Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen vom September 2022

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,03

Gesamtnote 1. Examen

11,67

Gesamtnote 2. Examen

9,36

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Dreiecksbetrug Strafbefehlsverfahren

Paragraphen: §263 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, lässt Meldungen zu, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teilte einen Sachverhalt aus, dieser war etwas über eine Seite lang. Im Gegensatz zu anderen Prüfungen (zumindest laut Protokollen) hat er uns den Sachverhalt sehr langsam vorgelesen und wir hatten ausreichend Zeit, den Sachverhalt zu verinnerlichen. Der Sachverhalt lautete wie folgt: Die L führt eine Beziehung zu A. Dieser fragt sie sehr oft nach Geld. Er behauptet, er sei eigentlich reich und habe sein ganzes Geld in Aktien angelegt. An dieses käme er aber gerade nicht ran, weil der Markt schlecht sei und er noch abwarten müsse. Er würde ihr das Geld aber nach einer Marktbesserung sofort zurückzahlen. Die L gibt ihm daraufhin verschiedene Beträge im tausender Bereich (ca. zehn Mal). Irgendwann behauptet A, hinter ihm seien nun auch windige Typen her und er brauche noch deutlich mehr Geld. L hat kein Geld mehr. A schlägt vor, sie soll aus dem Tresor ihrer Eltern Wertgegenstände entweder. Dies macht sie auch und gibt ihm Gegenstände im Wert von 600.000,00 Euro. Ihre Mutter ruft L an und berichtet, dass „Post vom Gericht“ gekommen sei und sie zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden sei. L ist nun bei uns (wir sind die Verteidiger) und fragt, was das sein kann. Wir haben relativ lange gebraucht, um darauf zu kommen, dass das nur ein Strafbefehl sein kann. Der Prüfer ist mit der Frage eingestiegen, wie wir jetzt vorgehen würden und wie man rausfinden kann, was die Post vom Gericht denn nun genau ist. Prüfling 1 hat vorgeschlagen, bei Gericht anzurufen und nachzufragen. Der Prüfer fragte dann, wo wir anrufen würden. Der Prüfling also wieder, bei der Geschäftsstelle. Der Prüfer fragte, bei welcher Geschäftsstelle etc. Dieser Teil zog sich ein wenig. Er prüfte dann sehr genau ab, wie das Strafbefehlsverfahren läuft. Wie kann der StA das anstoßen? was macht der Richter mit einem Strafbefehlsantrag? Was ist ein Sitzungsstrafbefehl? Was sind die allgemeinen Voraussetzungen?
Erst später begannen wir mit der materiell rechtlichen Prüfung des Falls. Wir diskutierten einen Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, obwohl L kein deiktisches Minus aufwies (keine Ahnung, ob man das wirklich diskutieren sollte – jemand hat das angesprochen und der Prüfer scheint gerne auf die verschiedenen Ideen anzuspringen). Im Weiteren haben wir dann noch einen Betrug geprüft – hier wollte er sehr genau die Definitionen des Dreiecksbetrugs. Er fragt oft nach, welche Kriterien die Rechtsprechung ansetzt, um die Nähe Bestimmung zu definieren und wollte eine präzise Beschreibung der Lagertheorie. Die Prüfung selbst war stellenweise etwas verwirrend, weil wir zwischen der Prüfung der Strafbarkeit des L und der Strafbarkeit des A hin und her sprangen. Er wollte zwischendurch auch wissen, wie wir nachweisen würden, dass A die Aktien nicht wirklich verkaufen wollte/ verkauft hat (Anfrage bei der BaFin etc. war ihm zu kompliziert, er wollte auf Beweisanzeichen hinaus). Gegen Ende fragte er noch, wie wir vorgehen würden, wenn ein Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen wird. Prüfling 1 schlug Revision vor, weil kein Verteidiger anwesend war, als der Strafbefehl erging. Prüfling 2 schlug Berufung vor. Ich habe dann mehr oder weniger ausgeführt, dass ich ein Jahr auf Bewährung bei einem Schaden von 600.000,00 Euro durchaus angemessen finde und deshalb nicht zu einem weiteren Vorgehen raten würde. Ich bin nicht sicher, wie er das fand.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im September 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.