Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen im März 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im März 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 4,18 4,6 11 9,2 7,6
Aktenvortrag 6 7 12 12 10
Prüfungsgespräch 8,6 7,8,9 14,13,12 14,12,12 10,11,13
Endnote 5,7 6,03 12,5 10.8 8,6
Endnote (1. Examen) 8,7

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Mord, Totschlag, gefährliche Körperverletzung

Paragraphen:  §212 StGB, §211 StGB

Prüfungsgespräch: hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn teilte uns der Prüfer einen kurzen Sachverhalt aus, der sowohl Grundlagen des materiellen- als auch solche des Prozessrechts beinhaltete.
Inhaltlich ging es um einen Fall, der erst wenige Tage zuvor von ihm am Landgericht verhandelt wurde. Dabei handelte es sich um einen Täter, der sein Opfer unter einem Vorwand an einen Ort lockte, um sich an diesem für ein vorangegangenes Geschehen zu „rächen“ (Rache war das explizit erwähnte Motiv). Der Fall spielte im Frankfurter Drogen- und Rotlichtmilieu. Als der maskierte und mit einem Messer sowie Pfefferspray „bewaffnete“ Täter auf sein Opfer stieß, kam es zur Rangelei, bei der der Täter das Opfer mit mehreren Messerstichen in Bein-, Rücken- und Kopfbereich verletzte. Die Tat wurde im Rahmen eines Tötungsdeliks nicht vollendet, da ein Nachbar, der das Geschehen bemerkte damit drohte, die Polizei zu rufen. Daraufhin ließ der Täter von seinem Opfer ab und flüchtete in seine nahegelegene Wohnung. Am Tag der Hauptverhandlung bot der Täter dem Opfer 10.000 Euro als Entschädigung an (Stichwort: Strafmilderung – § § 46a StGB), welche das Opfer nicht annahm.

Es wurden (versuchte) Tötungs- sowie gefährliche Körperverletzungsdelikte abgeprüft. Dabei wurde die Frage nach der Abgrenzung von § 224 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 StGB beim Verwenden eines Pfeffersprays diskutiert (Pfefferspray ist nach BGH ein gefährliches Werkzeug, da es per Definition des gesundheitsschädlichen Stoffes eine andere Wirkung entfaltet). Auch wurden Argumente pro und contra für das Vorliegen von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gesammelt.
Im Rahmen der Tötungsdelikte begannen wir mit §§ 212, 22, 23 StGB. Schwerpunkt war im Rahmen des Tatentschlusses die Frage nach dem Vorsatz. Hierfür brachte der Prüfer verhältnismäßig viel Zeit auf, um die Problematik für die Bejahung von Vorsatz im Rahmen von Tötungsdelikten im Allgemeinen zu klären; Stichwort: Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit-Hemmschwellentheorie – höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der alle inneren und äußeren Tatumstände mit einzubeziehen sind. Der Prüfer legte hierbei großen Wert auf die genaue Analyse des vorliegenden Sachverhalts und der daran anknüpfenden Argumentation für das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen und subjektiven Elementen. Nacheinander sollten sich die Kandidaten in die Rolle des Verteidigers oder der Staatsanwaltschaft versetzen und argumentativ für oder gegen die Bejahung des vom Täter erfüllten Tatbestandes plädieren. Anschließend wurde §§ 211, 22, 23 StGB geprüft. Ein weiteres Augenmerk lag auf der Frage nach der Heimtücke-Eigenschaft im Rahmen von § 211 StGB (Wann genau kann jemand aufgrund von Arglosigkeit wehrlos sein?). Eingebettet wurde die materiell rechtliche Prüfung durch strafprozessuale (Grund-)Fragen. Hierbei wurden keine besonders schweren Probleme abgeprüft. Der Prüfer wollte lediglich wissen, wem das Anklagemonopol zusteht und wie dieses eingeschränkt werden kann. (StA; § 152 StPO – Einschränkung durch Privatklagedelikte). Weiterhin ging es um die Unterscheidung zwischen dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) und dem Opportunitätsprinzip (§§ 153 ff. StPO). Darüber hinaus wollte er wissen an welchem Gericht der von uns zu prüfende Sachverhalt seitens der StA anzuklagen ist und aus welchen Normen sich die Zuständigkeit ergibt (LG Frankfurt am Main– gr. Strafkammer bzw. Schwurgericht; §§ 74, 76 GVG und § 7 StPO). An dieser Stelle machte er einen Exkurs zur Besetzung der Strafkammer und wie bzw. mit welchem Ergebnis die Abstimmung zu erfolgen hat (2/3 Mehrheit nach § 263 StPO; Achtung: bei 5 Personen in der Kammer, müssen mindestens 4 Personen für das gleiche Ergebnis stimmen. Schöffen wirken an der Entscheidung wie Berufsrichter mit. Sind diese z.B. anderer Meinung als die drei Berufsrichter, ist die 2/3 Mehrheit nicht gewahrt).
Zum Schluss ging er noch auf Strafmilderungsgründe (vertypte Strafmilderungsgründe nach § 23 Abs. 2 StGB) und wegen der angebotenen 10.000 Euro auf § 46a StGB ein.
Insgesamt war die Prüfung sehr fair, wenngleich inhaltlich und trotz Abfragen von Grundkenntnissen zum Teil nicht wenig anspruchsvoll. Noten wurden keine verschenkt, aber mit guten Allgemeinkenntnissen im materiellen und prozessualen Recht war die Prüfung durchaus machbar.