Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern vom Januar 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern vom Januar 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 9,66
Aktenvortrag 18
Zivilrecht 13 12 8 9
Strafrecht 10 10 10 8
Öffentliches Recht 12 13 10 11
Endpunkte 11,66
Endnote 10,16

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Gegenstand der Prüfung waren Fragen aus dem Baurecht, (Bauplanungsrecht), dem Kommunalrecht, (Kommunalverfassungrecht, Bürgerbegehren) und am Rande verwaltungsprozessuale Fragestellungen (einstweiliger Rechtsschutz, Anfechtungsklage).

Paragraphen:  §36 BauGB, §8 BauGB, §14 BauGB, §123 VwGO, §28 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer eröffnete die Prüfung mit der Frage, wer für den Erlass von Bebauungsplänen zuständig sei. Die Verbandszuständigkeit liegt bei der Gemeinde, §§ 1 III, 2 I, 10 I BauGB. Der befragte Kandidat benötigte für die Antwort längere Zeit und brachte auch den „Staat“ ins Spiel, was dem Prüfer sichtlich missfiel. Er fragte, weshalb die Zuständigkeit bei der Gemeinde liege, woraufhin der Kandidat richtig auf die Planungshoheit der Gemeinde hinwies, die in Art. 28 II 1 GG/Art. 11 II 2 BV verankert ist; daraufhin hellte sich die Miene des Prüfers wieder auf. An die nächste Kandidatin richtete er die Frage, bei welchem Gemeindeorgan die Organzuständigkeit liege. Die Kandidatin antwortete zunächst sehr allgemein und verwies auf Bürgermeister und Gemeinderat, wobei sie deren Zuständigkeitsbereiche mit Verweis auf Art. 29, 37 GO abgrenzte. Der Prüfer reagierte eher ungeduldig und insbesondere die Nennung des Bürgermeisters, der außer in seltenen Fällen (z.B. Art. 42 LStVG) keine Satzungen erlassen darf, gefiel ihm nicht. Als schließlich feststand, dass grundsätzlich der Gemeinderat zuständig ist, fragte er noch, ob der Satzungsbeschluss auch delegiert werden könne. Dies ist möglich gem. Art. 32 II 2 Nr. 2 GO, dessen Regelungstechnik der befragten Kandidatin nicht bekannt war und deshalb zunächst verwirrte. Nach kurzem Nachdenken und Nachfrage des Prüfers konnte sie die Frage jedoch richtig beantworten.

Nach dieser Eröffnungsrunde präsentierte der Prüfer einen Fall: Eine Gemeinde fasst einen Aufstellungsbeschluss über einen Bebauungsplan (§ 2 I BauGB). In diesem Bebauungsplan sollen Dachgauben im Planbereich generell verboten werden. Parallel dazu wird ein Bürgerbegehren vorbereitet, das auf einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gerichtet ist, in dem Dachgauben im Planbereich ebenfalls verboten werden. Zunächst war zu erörtern, ob diese Fragestellung überhaupt Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein kann. Hier war darauf einzugehen, dass ein Bürgerbegehren mit bauplanungsrechtlichem Einschlag nur grobe Rahmenfestlegungen zum Gegenstand haben kann, um eine ordnungsgemäße planungsrechtliche Abwägungsentscheidung nicht zu umgehen. Nachdem das Bürgerbegehren im konkreten Fall auf einen Aufstellungsbeschluss gerichtet war, lag eine zulässige Fragestellung vor.

Der Prüfer ergänzte den Fall nun: Der Eigentümer eines Hauses im künftigen Planbereich möchte eine Dachgaube errichten und fragt sich, ob dem der Aufstellungsbeschluss entgegensteht. Hier wollte der Prüfer nur hören, dass der Aufstellungsbeschluss an und für sich ein Vorhaben nicht verhindern kann. Anschließend fragte er nach Mitteln zur Sicherung der Bauleitplanung, insb. Veränderungssperre (§ 14 BauGB) und Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 BauGB) und ließ sich die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nennen. Hier kam es ihm insb. darauf an, dass das Erfordernis der „konkretisierten Planungsabsicht“ genannt wird.

