Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin vom August 2024

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

10,58

Endnote

11,64

Endnote 1. Examen

9,34

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Abgrenzung Haftprüfung, Haftbeschwerde, Aktuelle Änderungen der StPO, Strafbefehlsverfahren

Paragraphen: §223 StGB, §224 StGB, §117 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Die Prüfung selbst gestaltete sich zweiteilig. Der erste Teil bestand aus einer Abfolge schneller, kurzer Wissensfragen, auf die Herr Neff eine möglichst schnelle Antwort erwartete. Der zweite Teil bestand aus einem Fallgeschehen, dass wir bewerten sollten. Er hält grundsätzlich die Reihenfolge ein, überspringt aber auch mal ab und an eine Person. Dies liegt vermutlich daran, dass er erreichen will, dass aus seiner Sicht alle möglichst gleiche Anteile an der Prüfung haben. Aus der Innenperspektive wirkte das nicht immer konsistent, aber das mag auch der Sicht des Prüflings geschuldet sein. Von außen hat der Prüfer vermutlich einen anderen Blick. Lasst euch in jedem Fall nicht verunsichern, wenn ihr übersprungen werdet. Der erste Teil mit den Fragen begann mit dem BGH-Urteil zur Verurteilung einer KZ-Sekretärin, da dieses Urteil einen Tag vor der Prüfung gefällt wurde. Dazu fragte er erst einmal ohne nähere Details, was denn der BGH gestern entschieden habe. Der erste Prüfling schilderte das Sachgeschehen um den Fall und die Verurteilung wegen Beihilfe zu tausendfachem Mord. Zudem wurde gefragt, was an dem Fall besonders sei. Hierauf wurde geantwortet, dass die Taten lange zurückliegen und die Frau bereits sehr alt ist und es generell eine späte Aufarbeitung gibt (eventuell wollte er hier auch noch auf die Aburteilung nach Jugendstrafrecht bei einer über 90-Jährigen hinaus und der fehlenden Möglichkeit zur Verwirklichung des Erziehungsgedankens, dass weiß ich aber nicht). Der zweite Prüfling wurde gefragt, warum denn erst jetzt entsprechende Fälle verhandelt würden. Darauf wurde kurz auf die fehlende Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch die Nachkriegsjustiz und die Debatte um die Verjährung entsprechender Mordtaten inklusive des entsprechenden Justizskandals, bei welchem bei der Änderung des OWi-Gesetzes im Bundestag gewissermaßen “nebenher” als Omnibusgesetz entsprechende Mordtaten für verjährt erklärt wurden, verwiesen. Erst 2011 kam es durch eine Rechtsprechungsänderung bei der Strafbarkeit der Beihilfe zur Aburteilung entsprechender Taten. Die dritte Kandidatin wurde dann gefragt, welches Gericht bei einem Vorgehen gegen einen Bußgeldbescheid im OWi-Verfahren entscheiden würde. Sie verwies auf das Amtsgericht. Sodann fragte er, wer dann die nächste Instanz wäre. Da sie hierauf nicht antworten konnte gab er die Frage frei, doch auch niemand anders wusste die Antwort: Das OLG. Sodann fragte er die dritte Kandidatin, was es mit der Sicherungsverwahrung auf sich habe, da diese gerade vermehrt diskutiert würde. Sie verwies auf die Regelungen zur Besserung und Sicherung, die einen präventiv Gefahrenabwehrrechtlicheren Charakter hätten, im Vergleich zur Strafe. Hier knüpfte der Prüfer mit der Anschlussfrage an, welche Strafzwecktheorien es denn gebe (negativ/positiv generalpräventive Wirkung, Spezialprävention, Schuldausgleich, Resozialisierung). Sodann wurde nach aktuellen Reformvorhaben in der StPO gefragt, die gerade diskutiert würden. Zunächst verwies die vierte Kandidatin hier auf die Änderung des § 158 Abs. 1 S. 1 StGB mit Blick auf die elektronische Einreichung des Strafantrags ein und die Notwendigkeit, dass Strafverfolgungswille und Identität