Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Niedersachsen vom Juni 2023

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

8,81

Gesamtnote 1. Examen

9,80

Gesamtnote 2. Examen

10,43

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle, protokollfest

Prüfungsthemen:  Strafprozessrecht: Haftbefehl, Zuständigkeiten, vorläufige Festnahme, Eröffnungsbeschluss

Paragraphen:  §177 StPO, §240 StGB, §112 StPO, §127 StPO, §209 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit der Schilderung eines Falles aus seiner Praxis. Eine Kollegin hätte vor einigen Tagen bei ihm im Büro aufgetaucht, jedenfalls zum Teil enttäuscht darüber, dass sie gerade einen Beschluss vom Landgericht erhalten hatte. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Polizist hat eine Praktikantin auf einer Dienstfahrt gegen ihren Willen angefasst. Zunächst gingen wir – kurz – auf das materielle Recht ein. Hier ordneten wir das Vergehen als ein solches i.S.v. § 177 StGB ein. Es folgte eine prozessuale Frage: Weshalb ist diese Anklage beim Landgericht gelandet? Nach einigen Überlegungen stießen wir schlussendlich auf den § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG Die besondere Schutzbedürftigkeit war abzulehnen; wir diskutierten jedoch, ob nicht eine besondere Bedeutung des Falles vorlag. Dies war zumindest auch die Idee der Staatsanwaltschaft Hannover gewesen. Was für einen Beschluss wird seine Kollegin also nun erhalten haben? Das Landgericht hat sich als nicht zuständig erachtet und somit einen Eröffnungsbeschluss vor dem Amtsgericht erlassen, § 209 Abs. 1 StPO. Kann sich seine Kollegin hiergegen wehren? Die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen den nach § 209 Abs. 1 StPO getroffenen Beschluss sind in § 210 StPO (nicht § 304) geregelt. Die Staatsanwaltschaft könnte also sofortige Beschwerde einlegen. Warum bietet ein erstinstanzliches Verfahren vor dem Landgericht möglicherweise mehr Zeugenschutz? Zur Argumentation können hier die Rechtsmittel herangezogen werden. Gegen landgerichtliche Urteile ist nur die Revision statthaft. Anders als die Berufung handelt es sich hierbei um eine reine Rechtsinstanz, sodass potenzielle Zeugen dann nur einmal vernommen werden müssen/können. Nun ging der Prüfer zu einem nächsten kleinen Fall über: Student A, fast 21 Jahre alt, steht kurz vor seiner ersten juristischen Prüfung. Er hat sich in letzter Zeit jedoch vor allem damit beschäftigt, sich der Letzten Generation anzuschließen. Er wurde bereits dreimal rechtskräftig verurteilt: Geldstrafe, Freiheitsstrafe von 4 Monaten mit der Aussetzung zur Bewährung, Freiheitsstrafe von 5 Monaten ohne Aussetzung zur Bewährung. Dieses Mal hatte sich A auf der Straße festgeklebt – die Polizei sammelt ihn ein und hat ihn nun bei sich setzen. Die Polizei ruft bei der Staatsanwaltschaft an und sagt „Der soll hier bei uns nicht bleiben“. Materiell-rechtlich kommen in Betracht: Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Hierum sollte es aber nicht weiter gehen. Es ging dem Prüfer vor allem um die Voraussetzungen eines Haftbefehls, §§ 112 ff – hier auch um die verfassungskonforme Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO. Auf welcher Grundlage hatte die Polizei den A von der Straße mitgenommen? -> § 127 StPO. Auf welcher Grundlage könnte die Polizei sonst noch freiheitsentziehende Maßnahmen treffen? -> NPOG. Die Prüfung war kurzweilig und mit soliden Grundkenntnissen in der StPO gut machbar! Viel Erfolg bei Eurer Vorbereitung – bald habt ihr es geschafft!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen vom Juni 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.