Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom März 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Sachsen-Anhalt im März 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 5,9
Aktenvortrag 8
Prüfungsgespräch 10,2
Endnote 7,36
Endnote (1. Examen) 8,32

Zur Sache:

Prüfungsthemen: EC-Karten Fall, Räuberischer Diebstahl, Urteilstenor, Pflichtverteidigung

Paragraphen: §140 StPO, §246 StGB, §266 StGB, §252 StGB, §55 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, hart am Fall, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Fall: A und B sind ein getrenntlebendes Ehepaar. A beauftragt B für sie 200 Euro vom Bankautomat abzuheben. B hebt allerdings 500 Euro ab. Er übergibt A die 200 Euro und gibt die restlichen 300 Euro in einer Kneipe aus.
Strafbarkeiten?
Wir haben mit Diebstahl begonnen und die Fremdheit diskutiert. Zunächst überlegten wir, dass das Bankgutachten im Eigentum der A steht, allerdings dieses keine Sache ist. Anschließend überlegten wir, dass die Bank im Moment der Auszahlung zunächst Eigentum an den Geldscheinen hat. Dann diskutierten wir, ob bei der Auszahlung der Geldscheine ein Übereignungsangebot an die Person besteht, die die Geldscheine abheben möchte. Da dies auch von den AGB der Bank geregelt ist und wir diese nicht hatten, gingen wir davon aus, dass die Bank diese Übereignung an die Person, die das Geld abheben möchte, auch möchte.
Der Prüfer nahm diese Ansicht an.
Als nächstes haben wir Computerbetrug geprüft. Wir gingen direkt auf die unbefugte Verwendung. Nach der Rechtsprechung wird die betrugsspezifische Auslegung angenommen und diese haben wir geprüft. Wir gingen davon aus, dass ein fiktiver Bankangestellter auch nicht weiß, wie viel Geld der Abhebende abheben darf und haben deshalb den Computerbetrug abgelehnt.
Als weiteres haben wir Unterschlagung geprüft. Hier hat ein Prüfling die Fremdheit der Geldscheine angenommen und kam damit zur Prüfung der Manifestation des Zueignungswillens, was hier unproblematisch durch das Nehmen der Geldscheine angenommen werden konnte.
Der Prüfer fragte dann nach weiteren möglichen Straftatbeständen. Missbrauch von Scheck und Kreditkarten sollten wir nicht prüfen.
Wir kamen dann aufgrund der früheren Ehe der beiden auf Untreue. Hier diskutierten wir die Einschlägigkeit des Missbrauchs- und des Treuebruchs Tatbestandes und nahmen Letzteren an. Anschließend ging es um die Vermögensbetreuungspflicht. Aus dem Sachverhalt ergab sich hier auch nicht, dass dies eine Hauptleistungspflicht des B gegenüber der A darstellt. Deshalb haben wir dies auch abgelehnt.
Prozessual:
Wir sollten davon ausgehen, dass eine Anklage wegen Unterschlagung vorliegt.
Anschließend sollten wir angeben, was am Ende einer Beweisaufnahme gemacht wird. Wir kamen etwas ins Schwimmen, da wir nicht wussten, auf was der Prüfer hinauswollte. Wir kamen dann darauf, dass der BZR verlesen wird. Der Prüfer gab an, dass im BZR des Angeklagten steht, dass dieser wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt wurde. Die Fahrerlaubnis wurde eingezogen und der Führerschein eingezogen. Zum Zeitpunkt der Tat hatte der Angeklagten keine Vorstrafe.
Der Prüfer wollte anschließend wissen, wie wir den Urteilstenor formulieren würden. Wir diskutierten die Bildung der Gesamtstrafe. Wir überlegten die Verurteilung für die Unterschlagung und nahmen 20 TS hierfür an. Wir nahmen die 30 TS als Einsatzstrafe und erhöhten diese entsprechend um 10 TS auf insgesamt 40 TS.
