Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
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Kandidat |
1 |
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Endpunkte |
10,0 |
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Endnote |
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Endnote 1. Examen |
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Prüfungsgespräch:
Der Prüfer schilderte zu Beginn der Prüfung einen Fall, den er so vor einiger Zeit in seiner Kammer zu entscheiden hatte, allerdings überwiegend aus der Perspektive des klägerischen Anwalts. Dabei nutzte er die Prüfung am konkreten Fall immer wieder für eher abstrakte Exkurse. Der Sachverhalt stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar: Der Mandant wollte im Jahr 2020 eine neue Heizung installieren lassen, die mit „blauem Wasserstoff“ betrieben wird. Dabei handelt es sich um Wasserstoff, der seinerseits aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Er fragte zunächst direkt beim Hersteller an, der ihn auf einen Vertriebspartner (Unternehmer) verwies. Auf Anfrage des Mandanten machte der Unternehmer nunmehr dem Mandanten ein Angebot und wies dabei darauf hin, dass neben dem Vertrag zur Installation der Heizung zwingend auch ein Vertrag zur Wartung abgeschlossen werden müsse – anderenfalls käme der Vertrag über die Heizung nicht zustande. Der Mandant nahm das Angebot an. Erst unmittelbar vor dem Einbau erklärte der Unternehmer dem Mandanten dann, dass der Vertrag über die Wartung mit einem dritten Unternehmen abgeschlossen werden müsste. Der Mandant war überrumpelt, ärgerte sich, unterzeichnete aber schließlich auch diesen Vertrag. Die Heizung lief zunächst einwandfrei und wurde fortlaufend ordnungsgemäß gewartet. Nachdem die staatliche Förderung für Heizungen mit blauem Wasserstoff durch die Ampelregierung eingestellt wurde, geriet das Drittunternehmen, welches die Wartung übernommen hatte, im Jahre 2023 in Insolvenz. Die Wartungsarbeiten wurden nicht weiter vorgenommen. Der Mandant wendete sich zunächst an den Unternehmer, bei dem er die Heizung erworben hatte, der ihm ein Angebot über eine Ausgleichszahlung in Höhe von 10.000 Euro machte, welches der Mandant ablehnte (so jedenfalls meine Erinnerung – es könnte auch der Hersteller gewesen sein). Ende 2023 ging die Heizung schließlich kaputt. Erst Ende 2024 legte der Mandant Klage gegen den Unternehmer ein. Die Klageschrift wurde Anfang 2025 zugestellt. Zunächst fragte der Prüfer allgemein, was genau die Insolvenz sei. Hierbei wollte er scheinbar in erster Linie auf die Eröffnungsgründe des Insolvenzverfahrens (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, §§ 17 – 19 InsO) sowie die Unterschiede zur Einzelzwangsvollstreckung hinaus. Dann kam er auf den eigentlichen Fall zu sprechen. Dass Werkvertragsrecht anwendbar ist, hat er mehr oder weniger vorgegeben und eine Abgrenzung der Vertragstypen nicht verlangt. Vielmehr sollten wir direkt klären, ob ein Mangel vorliegt. Es folgte eine kurze Auseinandersetzung mit dem Mangelbegriff des § 633 BGB. Dann kamen wir auf den Umstand zu sprechen, dass der Mangel bei Gefahrübergang, also grundsätzlich bei Abnahme vorliegen müsse und wie damit umzugehen sei, dass die Heizung erst Jahre nach der Abnahme kaputt gegangen sei. Ein Kandidat zog in diesem Zusammenhang einen kurzen Vergleich dazu, dass im Werkrecht – anders als im Kaufrecht – insb. keine dem § 477 BGB entsprechende Vermutung existiere, was dem Prüfer zu einem kurzen Ausflug ins Kaufrecht veranlasste. Insbesondere wollte er die genauen Voraussetzungen des § 477 BGB definiert haben und ließ uns kurz auf den Begriff des Verbrauchsgüterkaufs eingehen (Was ist Gegenstand des Verbrauchsgüterkaufs? – „Ware“, §§ 474 Abs. 1, 241a Abs. 1 BGB). Dann fragte er, was unter dem Begriff der Haltbarkeit im Sinne von § 434 Abs. 3 S. 2 BGB zu verstehen sei. Hier stocherten wir alle ein wenig im Dunkeln. Es kam ihm wohl v.a. darauf an, dass ein Mangel auch hinsichtlich der Haltbarkeit bereits eine bei Gefahrübergang vorhandene Beschaffenheit voraussetzt – erfasst werden sollen damit – so habe ich jedenfalls den Prüfer verstanden – wohl v.a. Fälle der konstruierten (geplanten) Obsoleszenz (nach diesem Begriff befragte er uns ebenfalls: