. Als letztes wollte der Prüfer noch wissen, ob sich das tatbestandsausschließende Einverständnis auch hier auswirken könnte. Das verneinten wir, da der objektive Tatbestandsmerkmal des § 246 I StGB kein Handeln gegen oder ohne den Willen des Berechtigten fordert. Ich schlug vor, dass ein Einverständnis nur im Rahmen einer rechtfertigenden Einwilligung zu berücksichtigen sei. Auch betonte der Prüfer, dass P gerade nicht mit der Zueignung bei § 246 einverstanden war, sondern nur mit dem Gewahrsamsbruch. Damit war die Prüfung zu Ende.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Juli 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.