Bezüglich der Fahrerlaubnis und dem Führerschein wird kein weiterer Tenor mehr ausgeurteilt aufgrund von § 55 Abs. 2 StGB.
Schwerpunkt:
A (25 Jahre) und B (19 Jahre) gehen zusammen in ein Bekleidungsgeschäft. B nimmt mehrere T-Shirts und packt sie in die mitgebrachte Tasche des A.
In dieser befinden sich auch Sachen, die A vorher gekauft und auch bezahlt hat sowie sein Portemonnaie. Der Ladendetektiv beobachtet die Sache und spricht den A an. Dieser zieht ein Messer und der Ladendetektiv lässt von ihm ab. A und B verlassen das Geschäft mit der Tasche und den T-Shirts.
Strafbarkeiten?
Wir begannen mit einem schweren Raub. Wir prüften und definierten schulmäßig die Wegnahme sowie Gewalt bzw. Drohung. Den Finalzusammenhang lehnten wir ab, da sich aus dem Sachverhalt eindeutig ergab, dass A das Messer nicht zog, um die Wegnahme zu ermöglichen.
Anschließend prüften wir den schweren räuberischen Diebstahl. Den Diebstahl nahmen wir unproblematisch an, sowie auf frischer Tat betroffen. Wir diskutierten dann, ob hier eine Beutesicherungsabsicht vorliegt.
Der Prüfer wollte dann, dass wir aufgrund der vorliegenden Tatsachen abschätzen, ob die Beutesicherungsabsicht vorliegt. Dies versuchte durch unterschiedliche Fragestellungen herauszukriegen. Er fragte z.B. welche Umstände im Sachverhalt dafür und dagegen sprechen. Ich kam etwas sind schwimmen, da ich die Fragen bzw. die Intension nicht verstanden habe. Der Prüfer wollte darauf hinaus, dass wenn A bspw. die Tasche hätte fallen lassen, man eine Beutesicherungsabsicht hätte ablehnen müssen. Weiterhin konnte die Beutesicherungsabsicht dadurch abgelehnt werden, dass sich in der Tasche eigene Sachen von A befanden, sowie sein Portemonnaie. Dieses würde ihn bei einer Überprüfung identifizieren. Letztlich gaben wir an, dass auch bei einem sog. Motivbündel (Flucht- und Beutesicherungsabsicht) ein räuberischer Diebstahl angenommen werden kann.
Weiterhin haben wir noch die Qualifikation nach § 250 StGB geprüft und diskutiert, ob ein Messer ein gefährliches Werkzeug darstellt und ob A dieses auch verwendet hat (konnte man unproblematisch annehmen).
Dann prüften wir, ob zwischen A und B eine Mittäterschaft bestanden hat. Dies haben wir unter dem Punkt diskutiert, ob die Verwendung des Messers Teil des Tatplans war. Wir kamen dann darauf, dass auch wenn die Verwendung des Messers nicht Teil des Tatplans war, dieses zwischen Vollendung und Beendigung eingesetzt wurde und somit eine sukzessive Mittäterschaft angenommen werden kann.
Prozessual
A und B werden nach Verlassen des Geschäfts von der Polizei festgenommen. Wir, als Staatsanwalt, werden von der Polizei angerufen. Wieso? Welche Maßnahmen müssen wir hier ergreifen?
Wir haben den Haftbefehl angesprochen und welche Haftgründe hier vorliegen könnten. Dies haben wir auch schulmäßig durchgeprüft (dringender Tatverdacht, Haftgründe, keine Unverhältnismäßigkeit, Antrag der Staatsanwaltschaft). Wir haben hier Fluchtgefahr angenommen und Verdunklungsgefahr angesprochen.
Letztlich wollte der Prüfer darauf hinaus, dass den beiden ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss, weil ihnen ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Wir gingen auf die neue Regelung des § 140 StPO ein und welches Ziel damit verfolgt wird (PKH-Richtlinie). Beiden Beschuldigten muss dabei so früh wie möglich ein Pflichtverteidiger bestellt werden, somit auch schon bei der polizeilichen Vernehmung, § 141 StPO.