Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen im November 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in  Hessen im November 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 7,06 7,9 5,x 6,4 5,x
Aktenvortrag 13 10 3 11 9
Prüfungsgespräch 13/10/11 13/13/12 13/13/10 13/8/9 13/11/8
Endnote 9,03 9,52 7,35 7,92 6,91
Endnote (1. Examen) 9,36

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Zwangsmaßnahmen und Ermittlungstätigkeit nach der StPO; Urkundsdelikte

Paragraphen: §269 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Als erstes berichtete Oberstaatsanwalt über die Geschehnisse in einem kleinen Dorf:

In diesem Dorf haben in letzter Zeit immer öfter Scheunen gebrannt. Dabei auch teilweise zwei Scheunen gleichzeitig, die sich aber immer in einem so weiten Abstand voneinander befanden, dass es sich nicht um denselben Brandstifter handeln konnte. An den Tatorten wurde leere Benzinflaschen gefunden. Weiterhin wurde man auch auf einen im Ort unbekannten PKW aufmerksam, der sich öfters in den relevanten Zeiträumen in unmittelbarer Nähe der Tatorte befand. Auch an einem Abend brannten wieder zwei Scheunen.

Was kann die örtliche Polizei nun sofort tun?

Zunächst kamen wir darauf Zeugen zu befragen und den Halter des unbekannten PKW zu ermitteln.

Wie sollte nun weiter vorgegangen werden, wenn der Halter des PKW ermittelt wurde?

Man könnte versuchen, diesen zu Hause anzutreffen und zu befragen und die Wohnung zu durchsuchen (§ 102 StPO) oder zunächst verdeckte Maßnahmen durchführen: polizeiliche

Beobachtung (§ 163e StPO), längerfristige Observation (§ 163f StPO),

Telekommunikationsüberwachung (§§ 100a ff. StPO)

Wie heißen solche Maßnahmen? – Zwangsmaßnahmen

Welches ist die einschneidendste Zwangsmaßnahme? – Untersuchungshaft

Welche verschieden Arten von Durchsuchungen gibt es? – Durchsuchung beim Beschuldigten (§102 StPO), Durchsuchung bei Dritten (§ 103 StPO), Durchsuchung zur Nachtzeit (§ 104 StPO) Kann die Polizei einfach so durchsuchen oder muss sie jemanden anrufen?:

  • 105 StPO besteht grundsätzlich ein Richtervorbehalt, selbst anordnen kann die Polizei als

Ermittlungsbeamten der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzug. In jedem Fall muss aber zunächst versucht werden den Ermittlungsrichter zu erreichen.

Kann die Polizei direkt beim Ermittlungsrichter anrufen oder muss diese zunächst den Staatsanwalt erreichen?:

Als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ist Ansprechpartner der Polizei grundsätzlich die

Staatsanwaltschaft (Ausnahme: §163 II S. 2 StPO). Die Polizei muss daher zunächst bei der Staatsanwaltschaft den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbefehls stellen. Die Staatsanwaltschaft muss sich dann wiederum an den Ermittlungsrichter richten.

Wie sieht das bei späten oder nächtlichen Ermittlungshandlungen aus? – Dazu gibt es einen staatsanwaltlichen und richterlichen Notdienst Der Ermittlungsrichter wurde erreicht. Dieser verlangt aber, dass ihm zunächst die Akten vorgelegt werden und er nicht sofort am Telefon entscheiden möchte. Wie ist weiter vorzugehen? – Wir sind davon ausgegangen, dass man grundsätzlich die Entscheidung des Ermittlungsrichter abwarten müsste, auch dann, wenn sich der Richter längere Zeit zum Entscheiden lässt. (Oberstaatsanwalt schien aber nicht zufrieden mit dieser Antwort; vielleicht habt ihr ja diesbezüglich bessere Ideen.)

Was passiert wenn die Polizei die Wohnung trotzdem durchsucht? – Dann besteht ein Beweiserhebungsverbot. Daraus könnte ein  Beweisverwertungsverbot erwachsen. Dies ist der Fall, wenn in den Rechtskreis des Betroffenen eingegriffen wird und eine Abwägung der Interessen des Betroffen (Grundrechte) und des Interesses der Öffentlichkeit (Wahrheitsfindung, effektive Strafverfolgung) zugunsten des Interesses des Betroffenen ausfällt.

Wann liegt demnach hier ein Beweisverwertungsverbot vor? – Wenn sich die Polizei hier willkürlich über den Richtervorbehalt hinweggesetzt hätte.

Weiter wurde noch auf die verschiedenen Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung eingegangen: Welche verschiedenen Arten von Telekommunikationsüberwachung gibt es? – direkte Überwachung der Telekommunikationswege (§ 100a StPO), Erhebung von Verkehrsdaten (§ 100g StPO – Stichwort: Vorratsdatenspeicherung),  Funkzellenabfrage (§ 100h StPO)

Wer ist für die Anordnung der Erhebung von Verkehrsdaten zuständig? – Gem. § 100g II StPO gilt § 100b StPO entsprechend: Anordnung durch das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Es wurde ein weiterer Fall geprüft: Jemand richtete sich eine E-mail-Adresse mit dem Namen eines Dritten ein und bestellt von dieser Bücher über einen Online-Versandhandel. Diese Bücher werden auch an den tatsächlichen Nameninhaber ausgeliefert.

Strafbarkeit nach dem StGB?

Zuerst wurde Betrug gem. § 263 StGB angeprüft, wobei zunächst unklar war, ob die Bestellung automatisch bearbeitet worden ist oder durch eine Person und somit eine Täuschung gegenüber einem Menschen vorliegen kann.

Weiter wurde dann auf Computerbetrug gem. § 263a StGB eingegangen. Auch hier waren wir uns wegen des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen unsicher, da im Sachverhalt nicht angegeben worden war, wie der Bezahlvorgang vonstatten ging und ob die Bücher bezahlt worden sind oder nicht. Ein Vermögensschaden wurde daher verneint.

Zuletzt wurde noch § 269 StGB angesprochen. Dabei frage Oberstaatsanwalt auch, ob der § 269 StGB zur Urkundenfälschung steht wie Computerbetrug zum Betrug (Auffangen von Tatbegehungen mit neuen Technologien): Ja, dies erkennt man daran, dass die Tatbestände gleichlautend beginnen.

Wir kamen allerdings zu keinem klaren Ergebnis, ob Emailadressen nun solche Daten sind, die bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde darstellen.

Viel Erfolg!

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