Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Niedersachsen vom Juni 2020

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im Juni 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 9,56
Aktenvortrag 11
Prüfungsgespräch 13
Endnote 10,76
Endnote (1. Examen) 10,88

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Materielles Strafrecht

Paragraphen: §142 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn der Prüfung lag schon ein Sachverhalt auf unserem Platz. Der Prüfer las diesen sodann vor. Lasst euch nicht davon beeinflussen, wenn ihr eine ganze Seite Sachverhalt vor euch findet. Der Prüfer liest sehr langsam vor und man kann sich bereits Notizen und Markierungen machen. Hier sollte man den Sachverhalt auch genau mitlesen, da es ständig wieder auf diesen zurückkam und wir insbesondere im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend mit den Angaben im Sachverhalt argumentieren mussten. Sinngemäß ging es in dem Fall um Folgendes: A parkt mit seinem Auto auf dem Lidl-Parkplatz und geht nur kurz in den Laden, um Bier für abends zu kaufen. Als er rauskram war sein Auto an der Seite beschädigt und es klebte ein Zettel an der Scheibe. Auf diesem erklärte eine Frau M, dass sie beobachtet habe, wie jemand sein Auto beim Einparken angefahren habe und sie wäre bereit auch vor der Polizei als Zeugin auszusagen. Im Rahmen der polizeilichen Zeugenvernehmung gab sie sodann an, dass der Fahrer des anderen Pkw, ein Mann, beim Einparken das Auto des A beschädigt habe. Sie habe schon beim Einparken gesehen, dass das nicht klappen könne, da die Parklücke viel zu klein gewesen sei und dann habe der Mann das Auto des A touchiert und sei davongefahren. Nachdem die Polizei den Halter ausfindig machen konnte, erklärte sodann dessen Lebensgefährtin, dass sie gefahren sei. Sie gibt alles zu und gibt dann an, dass sie nur eben nach Hause gefahren sei, um die Versicherungsunterlagen zu holen und nach etwa einer halben Stunde wieder zurückgekehrt sei und dann einen Zettel an das Auto des A gemacht habe. Sodann wird auch der Mann vernommen, der die Aussagen seiner Lebensgefährtin bestätigt. Später kam heraus, dass dem Mann vor 1 Jahr der Führerschein entzogen worden ist, da er mit BAK Auto gefahren ist.
Zunächst wollte der Prüfer wissen, welche Tatbestände hier insgesamt in Betracht kommen: §§ 142164, 258 StGB und § 21 StVG. Wir begannen sodann mit der Prüfung eines hinreichenden Tatverdachtes gegen den Mann: § 142 StGB. Hier subsumierten wir mit dem Sachverhalt und prüften einzelnen die Tatbestandsvoraussetzungen und erläuterten den Unterschied zwischen I und II. Wir erwähnten sodann, dass auch auf dem Parkplatz die StVO gilt und dies daher im Straßenverkehr ist. Bei der Frage, ob der Mann denn überhaupt Unfallbeteiligter ist kamen wir sodann zu einer Beweiswürdigung und argumentierten hier ausführlich mit dem Sachverhalt. Insbesondere standen sich die Aussagen der unbeteiligten Zeugin und des Mannes und der Lebensgefährtin gegenüber. Wir kamen dann dazu, dass die Zeugin einen hohen Beweiswert hat, da sie nicht nur unbeteiligt ist, sondern insbesondere auch eine hohe Wahrnehmungsbereitschaft hatte und nicht nur bloße Knallzeugin ist, sondern vielmehr den Vorgang genau beobachtet hat, da sie schon von Anfang an gesehen hatte, dass die Parklücke viel zu klein war und den gesamten Vorgang daher genau beobachtet hatte. Zudem war die Aussage der Lebensgefährtin nicht glaubhaft, da sie angab nach einer halben Stunde den Zettel an das Auto geklebt zu haben, allerdings gab der A an nur kurz im Laden gewesen zu sein, um nur eben Bier zu kaufen. Wir kamen dann zu dem Ergebnis, dass der Mann Fahrer gewesen ist. § 21 StVG lag demnach auch vor. Sodann gingen wir zu § 164 StGB. Auch hier subsumierten wir sauber die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen. Rechtswidrige Tat meint hier Tat i.S.d. § 11 I Nr. 5 StGB. In Betracht kam hier damit § 142 StGB der Frau. Wir diskutieren sodann § 142 III, ob es reichen würde einen Zettel zu befestigen. Hier sollten wir mit dem Schutzzweck von § 142 StGB argumentieren (Sicherung der Schadensersatzansprüche der Unfallbeteiligten).
Sodann prüften wir die Strafbarkeit der Lebensgefährtin nach § 258 StGB. Wir kamen sodann auf den Ausschlussgrund nach § 258 VI i.V.m. § 11 I Nr. 1 StGB und zu dem Ergebnis, dass die Lebensgefährtin hier nicht drunter fällt. Der Prüfer fragte sodann, ob wir sie nun anklagen könnten Nein, ihr muss erst noch rechtliches Gehör gewährt werden, da sie zuvor nur wegen § 142 StGB als beschuldigte vernommen wurde.
Damit war die Prüfung zu Ende und lief insgesamt sehr flüssig und schnell. Mit diesem Prüfer habt ihr einen sehr guten und netten und vor allem fairen Prüfer erwischt, der euch gut und sicher durch die Prüfung leitet und saubere Arbeit mit dem Gesetz und dem Sachverhalt belohnt. Viel Erfolg und gutes Durchhaltevermögen! Ihr habt schon so viel erreicht und schafft diesen kleinen Schritt auch noch!