Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom März 2023

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

9,85

Gesamtnote 1. Examen

10,64

Gesamtnote 2. Examen

9,05

Zur Sache:

Prüfungsthemen:  Haft, Besonders schwerer Diebstahl, schwerer räuberischer Diebstahl

Paragraphen: §127b StPO, §112 StPO, §243 StGB, §252 StGB, §250 StGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stellte folgenden Fall: Der über 21 Jahre alte Beschuldigte ohne festen Wohnsitz steckt im Kaufhaus 4 Packungen Kaffee und 2 Parfums im Wert von insgesamt 30 € in seine Tasche, verlässt den Kassenbereich und wird daraufhin vom Kaufhausdetektiv entdeckt. Die Polizei wird herbeigeholt und nimmt den Beschuldigten mit aufs Revier. Von dort aus ruft die Polizei Sie als Staatsanwalt an. Frage: Warum? Da es sich um einen wohnungslosen Beschuldigten handelt, könnte möglicherweise ein Haftbefehl beim Ermittlungsrichter gem. § 128 II 2 StPO zu beantragen sein. Ein Haftgrund könnte sich dabei aus § 127b I, II StPO ergeben. Dazu müsste gem. § 127b I Nr. 1 StPO eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren iSd § 417 StPO wahrscheinlich sein. Es müsste sich also dabei um ein Verfahren vor dem Strafrichter oder dem Schöffengericht gehen und einen einfachen Sachverhalt oder eine klare Beweislage aufweisen. Frage: Kommt auch ein Haftgrund nach den §§ 112ff. ZPO in Frage? Aufgrund der Wohnungslosigkeit könnte man an eine Fluchtgefahr gem. § 112 I Nr. 2 StPO denken. Bei der Würdigung der Fluchtgefahr ist allerdings das drohende Strafmaß zu berücksichtigen. Ohne vorige einschlägige Straftaten würde es für die Bejahung der konkreten Fluchtgefahr deshalb jedenfalls nicht ausreichen. Frage: Wie sieht es aus, wenn sich aus dem BZR des Beschuldigten einschlägige Vorstrafen ergeben? Je höher die zu erwartende Strafe ist, desto geringere Anforderungen sind an die tatsächlichen Anhaltspunkte zu stellen, die eine Fluchtgefahr begründen. Im Fall einschlägiger Vorstrafen, kann die Wohnungslosigkeit daher ggf. für die Bejahung einer Fluchtgefahr ausschlaggebend sein. Frage: Wegen welcher Strafbarkeiten könnte der Beschuldigte im konkreten Fall hinreichend verdächtig sein? Es könnte ein hinreichender Tatverdacht wegen eines besonders schweren Falls des Diebstahls gem. §§ 242, 243 Nr. 3 StGB vorliegen. Der Grundtatbestand ist problemlos zu bejahen. Darüber hinaus könnte der erschwerende Umstand der „Gewerbsmäßigkeit“ vorliegen. Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Begehung des jeweiligen Delikts eine fortlaufende Einnahmequelle von gewisser Dauer und einigem Umfang verschaffen will. Bei einschlägiger Vorbestrafung liegt ein solches Handeln nicht fern. Dies gilt umso mehr als es sich bei den gestohlenen Waren (4 Packungen Kaffee und 2 Parfums) um Gegenstände handelt, die sich ohne besondere Schwierigkeiten verkaufen lassen. Zu denken sei insbesondere gewesen an eine indirekte Drogenbeschaffungskriminalität. Frage: An welchen Haftgrund könnte bei einschlägiger Vorbestrafung und bei Bejahung des § 243 StGB ebenfalls gedacht werden? Antwort: An den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gem. § 112a I Nr. 2 StPO Danach folgte eine kleine Abwandlung des Falles. Der Beschuldigte befindet sich wieder im Kaufhaus und steckt ein Parfum in die Jackentasche. In seiner Hosentasche befindet sich ein Taschenmesser. Wieder passiert der Beschuldigte den Kassenbereich und wird vom Kaufhausdetektiv gestellt. In diesem Fall aber rennt der Beschuldigte davon und stößt den Kaufhausdetektiven dabei zu Boden. Er selbst behauptet, er habe nur fliehen wollen. Das Messer benutze er nur zum „Fleischschneiden“. Frage: Hinsichtlich welcher Straftatbestände könnte sich der Beschuldigte nun hinreichend verdächtig gemacht haben? Der Beschuldigte könnte sich wegen schweren räuberischen Diebstahls gem. §§ 252, 250 I Nr.1 a) StGB hinreichend verdächtig gemacht haben. Ein Diebstahl als Vortat liegt vor. Auch wurde der Beschuldigte durch den Kaufhausdetektiv auf frischer Tat betroffen. Durch das Umstoßen des Detektivs hat der Beschuldigte auch Gewalt gegen diesen ausgeübt. Eine Waffe iSd § 250 I Nr.1 a) StGB stellt das Taschenmesser jedenfalls nicht dar, da es sich um einen Alltagsgegenstand handelt, der zwar aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit, nicht aber nach seiner Zweckbestimmung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel einzustufen ist. Es handelt sich dabei aber um ein Objekt, das nach seiner objektiven Beschaffenheit eine waffenähnliche generelle Gefährlichkeit aufweist und damit ein gefährliches Werkzeug iSd § 250 I Nr.1 a) Alt.2 StGB darstellt. Da sich das Messer in seiner Hosentasche befand, hat der Beschuldigte es auch während der Tat (Umstoßen des Detektivs) bei sich geführt. Der Beschuldigte handelte vorsätzlich. Er müsste allerdings auch mit Beutesicherungsabsicht gehandelt haben. Er hat sich dahingehend eingelassen, dass er ausschließlich flüchten wollte. Diese Einlassung wird auch nicht zu widerlegen sein, da er die Tatbeute in seiner Jackentasche aufbewahrte. Insofern kann es ihm nicht indiziell angelastet werden, dass er die Beute bei seinem Fluchtversuch nicht zurückgelassen hat. Damit war die Prüfung auch schon beendet.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Sachsen-Anhalt im März 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.