Anschließend ging es ausführlich um die Handlungsmöglichkeiten sowohl der Gemeinde als auch des Bürgerbegehrens, um die Erteilung der Baugenehmigung zu verhindern. Nach den bauplanungsrechtlichen Sicherungsinstrumenten ging es hier nun um die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens. Wegen des parallel laufenden Bürgerbegehrens musste dieses gem. Art. 18a IX GO versagt werden. Nachdem ein versagtes gemeindliches Einvernehmen allerdings gem. § 36 BauGB und Art. 67 BayBO von der Bauaufsichtsbehörde ersetzt werden kann, ist dies nur ein Pyrrhussieg für die Gemeinde. Der Prüfer wollte wissen, ob die Bauaufsichtsbehörde eventuell wegen des Bürgerbegehrens an der Erteilung der Baugenehmigung gehindert sein könnte. Nachdem Art. 18a IX GO allerdings nur an die Gemeinde, nicht die staatlichen Bauaufsichtsbehörden gerichtet ist, war dies zu verneinen. Im Zuge dieser Erörterungen wurde auch die Frage der Rechtsnatur des gemeindlichen Einvernehmens und der Möglichkeit des Widerrufs desselben gestreift. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die §§ 130 ff. BGB entsprechende Anwendung finden, d.h. ein Widerruf ist ab Zugang ausgeschlossen (str.; nach a.A. Widerruf bis zum Ablauf der Frist des § 36 II 2 BauGB). Auch die Möglichkeit des Bürgerbegehrens, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf sofortige Zulassung zu klagen (Wirkung: wie Aufstellungsbeschluss des Gemeinderates, Art. 18a XIII 1 GO), wurde diskutiert.

Abschließend fragte der Prüfer noch kurz nach Staatshaftungsansprüchen bei rechtswidriger Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens. Dabei wollte er die Anspruchsgrundlage (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) hören und fragte, ob die Gemeinde oder der Staat passivlegitimiert seien, womit er auf eine Rechtsprechungsänderung anspielte (vermutlich BGH, Urt. v. 16.9.2010 – III ZR 29/10 = NVwZ 2011, 249 ff.). Abschließend wollte er noch wissen, welches Gericht in diesem Fall wohl entscheiden haben könnte, was im Wesentlichen nur die Frage nach dem Rechtsweg in Staatshaftungssachen war; dafür sind gem. Art. 34 S. 3 GG die ordentlichen Gerichte zuständig (sachlich zuständig sind gem. § 71 II Nr. 2 GVG die Landgerichte). Folglich lautete die richtige Antwort auf die Frage, welches Gericht seine Rechtsprechung geändert haben könnte, BGH.

Damit war die Prüfung beendet. Auch in dieser Prüfung hielt sich der Prüfer an sein übliches Prüfungsprogramm, d.h. das besondere Verwaltungsrecht und einzelne Fragen aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht und dem Verwaltungsprozessrecht. Wer diese Themengebiete vor der mündlichen Prüfung noch einmal gründlich und mit Blick auf Strukturen (insb. den Verwaltungsaufbau, die Zuständigkeitsabgrenzung und verwaltungsverfahrensrechtlichen Fragen) statt auf Einzelstreitigkeiten wiederholt, die Grundlagen sicher beherrscht, einen guten Überblick hat und über juristisches Argumentationsvermögen verfügt, der wird auch die vom Prüfer häufig verlangte Praktiker Sicht („Was kann die Gemeinde/der Bauherr/der Nachbar tun, um XY zu erreichen/verhindern/beschleunigen?“) gut einnehmen und die Fragen zufriedenstellend beantworten können.

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