Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW Oktober 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Oktober 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4 5
Vorpunkte 42 24 41 21 35
Zivilrecht 10 6 9 7 13
Strafrecht 10 6 9 7 13
Öffentliches Recht 10 6 9 7 13
Endpunkte 86 48 77 48 84
Endnote 8,6 4,8 7,7 4,8 8,4

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Strafprozessrecht, Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörde, Gesetzlichkeitsprinzip von Ermächtigungsgrundlagen, Nichtverjährung des Mordes

Paragraphen: §19 GG, §81a StPO, §81h StPO, §78 StGB

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall

 

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer führte das Prüfungsgespräch im Strafrecht eher ungewöhnlich. Es wurde kein bestimmter Fall besprochen. Er erklärte uns, dass er mit dem Zug von Bochum nach Düsseldorf gekommen ist und während der Zugfahrt die WAZ (Westfälische Allgemeine Zeitung) gelesen hat. Soweit ich mich an den Inhalt eines früheren Protokolls erinnere, hat er dies schon einmal gemacht, sodass zu raten ist, ebenfalls am Prüfungstag eine WAZ zu kaufen und nach (straf-)rechtlich relevanten Artikeln zu suchen. Er las uns einen Artikel vor, in dem es hieß, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bei 500 Personen Speichelproben für einen Mord angeordnet hat, der 30 Jahre zurück liegt.

Als erstes fragte der Prüfer, wie es denn sein kann, dass der Staat solche Maßnahmen bei einer großen Anzahl von Bürgern anordnen darf. Wir kamen u.a. auf Art. 19 I GG (Vorbehalt des Gesetzes) zu sprechen und dass der Staat gerade bei Grundrechtseingriffen immer eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage benötigt, die die jeweilige Maßnahme abdeckt. Dies wird auch als Wesentlichkeitstheorie bezeichnet. Sodann mussten wir Beispiele für derartige Ermächtigungsgrundlagen für Strafverfolgungsbehörden nennen. § 81a StPO wurde erwähnt, die unter bestimmten Umständen dazu ermächtigt, bei einem Beschuldigten eine Blutprobe zu entnehmen. Diese Maßnahme kann notfalls zwangsweise (§ 81a I S. 2 StPO a .E.) durchgesetzt werden. Vorliegend handelt es sich jedoch laut WAZ-Artikel um eine Speichelprobe, die in der StPO als „Reihengentest“ unter § 81hStPO geregelt ist. Der Prüfer fragte, warum gerade die in Rede stehenden 500 Personen zum „Reihengentest“ gebeten werden. Es dürfte sich um einen von den Strafverfolgungsbehörden bereits festgelegten Kreis von Tätern handeln, die bestimmte Merkmale in Bezug auf die Tat aufweisen: Geschlecht, Alter, Ortsbezug, näheres soziales Umfeld des Opfers usw. Anschließend fragte der Prüfer, warum es sich beim § 81h StPO nicht um eine „richtige“ Ermächtigungsgrundlage handelt. Bei genauem Lesen des Einführungssatzes des § 81h I StPO kam man schnell auf die Antwort: Die Betroffenen müssen ihre schriftliche Einwilligung zum Reihengentest geben, ohne die eine solche Maßnahme nicht durchgeführt werden darf.

Schließlich handelt es sich um eine Maßnahme zur besseren Identifizierung des mutmaßlichen Täters, wobei in Rechte vieler Unschuldiger eingegriffen werden kann. Dann fragte der Prüfer, was die Strafverfolgungsbehörde machen wird, wenn von diesen 500 Personen 10 Personen nicht bereit sind, eine Speichelprobe entnehmen zu lassen. Man muss zwar wissen, dass die 10 Personen, von denen einer der mutmaßliche Täter ist, sich nach dem nemo-tenetur-Grundsatz selbstverständlich nicht selbst belasten müssen, die Strafverfolgungsbehörde aber gleichzeitig ihren Ermittlungsfokus auf eben diese 10 Personen lenken wird. Strafverfolgungsbehörde wollte dann gerne wissen, was an dem Inhalt des WAZ-Artikels noch „komisch“ erscheint. Wenn man gut mitgeschrieben hat, was sehr zu empfehlen ist, wusste man, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Speichelprobe angeordnet hat. Gemäß § 81h II S. 1 StPO bedarf eine solche Maßnahme aber der gerichtlichen Anordnung. Tatsächlich konnte man durch bloßes Lesen der Norm schnell zur richtigen Antwort gelangen, wovon der Prüfer begeistert gewesen ist. Schließlich fragte er, warum die Staatsanwaltschaft in einem Mordfall ermittelt, der bereits 30 Jahre zurück liegt. Wir alle wussten, dass Mord nach § 78 II StGB nicht verjährt und dass eine Verjährung ein Strafverfolgungshindernis darstellt. Er wollte jedoch wissen, warum der Mord nicht verjährt und ob die Nichtverjährung des Mordes schon immer im StGB geregelt war. In diesem Zusammenhang fragte er, eher am Rande, wann das StGB in Kraft getreten ist. Antwort: 1872. Es wurden von uns zunächst Argumente vorgetragen, dass der Mord aufgrund der besonders Verwerflichkeit der Mordmerkmale einer Verjährung nicht zugänglich sei. Damit war der Prüfer nicht unzufrieden. Er wollte aber auch hören, dass die Nichtverjährung des Mordes aufgrund kriminalpolitischer Gesichtspunkte nach dem zweiten Weltkrieg eingeführt worden ist, um insbesondere Mordfälle aus der Zeit des Nationalsozialismus bis zum heutigen Tage verfolgen und aburteilen zu können.

Damit endete eine zwar ungewöhnliche, aber im Großen und Ganzen sehr faire Strafrechtsprüfung.

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