Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom November 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom November 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 43 26 44 45 84
Zivilrecht 7 5 9 8 13
Strafrecht 7 5 9 8 13
Öffentliches Recht 7 5 9 8 13
Endpunkte 73 45 78 80 139
Endnote 7,3 4,5 7,8 8,0 13,9

Zur Sache:

Prüfungsstoff:  protokollfest

Prüfungsthemen:  Abgrenzung Trickdiebstahl/Betrug und Raub/räuberische Erpressung. Die unterschiedlichen Vermögensbegriffe. Rechtfertigungsgründe aus dem Zivilrecht im Strafrecht angewendet.

Paragraphen:  §242 StGB, §263 StGB, §315 StGB, §859 BGB, §249 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Als Einstieg wurde folgender Fall geschildert: A handelt mit Marihuana. Kaufinteressent B möchte 1 Kilogramm zum Preis von 5000 € kaufen. Zur Abwicklung des Geschäfts treffen sich A und B abends auf einem dunklen Parkplatz. B lenkt den A kurz ab, ergreift das Marihuana und flüchtet. A nimmt mit seinem Auto die Verfolgung auf. Nach kurzer Zeit sieht er B auf dem Bürgersteig laufen und lenkt sein Fahrzeug gegen ihn. Hierdurch fällt B, wird jedoch nicht verletzt. A steigt aus, nimmt das Marihuana an sich und fährt davon. Strafbarkeit von A und B?
Zuerst sollte jeder einen Paragraphen nennen der einschlägig sein könnte und diese wurden zusammengetragen. Für B: §242 StGB, §263 StGB und für A: §249 StGB, Verkehrsdelikte §315 b, c StGB. Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz sollten nicht geprüft werden.
Daraufhin konnte sich der erste Prüfling entscheiden mit wem er anfängt und entschied sich für B. Er wollte §263 prüfen und wurde gefragt warum er hiermit anfängt. Daraufhin wurde überlegt ob sich ein rein historischer Aufbau anbietet, also erst die Täuschung des A, dann die Wegnahme, daher §263 zuerst oder damit anfangen, was wahrscheinlich nicht durchgeht, um sich keine Probleme abzuschneiden. Im Ergebnis war dies wohl egal. Jedenfalls sollte gesagt werden, dass beide im Exklusivitätsverhältnis stehen (genau dieses Wort wollte er hören) und sich deswegen ausschließen, also nicht beides vorliegen kann und dies nach der Abgrenzung Trickdiebstahl/ Betrug vorzunehmen ist.
Dann wurde der Betrug geprüft. Wichtig war hier genau am Prüfungsschema zu bleiben und nicht direkt zum Problem zu springen, sowie ordentlich zu definieren und subsumieren. Bei der Vermögensverfügung sollte dann die Abgrenzung dargestellt werden, also äußeres Erscheinungsbild oder innere Willensrichtung. Nach beiden Meinungen hier also Wegnahme und mithin §242. Dann wurde der Diebstahl lehrbuchartig geprüft und das Problem erörtert ob die Sache fremd war. Nach der Definition ist eine Sache auch dann nicht fremd, wenn sie herrenlos ist. Hier lag das Problem, dass eine Übereignung zivilrechtlich nichtig wäre wegen §134 BGB. Ist die Sache dann herrenlos? Wie kann man Eigentum erlangen. Hier wurde intensiv auf das Zivilrecht eingegangen. Im Ergebnis die Fremdheit bejaht. Da es keine weiteren Probleme gab, wurde der Diebstahl bejaht.
Anschließend wurde mit der Prüfung des A fortgefahren. Der Prüfer fragte hier nach den Verkehrsdelikten, also §315. Der Prüfling verneinte hier mit einem Satz 315b, woraufhin genau nachgefragt wurde was für 315 b vorliegen muss. Da hier aber laut Sachverhalt zwar eventuell ein pervertierter Verkehrsvorgang aber keine konkrete Lebensgefahr vorlag, wurde dieser tatsächlich abgelehnt.
