Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Baden-Württemberg Juli 2015

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden Württemberg vom Juli 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 8.0 7.6 7.8 7.7
Zivilrecht 10 10 10 10
Strafrecht 13 12 10 10
Öffentliches Recht 10 9 10 11
Endpunkte 8.9 8.3 8.4 8.4
Endnote 8.9 8.3 8.4 8.4

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Mitverschulden nach § 254 , Verbrauchsgüterkauf, Kaufrechtliche Gewährleistung, Werkvertrag

Paragraphen: § 254

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, lässt Meldungen, zu hart am Fall

 

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer eröffnete uns zu Beginn der Prüfung, dass er einen Fall stellen werde der momentan laufen durch die Presse gehe. Es ging um das aktuelle BGH Urteil zur Helmpflicht beim Fahrradfahren, bzw. besser gesagt zum Mitverschulden an eigenen Schäden aufgrund von Kopfverletzungen.
Er stellet folgenden Sachverhalt:
Die A parkt auf dem dafür vorgesehenem Randstreifen einer zweispurigen Straße. Neben der Parkstreifen verläuft ein Fahrradweg. Auf diesem fährt die R, die sich von Hinten den parkenden Autos nähert. Ohne zu schauen öffnet A die Fahrertür. R fährt in diese Hinein, fällt hin und zieht sich schwerwiegende Kopfverletzungen zu. Sie hat zwei Schädelbrüche, sowie einige Prellungen und Schürfwunden. Sie verlangt die Heilungskosten sowie ein angemessenes Schmerzensgeld und Verdienstausfallersatz. Ansprüche der R?

Zunächst wurde nach einer Anspruchsgrundlage gefragt. Wir kamen auf § 823 I sowie § 823 II i.V.m. § 222 StGB. Diese sollten durchgeprüft werden. Im Rahmen des § 9 StVG wurden von ihm auch §§ 7, 18 StVG genannt. Der Haftungsbegründende Tatbestand wurde recht schnell bejaht. Im Verschulden wurde festgestellt, dass die A zumindest mit einfacher Fahrlässigkeit gehandelt hat und die Zurechnung der Rechtsgutverletzung auch nicht durch ein etwaiges Dazwischentreten der R unterbrochen ist. Dann kamen wir auf den § 254 BGB zu sprechen. Wir stellten fest, dass es sich dabei nicht um eine Pflicht, sondern eine Obliegenheit gegen sich selbst handelt, Schäden von sich abzuhalten oder diese so gering wie möglich zu halten. Dazu ist alles Vorhersehbare, Mögliche und Zumutbare vorzunehmen. Es stellte sich also die Frage, ob das Nichttragen eines Fahrradhelmes diese Obliegenheit verletzt. Es wurde zunächst festgestellt, dass in der StVO keine entsprechende Helmpflicht für Fahrradfahrer normiert ist, allerdings eine solche für Motorradfahrer normiert ist und das Tragen von Sicherheitsgurten im Kraftfahrzeug, vgl. § 14 StVO. Es stellte sich dann die Frage nach welchen Maßstab zu entscheiden ist, ob das Nichttragen eines Helmes § 254 erfüllt. Der BGH hat dabei auf das Verkehrsbewusstsein eines vernünftigen und durchschnittlichen Fahrradfahrers im Verkehr abgestellt.

Schließlich stellte der Prüfer noch einen zweiten Fall:
Der Verbraucher A bestellt beim Handwerker B den Einbau und Lieferung von Holzfenstern mit Aluminiumrahmen. B lässt sich die Aluminiumprofile für die Rahmen von C liefern. Dieser wiederum lässt die Aluprofile von D mit der Standardfarbe grau beschichten. Die Fenster werden eingebaut, nach einem halben Jahr ergibt sich, dass die Farbe von den Holzrahmen abplatzt. B liefert neue fehlerfreie Fenster an A nach. Es entstehen dabei für B durch Ausbau, Einbau und Neulieferung kosten von 50 000 €, die dieser von C ersetzt haben möchte. C verweigert dies jedoch. Ansprüche des B gegen C?

Zunächst musste der Vertrag zwischen B und C eingeordnet werden, hierbei handelte es sich um einen Kaufvertrag. Wir kamen auf den selbstständigen Lieferantenregress aus § 478 II BGB zu sprechen. Allerdings gilt dieser nur, wenn ein Verbrauchsgüterkauf zwischen A und B vorgelegen hätte. Hierbei handelte es sich jedoch um einen Werkvertrag, zumal der Erfolg des Fenstereinbauens geschuldet war. Mangels Regelungslücke kommt auch eine analoge Anwendung nicht in Betracht.

B hatte die Nacherfüllung gegenüber A bereits erfüllt, sodass eine Nacherfüllung für C gegenüber B unmöglich war. Es stellte sich somit die Frage nach einem SE- Anspruch aus § 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 bzw. 311a II, wenn man von der Nichtbehebbarkeit des Mangels von Anfang an ausgeht. Wir einigten uns jedoch auf eine nachträgliche Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Es musste geklärt werden ob der Einbau und Ausbau der Sache bei A i.R.d. Nacherfüllung zwischen B und C geschuldet gewesen wäre und somit mögliche Schadensposten darstellen können. Eine dahingehende Auslegung des § 439 I BGB gilt jedoch nur im Anwendungsbereich der VerbrauchsgüterRL, nicht jedoch zwischen zwei Unternehmern. Somit können die kosten für Ein und Ausbau nicht als Schadensposten nach § 437 Nr. 3, 283 geltend gemacht werden. Es wurde kurz überlegt, ob diese Kosten für B einen Schaden neben der Leistung darstellen kann. Jedoch dürfen die Voraussetzungen des § 280 III i.V.m. § 283 nicht umgangen werden.

Zum Abschluss fragte der Prüfer noch, ob sich C das Verschulden des D beim Beschichten der Aluprofile zurechnen lassen müsste. § 278 ist in diesem Fall nach h.M. nicht einschlägig, da derjenige der aufgrund einer eigenen Verbindlichkeit tätig wird nicht Erfüllungsgehilfe des anderen sei.

Viel Erfolg!

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