Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hamburg im November 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im November 2017. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 4,3
Aktenvortrag 7
Prüfungsgespräch 10
Endnote 5,55
Endnote (1. Examen) 6

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: materielles Recht, Befangenheit eines Richters, Revision

Paragraphen: §212 StGB, §22 StGB, §23 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit der Schilderung eines Falles: Ein Mann sticht vor dem Landgericht einer Strafrichterin mit einem Messer in den Rücken. Dabei ruft er sinngemäß „Es gibt eine Macht, die mir sagt, dass ich das tun soll!“ aus und wird nach dem Zustechen sofort von einer Gruppe Referendaren überwältigt und zur Seite gezogen. Die Richterin überlebt den Vorfall, von bleibenden Schäden ist nicht die Rede.
Zunächst sollte der Sachverhalt materiell-rechtlich geprüft werden.
Hier ging es zu Beginn um ein versuchtes Tötungsdelikt, wobei der Prüfer auch nach Kleinigkeiten fragte (Warum keine Vollendung? Strafbarkeit von Versuchsdelikten). Es sollte eine Versuchsstrafbarkeit sauber durchgeprüft werden.
Als es dann um die Frage des Vorsatzes ging und die Hemmschwellentheorie in Verbindung mit Tötungsdelikten genannt wurde, hakte der Prüfer ein und wollte von jedem Prüfling eine Erklärung der Hemmschwellentheorie hören. So wurde gemeinsam erarbeitet, dass diese keine wirkliche Theorie, sondern ein Instrument der richterlichen Beweiswürdigung ist. Die Hemmschwellentheorie sei etwas veraltet und man schließe aus den objektiven Umständen der Tat auf den subjektiven Vorsatz.
Dann ging es um die Frage des möglichen Rücktritts, wobei kurz allgemein die Voraussetzungen und verschiedenen Konstellationen dargestellt werden sollten. Auf den konkreten Fall angewendet wurde der Rücktritt abgelehnt, da der Täter unmittelbar nach dem Stich überwältigt wurde und eine freiwilliges ablassen vom Tatplan verneint werden musste.
Weiter wurden die infrage kommenden Körperverletzungsdelikte geprüft und jeweils kurz diskutiert (223, 224 I Nr. 2,3 und 5 StGB).
Es folgte die Frage nach möglichen Verteidigungsstrategien des Strafverteidigers (Einholung eines psychiatrischen Gutachtens wegen möglicher Schuldunfähigkeit).
Dann ging es knapp um das zuständige Gericht und um Wesen und Bedeutung des Zwischenverfahrens, das sich anschließt, sobald der Richter die Akte auf den Tisch bekommt.
Nun kam der Prüfer auf die Problematik der Befangenheit eines Richters zu sprechen. Er führte hierzu aus, dass der zuständige Strafrichter die niedergestochene Kollegin sehr gut gekannt und sich nun selbst für befangen erklärt habe. Von diesem Sachverhalt ausgehend wurden die §§ 24 ff StPO sehr ausführlich und zunächst allgemein besprochen. (Wann liegt ein Grund nach 24 II vor? Wie läuft das Ablehnungsverfahren? Wer entscheidet über das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes? Gibt es Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung?)
Dann ging es konkret um den Fall, dass sich ein Richter selbst für befangen erklärt und was hieran problematisch sein könnte. Hier ging es dem Prüfer darum, dass nicht bei jeder selbst erklärten Befangenheit eine solche auch angenommen werden könne, da ansonsten die Richter frei wählen könnten und das Recht auf den gesetzlichen Richter unterlaufen werden könnte. Des Weiteren ging es um die Gründe die für eine Befangenheit sprechen könnten.
Zum Abschluss wurde noch kurz über den möglichen Revisionsgrund bei fehlerhafter Entscheidung über die Befangenheit und in diesem Rahmen noch allgemein über die Unterschiede zwischen absoluten und relativen Revisionsgründen gesprochen. Es wurden Verteidigungsstrategien erörtert. (insbesondere dann selbst als Verteidiger nochmal einen Befangenheitsantrag zu stellen)
Dann war die Prüfung auch schon vorbei. Mit diesem Prüfer habt ihr einen sehr guten Prüfer bekommen, der allen Prüflingen die Gelegenheit gibt, gute Argumente vorzutragen. Die Benotung war durchaus wohlwollend.