Gemeint sind Fälle, in denen der Hersteller von vornherein, z.B. durch minderwertige Bauteile, die Lebensdauer seines Produkts bewusst verkürzt, um einen früheren Neukauf anzuregen), nicht hingegen sich erst später unerwartet ergebenden Haltbarkeitsprobleme, die nicht von vornherein angelegt waren. Zurück zum eigentlichen Fall, stellten wir fest, dass mit Blick auf die Heizung bei Gefahrübergang noch kein Werkmangel vorlag, Mängelgewährleistungsansprüche also ausschieden. In Betracht kam aber ein Anspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung. Auch hier diskutierten wir kurz, worin genau die Nebenpflichtverletzung zu erblicken war. Entscheidend kam es hier wohl darauf an, dass der Unternehmer einer vorvertraglichen Informationspflicht zu wider den Mandanten erst nach Vertragsschluss darauf hingewiesen hat, dass der Wartungsvertrag mit einem Dritten abgeschlossen werden musste. Der Mandant hatte sich in dem Moment bereits vertraglich gebunden und ihm sollte nun nachträglich das Insolvenzrisiko eines Dritten aufgebürdet werden (doppeltes Insolvenzrisiko). Daraus ließ sich grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (ob es sich um einen vorvertraglichen oder vertraglichen Anspruch handeln sollte, habe ich nicht ganz rausgehört) ableiten. Der entsprechende Anspruch könnte jedoch verjährt sein. Da der Anspruch nicht an einen Werkmangel anknüpft, findet nicht § 634a BGB, sondern die Regelverjährung (§§ 195, 199 BGB) Anwendung. Der Prüfer ließ uns deren genaue Ausgestaltung herausarbeiten. Hier war der entsprechende Anspruch grundsätzlich bereits mit Ablauf des Jahres 2023 verjährt, da der Mandant bereits 2020 von der maßgeblichen Pflichtverletzung (unzureichende Information) Kenntnis erlangt hatte. Dann ging der Prüfer mit uns kurz auf eine mögliche Hemmung ein. Unabhängig davon, dass die Klageerhebung hier in jedem Fall zu spät kam, wollte er wissen, auf welchen Zeitpunkt genau es für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ankommt. Der Begriff der Klageerhebung sollte definiert werden – § 261 Abs. 1 ZPO: Klageerhebung liegt erst mit Rechtshängigkeit vor. Verjährungshemmung also eigentlich erst mit Zustellung der Klageschrift (hier 2025), aber Rückwirkung gem. § 167 ZPO auf Zeitpunkt der Anhängigkeit (hier 2024). Er fragte nach einem weiteren möglicherweise einschlägigen Hemmungstatbestand – hier wollte er auf die Möglichkeit hinaus, dass im Zusammenhang mit dem Angebot einer Ausgleichszahlung von 10.000 Euro ggf. Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB vorlagen. Dabei wollte er insb. die damit einhergehende Ablaufhemmung von 3 Monaten gem. § 203 S. 2 BGB hören. Auch unter Berücksichtigung einer solchen Hemmung dürfte aber der Anspruch im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt gewesen sein. Schließlich fragte der Prüfer nach einer weiteren Möglichkeit, wie der Mandant eventuell doch noch zu einem nicht verjährten Anspruch käme. Hier wollte er auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage durch die Insolvenz des Wartungsunternehmens hinaus. Er fragte nach den Rechtsfolgen des § 313 BGB (grundsätzlich Vertragsanpassung, aber sofern – wie hier – eine solche nicht möglich oder unzumutbar ist: Rücktrittsrecht). Rechtsfolge des Rücktritts: Rückerstattung der Vergütung, allerdings abzüglich der Gebrauchsvorteile (genaugenommen wohl Zug-um-Zug). Zuletzt fragte der Prüfer, wie der Wert der Gebrauchsvorteile zu berechnen sei ausgehend davon, dass die Heizung eine normale Lebensdauer von 10 Jahren hätte und hier nach 3 Jahren kaputt gegangen ist. Wertberechnung ausgehend von der normalen Lebensdauer anteilig entsprechend der tatsächlichen Lebensdauer, also 30 Prozent des ursprünglichen Preises. So habe der Prüfer den tatsächlichen Fall dann auch damals verglichen (70 – 30). Damit waren der Fall und die Prüfung bereits zu Ende. Der Prüfer prüft mit vergleichsweise hohem Tempo, aber relativ strukturiert. Er hat den Fall bei uns nicht einfach in den Raum gestellt und uns prüfen lassen, sondern uns stets auf die Fragen gelenkt, zu denen er Ausführungen hören wollte. Viel Erfolg, bald habt ihr es geschafft!
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg vom November 2025. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

