Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – NRW August 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom August 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5 6
Vorpunkte 55,5 ?
Aktenvortrag 13 6 7 8 3 6
Prüfungsgespräch 9 11 11 11 7 9
Endnote 9,55 ?
Endnote (1. Examen) 11,92

Zur Sache:

Prüfungsstoff: Protokollfest

Prüfungsthemen: Diebstahl,  Hausfriedensbruch, Pflichtverteidigung, praktisches Vorgehen Staatsanwalt/Rechtsanwalt/Richter

Paragraphen: §243 StGB, §123 StGB, §140 StPO, §153 StPO, §207 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner

 

Prüfungsgespräch:

Einleitend teilte der Prüfer einen seiner Standardfälle aus: Die Tür der gemeinsamen Wohnung von M und F lässt sich mittels eines PIN-Codes öffnen. Den Code teilt F ihrem bereits mehrfach wegen Eigentumsdelikten vorbestraften und unter Bewährung stehenden Liebhaber L mit, damit dieser vor den Treffen mit F in der Wohnung auf sie warten kann. L nutzt den Code jedoch eines Tages dazu, die Wohnung zu betreten und aus einer Schublade 5000 Euro zu entwenden.
Zunächst war von uns darzustellen, was wir unternehmen würden, wenn wir als Staatsanwalt die Akte vorgelegt bekämen. Sodann wurde der hinreichende Tatverdacht gegen L geprüft. Dazu sammelten wir eingangs die in Betracht kommenden Straftatbestände. Genannt wurden §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 und § 123 StGB. Wir begannen mit der Prüfung des § 242 Abs. 1 StGB und bejahten ihn. Anschließend prüften wir die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Variante des Eindringens mit einem falschen Schlüssel. Ausführlich wurde diskutiert, ob ein PIN-Code unter den Begriff „Schlüssel“ subsumierbar sei. Dies verneinten wir letztlich, wobei die fehlende Körperlichkeit des Codes das ausschlaggebende Kriterium war. Anschließend diskutierten wir die Möglichkeit der Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles nach § 243 Abs. 1 S. 1 StGB. In diesem Rahmen gingen wir vertieft auf das schon bei der Prüfung des benannten besonders schweren Falls angesprochene Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB ein, das für die Strafzumessungsregelung des § 243 StGB – anders als für die strafbegründenden Vorschriften der §§ 242, 244 StGB – grundsätzlich nicht gilt. Einen unbenannten besonders schweren Fall lehnten wir ab, da vom Unrechts- und Schuldgehalt her keine Vergleichbarkeit mit einem der benannten besonders schweren Fälle gegeben war; denn der PIN-Code ist nicht nur – anders als ein Schlüssel – nicht körperlich, sondern wäre überdies selbst in dem Fall, dass man ihn unter den Begriff des Schlüssels subsumieren würde, keinen „falschen“ Schlüssel darstellen, da er mangels Entwidmung zum Tatzeitpunkt von den Berechtigten F und M noch zum ordnungsgemäßen Öffnen der Tür bestimmt war. Nachdem wir kurz mit den zu § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB bereits genannten Argumenten § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint hatten, prüften und bejahten wir § 123 StGB. Dabei wurde insbesondere das Merkmal „widerrechtlich“ problematisiert. Zudem gingen wir auf das Strafantragserfordernis nach § 123 Abs. 2 StGB ein und wiesen angesichts der Antragsberechtigung sowohl von M als auch F als Inhaber des Gewahrsams an der Wohnung und somit Verletzte auf § 77 Abs. 4 StGB hin, wonach von mehreren Antragsberechtigten jeder den Strafantrag selbstständig stellen kann. Schließlich war das Konkurrenzverhältnis von § 242 Abs. 1 StGB und § 123 StGB anzugeben. Es wurde Tateinheit nach § 52 StGB angenommen.
Anschließend hatten wir die Voraussetzungen einer Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO zu benennen und insbesondere die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit der Zustimmung des Gerichts nach § 153 Abs. 1 S. 2 StPO zu erklären. Sodann gab der Prüfer vor, dass der Staatsanwalt entgegen unserem Prüfungsergebnis Anklage wegen Wohnungseinbruchs-diebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Amtsgericht, Schöffengericht, in Düsseldorf erhebe. Auf dieser Grundlage wurde die Gerichtszu-ständigkeit geprüft. Der Prüfer fragte dann, was wir unternehmen würden, wenn der L nach Anklageerhebung zu uns als Anwalt komme, uns aber nicht bezahlen könne. Die Möglichkeit der Gewährung von Prozess-kostenhilfe besteht im Strafverfahren nicht für den Angeklagten, wohl aber im Klageerzwingungsverfahren, im Privatklageverfahren, im Nebenklage-verfahren und im Adhäsionsverfahren für die von Herrn Waldhausen als solche betitelten „Guten“. Die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung des Angeklagten werden jedoch im Falle der Bestellung als Pflichtverteidiger von der Landeskasse übernommen, sodass bei Vorliegen eines Falles der notwendigen Verteidigung ein entsprechender Antrag an das Gericht gestellt werden sollte. Einen Fall des § 140 Abs. 1 StPO verneinten wir, bejahten aber die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 S. 1 StPO aufgrund des sogenannten Kumulationseffekts: Es bestand eine Straferwartung von über einem Jahr Freiheitsstrafe und zudem drohte dem L der Bewährungswiderruf.
Abschließend fragte der Prüfer, wie der Richter angesichts der mit unserem Prüfungsergebnis nicht übereinstimmenden Anklageerhebung wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls statt einfachen Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch vorgehen werde. Gemäß § 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO würde er die Anklage nur mit einer entsprechenden Änderung zur Hauptverhandlung zulassen.

Viel Erfolg bei Deiner Prüfung!

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