Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin November 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin vom November 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Stafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 10,44 9 5 4 4
Aktenvortrag 12 14 10 11 8
Prüfungsgespräch 14 13 12 12 9
Endnote 11,53 11 7 7 6
Endnote (1. Examen) 13,5

Zur Sache:

Prüfungsstoff:

Prüfungsthemen: Strafprozessrecht: Zeugnisverweigerungsrecht, Verlesung von Vernehmungsprotokollen, Rechtsmittel, notwendige Verteidigung

Paragraphen: §52 StPO, §251 StPO, §252 StPO, §140 StPO, §304 StPO

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken

 

Prüfungsgespräch:

Während wir uns alle auf Fragen zum materiellen Strafrecht eingestellt hatten, prüfte der Prüfer ausschließlich tiefste StPO Probleme.

Zunächst stellte der Prüfer einen Fall:

Der A soll seine Tochter sexuell missbraucht haben. Die Tochter sagt vor dem Ermittlungsrichter aus.

Die Vernehmung durch den Ermittlungsrichter erfolgte insgesamt ordnungsgemäß. A wird angeklagt. In der Hauptverhandlung weigert sich die Tochter jetzt aber auszusagen. Welche Folgen hat dies?

Zunächst sollten wir § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO sehen und bejahen. Hier machte der Prüfer gleich einen kleinen Exkurs zu den übrigen Tatbeständen („was sind denn Lebenspartner?“).

Dann war die Frage, wie sich die Aussage dennoch einführen ließe. Hier war vom Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO auszugehen (Vorrang des Personalbeweises; der Prüfer wollte hier eine bündige Erklärung zum Grundsatz der Unmittelbarkeit hören) und dann eine Ausnahme zu suchen. Hier war § 251 Abs. 2 StPO einschlägig (richterliche Vernehmung) und § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO möglich, falls A, sein Verteidiger und die StA zustimmten. Ferner wollte der Prüfer noch die Möglichkeit einer Bild-Ton-Übertragung genannt haben und den Grund dieser Ausnahmen von der Unmittelbarkeit hören (Opferschutz). Dann fragte er weiter, was denn die Voraussetzungen für § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO seien (Gerichtsbeschluss, nicht nur Entscheidung des Vorsitzenden, ordnungsgemäße richterliche Vernehmung mit entsprechenden Belehrungen).

Dann sollten wir auf § 252 StPO eingehen und diskutieren, ob dies der Verlesung entgegensteht sowie die Konsequenz eines Beweisverwertungsverbotes darstellen.

Im Rahmen des § 252 StPO sollten wir dann ergebnisoffen diskutieren, ob die Ausnahme der ermittlungsrichterlichen Vernehmung von § 252 StPO wirklich Unterstützens wert ist. Entscheidend waren hier erneut die Begriffe Unmittelbarkeitsgrundsatz, aber auch Konfrontationsrecht und fair trail/Art. 6 EMRK.

Dann stellte der Prüfer die Frage, wie es denn wäre, wenn die Tochter selbst auch der Verlesung zustimmte, aber nicht erscheinen wollte. Neben einer erneuten Diskussion zur Zulässigkeit eines solchen isolierten Verzichts auf § 252 StPO wollte der Prüfer auch noch hören, dass die Tochter dann qualifiziert vor dem Verlesungsbeschluss zu belehren wäre.

Es folgte ein weiterer Fall:

Unser Mandant M ist zu 6 Monaten wegen eines Vergehens vom Strafrichter verurteilt worden. Er hatte zuvor noch keinen Verteidiger und kommt nun zu uns, weil er mit dem Urteil unzufrieden ist. Was können wir machen?

Eine Kandidatin begann mit der Möglichkeit einer Bestellung als Pflichtverteidiger, was der Prüfer aber nicht hören wollte. Er nutzte dies dann aber verwirrenderweise für Anschlussfragen zum Bereich „notwendige Verteidigung“ (was ist ein Pflichtverteidiger? Was ist ein Wahlverteidiger? Wo geregelt? Wer bestellt den Pflichtverteidiger?), die eher weit vom Fall weg führten.

Schließlich kamen wir zu den eigentlichen Fragen Berufung und Revision. Hier sollten wir die Alternativen Berufung und Sprungrevision herausarbeiten und darstellen, dass auch zunächst unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt werden kann. Wichtig waren der Prüfer ferner die Fristen und die Zuständigkeiten (für die Entscheidung über das Rechtsmittel: kleine Strafkammer am LG für Berufung, Strafsenat am KG für Revision/Sprungrevision gegen AG Urteil, jedoch ist das Rechtsmittel beim iudex a quo einzulegen, der auch selbst Form und Frist prüft). Auch wollte er hören, dass die Revision innerhalb einer Frist zu begründen ist, die Berufung jedoch nicht. Die Frage: „Was macht denn das Ausgangsgericht, wenn das Rechtsmittel eingeht?“ beantwortete ich zunächst damit, dass nach Prüfung von Form und Frist die Akten an das Rechtsmittelgericht weitergingen, was ihm aber nicht reichte. Schließlich fiel mir aber noch die Antwort ein, dass zunächst das Urteil vom Ausgangsgericht dem Angeklagten, bzw. seinem bestellten Verteidiger in vollständiger Form zugestellt werden muss, was ihn dann freute. Er fragte dann zur Zustellung (wo ist diese geregelt, an wen muss zugestellt werden, was gibt es für Zustellungsmöglichkeiten?)

Es kam dann eine Abwandlung: Wir zeigen die Verteidigung des Mandanten an und beantragen, diesem als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, mit der Ankündigung in diesem Fall das Wahlmandat niederzulegen. Das Gericht lehnt die Bestellung ab. Der Mandant ist nicht zu erreichen. Der Anwalt legt im eigenen Namen Beschwerde ein. Geht das?

Zunächst waren die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung. Hier wurde nach § 140 Abs. 2

StPO gefragt. Danach kann wegen der Schwere der Tat die Verteidigung notwendig sein, wobei die Rspr dies erst ab einem Jahr Freiheitsstrafe annimmt; dies allerdings auch nicht als feste Grenze sieht. Weiter waren dann die allgemeinen Voraussetzungen der Beschwerde abzuklappern. Das zentrale Problem war die eigene Beschwer des Verteidigers. Adressat des Ablehnungsbeschlusses ist ja der Mandant. Hier war freies Argumentieren mit Sinn und Zweck der Bestellung als Pflichtverteidiger gefragt. Letztlich sollen hierdurch nur die Verfahrensrechte des Angeklagten geschützt werden und nicht etwa das Kostenerstattungsinteresse des Anwalts, woran dieser zwar ein Interesse, aber worauf er wohl selbst kein subjektives Recht hat. Letzte Frage war dann, was gegen eine Ablehnung der Beschwerde gemacht werden konnte. Hier sollte noch rausgefunden werden, dass eine weitere Beschwerde nur in bestimmten Fällen möglich ist, zu denen unser Fall aber nicht gehörte.

Insgesamt eine sehr kleinteilige, prozessuale Prüfung, fernab von dem, auf das wir uns vorbereitet hatten. Wir fühlten uns in der Prüfung zwischenzeitlich dementsprechend unwohl. der Prüfer verlor aber nie sein Lächeln und seine aufmunternde, ruhige Art, so dass wir uns langsam und mit Geduld zu vertretbaren Ergebnissen quälten. Er belohnte uns mit insgesamt wohlwollenden Noten.

Viel Erfolg!!

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