315c lag dann vom Tatbestand her vor. Der Prüfer wollte jedoch wissen ob Rechtfertigungsgründe greifen könnten. Hierfür wurde zuerst §32 StGB genannt. Jedoch sollten zuerst zivilrechtliche RF- Gründe genannt werden. In Betracht kam hier §859 BGB, die verbotene Eigenmacht. Auf die Frage in welchem Verhältnis diese Normen stehen, wurde gesagt, dass die BGB Normen spezieller sind und deswegen vorrangig zu prüfen.
Grundsätzlich lag nach der Prüfung dann auch §859 BGB vor. Der Prüfling wollte nun eine Güterabwägung vornehmen, um das nicht zufriedenstellende Ergebnis abzuändern. Hier wurde jedoch gesagt, dass dies im §859 BGB nicht angelegt ist. Jedoch könnte aufgrund der Einheit der Rechtsordnung dieses Ergebnis trotzdem nicht stimmen und deswegen angepasst werden. Ich glaube dies war dann auch die letztliche Lösung.
Jedenfalls wurde dann der Fall abgewandelt: B verschafft sich nun das Marihuana auf dem Parkplatz indem er den A mit einer Pistole bedroht und ihn zwingt ihm dieses zu geben. Strafbarkeit des B?
Als Delikte kamen nun §249 und §255 in Betracht. Fraglich war erneut die Abgrenzung. Entweder beide sind im Exklusivitätsverhältnis (Lehre) oder es handelt sich um eine Qualifikation (Rpsr.). Dann wurden die beiden Theorien erklärt und die jeweiligen Auswirkungen und Argumente.
Gefolgt wurde der Rechtsprechung. Dann wurde erneut geprüft und beim Vermögensschaden sehr ausführlich auf den Vermögensbegriff eingegangen. Was spricht für den juristisch ökonomischen und was für den wirtschaftlichen? Das Ergebnis war hier nicht wichtig, sondern es sollten viele Argumente gebracht und die eigene Meinung vertreten werden. Interessant war, dass als Argument gesagt wurde, dass nach dem juristisch ökonomischen ein rechtsfreier Raum entstünde. Dies wurde vom Prüfer als falsch eingestuft, da auf jeden Fall eine Nötigung übrig bleiben würde. Wieso es noch falsch war weiß ich nicht mehr, jedoch habe ich das auch anders gelernt.
Dann sagte er der Prüfer, dass der BGH in einer jüngeren Entscheidung abweichend von seinem bisherigen Verhalten den juristisch ökonomischen Vermögensbegriff anwendete und fragte welches Problem sich hieraus jetzt ergeben würde. Da hierauf niemand so recht eine Antwort wusste, wandelte er den Fall erneut ab:
Der B bedroht den A nun mit einer Pistole und bringt ihn dazu, sich in den Kofferraum zu legen. Sodann nimmt sich B das Marihuana.
Hier läge dann ein Raub vor. Im Fall vorher jedoch nach dem juristisch ökonomischen Vermögensbegriff kein Raub (keine Erpressung). Es würde also zu einem Wertungswiderspruch kommen, da es nur vom Zufall abhinge, wozu genau genötigt würde.
Die letzte Frage war dann wie dieses Problem gelöst werden könnte. Als Antwort kam in Betracht, dass der BGH auch dem Exklusivitätsverhältnis folgt oder dass für Raub und Erpressung unterschiedliche Vermögensbegriffe genutzt würden. Bei dieser letzten Frage und dem abstrakten Gedankenspiel nach so vielen Stunden Prüfung konnte niemand mehr folgen und dann auch, da die Fragezeit vorbei war, abgebrochen.
Insgesamt war vieles aber nicht schwer und wichtig war nur der Reihe nach vorzugehen. Der Prüfer hat auch Hilfestellung gegeben, wenn man nicht weiterkam. Also keine Angst! Bald habt ihr es geschafft und viel Glück!!!

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