immer noch klar erkennbar sein müssen, was auch die Beifügung bspw. der Personalausweisnummer erforderlich mache. Auf die Frage, was nach diskutiert würde, verwies sie auf Änderungen im StGB bspw. mit Blick auf das Ausmisten des StGB (§§ 265a StGB, etc.) und die Diskussion um die Einführung eines neuen Mordmerkmals (“Ausnutzen der körperlichen Überlegenheit” –> Femizid). Sodann wurde die dritte Kandidatin gefragt, ob ihr noch etwas einfallen würde, was auch schon seit Jahren diskutiert würde. Sie verwies dann auf die zurückliegende Änderung der Verteidigerbestellung in den §§ 140 ff. StPO. Auf die Nachfrage vom Prüfer, ob es das, denn vorher nicht gegeben habe antwortete sie, dass es das natürlich vorher gegeben habe, aber mit der Änderung vor allem eine Ausweitung einherginge. Der zweite Kandidat wurde dann nach Änderungen befragt. Er verwies auf die Aufzeichnung der Hauptverhandlung (das schien die Antwort gewesen zu sein, die er u. a. in dem Kontext hören wollte). Sodann fragte er, was hier der Debattenstand sei. Der Kandidat verwies darauf, dass das Vorhaben von Herrn Marco Buschmann stark vorangetrieben würde, aber auf Widerstand insbesondere in der Justiz stoße. Dies liege insbesondere an der befürchteten Einschränkung von Aussagen, da sich das Aussageverhalten vor Kameras verändern könnte, gerade auch vor dem Hintergrund einer Erweiterung der Öffentlichkeit durch die Aufzeichnung. In diesem Kontext werde auch eine Verstärkung der Pranger Wirkung für den Angeklagten diskutiert. Sodann wurde der Kandidat gefragt, was man machen würde, wenn ein Mandant anrufe, der gerade von der Polizei festgenommen worden sei. Der Kandidat äußerte, dass es vermutlich um eine vorläufige Festnahme und eine drohende U-Haft gehen würde. Insoweit befände sich der Mandant voraussichtlich in einer Gefangenensammelstelle in Berlin, wobei der Tempelhofer Damm die bekannteste Adresse sei. Insofern müsste man zunächst ergründen, wo der Mandant sich aufhalte. Dann sollte man sich als Pflichtverteidiger bestellen lassen, um Zugang zum Mandanten zu erhalten. Er fragte dann, ob man nur als Pflichtverteidiger Zugang bekomme. Der Kandidat antwortet, dass dies natürlich auch als Wahlverteidiger möglich sei, aber dass eine Entpflichtung bei Pflichtverteidigern schwerer sei. Daraufhin sagte er, dass es auch durchaus im Interesse liegen können nicht zu eng an den Mandanten gebunden zu sein, da es auch hier immer wieder Streitereien um eine Entpflichtung gäbe. Er wollte wissen, was eher der Vorteil der Pflichtverteidigerbestellung sei. Der Kandidat gab darauf keine weitere Antwort. Deshalb wurde die Frage an die dritte Kandidatin weitergegeben, die sagte, dass der Pflichtverteidiger auf jeden Fall die Sicherheit habe, bezahlt zu werden (die Antwort wollte er hören). Sodann wurde der erste Kandidat gefragt, was man noch als Anwalt machen könne. Er gab an, dass es für eine Haftprüfung oder Haftbeschwerde wohl zu früh sei. Insofern sollte man sich erst einmal den Sachverhalt schildern lassen. Sodann fragte der Prüfer, wie man am besten an den Sachverhalt komme: Akteneinsicht. Sodann sollte der Unterschied zwischen Haftprüfung und Haftbeschwerde erläutert wurde. Der erste Kandidat kam hier ins Stocken, sodass der zweite Kandidat aushalf. Er ging darauf ein, dass die Haftprüfung (§ 117 StPO) dann greift, wenn die Haft vollzogen wird und die Haftbeschwerde (§ 304 StPO) dann, wenn man sich gegen die letzte gerichtliche Entscheidung über die Haft wendet. Zudem bleibe die Haftprüfung bei iudex a quo, als dem Ausgangsgericht und es könne eine mündliche Verhandlung innerhalb von zwei Wochen erzwungen werden (anders, als bei der Haftbeschwerde), sodass sich die Haftprüfung lohne, wenn man den persönlichen Eindruck des Beschuldigten oder neue Beweise vermitteln will. Bei einer Prüfung der Rechtsansicht des Ausgangsgericht sei eher die Haftbeschwerde zu wählen, da das Ausgangsgericht nach § 306 Abs. 2 StPO zwar eine Abhilfemöglichkeit habe, aber die Sache bei fehlender Abhilfe an das Beschwerdegericht gehe. Zudem biete die Haftprüfung den Vorteil, dass die daraufhin ergehende gerichtliche Entscheidung wieder mit der Beschwerde angegriffen werden könne und diese Entscheidung wieder mit der weiteren Beschwerde, sodass man sich bei der Haftprüfung mehrere Überprüfungsmöglichkeiten vorbehalte. Sodann wollte der Prüfer wissen, welche Entscheidungen mit der weiteren Beschwerde nach § 310 StPO angegriffen werden können. Daraufhin wurde der Wortlaut des § 310 StPO vorgelesen und darauf verwiesen, dass es bei der U-Haft um den Fall der Nr. 1 gehe. Sodann fragte er, wer denn die nächste Instanz sei, wenn eine weitere Beschwere abschlägig beschieden würde. Der Kandidat dachte daraufhin länger nach und sagt, dass man natürlich immer Verfassungsbeschwerde einlegen könne. Der Prüfer sagte, dass man das selten tue, aber man auf dem richtigen Weg sei, da es keine Möglichkeit gäbe. Insofern eine Fangfrage. Sodann kam es zum Fall. Es ging um den A (Hauseigentümer), der B und C darum bittet den D in seiner Wohnung (diese befindet sich im Haus des A) zu überfallen. Daraufhin erbitten B und C unter dem Vorwand als Handwerker Arbeiten vornehmen zu müssen Zugang zur Wohnung des D, die dieser daraufhin gewährt. Sodann hält der B den D fest und hält ihm einen Dolch an den Hals und sagt ihm, dass er nichts tun solle, da es sonst vorbei sei. Sodann schlug B dem D mehrfach in den Bauch. Zunächst sollten die Delikte genannt werden, die in Betracht kommen: Insbes. §§ 123, 223, 224, 239 StGB. Zunächst wurde § 123 StGB geprüft. Dabei ging es darum, dass das natürliche Einverständnis als tatbestandsausschließendes Einverständnis anders als die Einwilligung auch durch rechtsgutsbezogene Täuschungen erlangt werden kann. Sodann wurde nach dem Fall gefragt in dem das tatbestandsausschließende Einverständnis klassischerweise auch diskutiert würde: Überfälle in Läden, die der Öffentlichkeit gegenüber geöffnet sind. Wann wird es dort abgelehnt? Wenn die Täter offensichtlich mit feindlicher Absicht (bspw. Mit Sturmhauben o. ä.) den Laden Betreten. Dann wurde gefragt, was grundsätzlich noch bei § 123 StGB erforderlich sein: Der Strafantrag als absolutes Strafantragsdelikt und dass hier auch der D als Hausrechtsinhaber den Strafantrag stellen kann. Dann ging es um den Unterschied zum relativen Strafantragsdelikt. Es sollten Beispiele genannt werden: Etwa § 230 StGB mit Blick auf die Körperverletzung. Dann ging es um § 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, Nr. 3 und Nr. 4 StGB. Die Nr. 2 Fall 2 wurde mangels “mittels” abgelehnt. Nr. 2 und Nr. 3 liegen vor. Dabei ging es jeweils um die Definitionen. Es wurde auch gefragt, ob mehrere Schläge hier eine Körperverletzung sind oder mehrere. Es handelt sich um eine natürliche Handlungseinheit, sodass nur eine Tat vorliegt. Schließlich wurde noch gefragt, wozu das Merkmal des hinterlistigen Überfalls vergleichbar sei: Der Heimtücke beim Mord. Dann sollte nur noch die Heimtücke definiert werden. Der Fall sollte dann wohl noch zu einem Raubgeschehen weitergesponnen werden. Dazu kamen wir aber nicht mehr.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im August 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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