Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Berlin vom März 2022

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,62

Gesamtnote 1. Examen

11,33

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Deliktsrecht, ZPO

Paragraphen: §831 BGB

Prüfungsgespräch: hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner

Prüfungsgespräch:

Zum Verlauf der Prüfung Hinsichtlich des Vertiefungsgespräches: Ich habe wohl ausnahmsweise mal nicht die typischen Fragen bekommen. – Was fragen Sie sich, wenn Sie den Fall begutachten? => wollte auf § 13 GVG (Zivilrechtsweg) hinaus – Welche Gerichtszweige kennen Sie noch? => VerwR/StrafR/ArbR/… – Aha, Arbeitsrecht (hatte einen Bezug zum Aktenvortrag), gibt’s da eine eigene Regelung zu? => Ja, Arbeitsgerichtsgesetz – Wo ist der Arbeitsvertrag geregelt? => § 611a BGB Warum da? => Spezieller Dienstvertrag Hinsichtlich des Fachgesprächs: ME begann sehr zügig (wir hatten kaum Zeit, uns hinzusetzen und uns einzurichten) und schilderte folgenden Fall: A ist nicht blind, hat unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von der Krankenkasse einen Blindenhund (Name: Gangster) bekommen. Diesen führt er immer an der Leine. Eines Tages beim Spazierengehen, Gangster ist wieder angeleint, beißt dieser völlig unvermittelt den X ins Bein, sodass dieser eine Fleischwunde erleidet. Daneben stand die Schwester des X (die Y), die das Geschehen mit ansieht und einen Schock erleidet. X und Y müssen von einem Krankenwagen versorgt werden, als Privatversicherte müssen sie diese Kosten (zunächst) selbst tragen. ME: Mit welcher Frage fangen wir an? => WER WILL WAS VON WEM WORAUS? ME: Ja, und? => Ansprüche X/Y gegen A.
Vertrag/Vertrauen/Gesetz. Nur letzteres kommt in Betracht. Wir haben hier ein Tier, also mit § 833 anfangen. ME: Dann prüfen Sie mal. => A als Tierhalter. Definiert und unproblematisch subsumiert. Der Hund ist auch ein Tier. ME: Was brauchen wir dann? => Spezifische Tiergefahr. Hier haben wir eine Weile rumgeredet, dass das gerade die Unberechenbarkeit des Tieres war („völlig unvermittelt“). ME: Und weiter? => Rechtsgutverletzung. Bei X unproblematisch. Eigentlich haben wir bisher X/Y zusammen geprüft, hier sollten wir aber erstmal nur auf X eingehen. Fleischwunde also (+) ME: Und dann? => Eine Exkulpation könnte in Betracht kommen. Dann müsste der Hund ein Hausnutztier sein. ME: Was gibt es außer Haus- und Nutztieren? Ich komme vom Land. => Wilde Tiere ME: Weiter im Fall => Hund ist Haustier. Diente dies auch dem Erwerb etc. des A? Der Hund war grundsätzlich dazu bestimmt, mehr fordert die Norm dem Wortlaut nach nicht. Aber kann A sich wirklich exkulpieren? Er ist nicht blind, also „benutzt“ er den Hund nicht als Nutztier. Hier haben wir alle 3 eine Weile geredet und zu begründen versucht, warum der A sich hier nicht exkulpieren können darf. Ergebnis: keine Exkulpation. ME: Was dann? => Schaden, Differenzhypothese, § 249 I Naturalrestitution (das wäre hier das Ungeschehen machen, das geht hier nicht). Abgrenzung § 249 II und § 251 I. ME: Ok, und hinsichtlich Y? => Körperverletzung/Gesundheitsschädigung bei Schock fraglich, es müssen messbare Anzeichen auftreten (Puls, Kreislauf, Schwitzen etc.) ME: Genügt das wirklich? => Gewisse Erheblichkeit (=> Vokabel) ist nötig. Es handelt sich hier um einen mittelbar verursachten unmittelbaren Schaden eines Dritten der Y (im Gegensatz zu §§ 844 ff.: mittelbarer Drittschaden). Denn wir stellen nicht auf die Verletzung des X ab und Y hat nur finanzielle Einbußen erlitten, sondern Y hat selbst eine RG-Verletzung erlitten. ME: Was beachten wir bei Schockschäden? => insb. Schutzzweck der Norm ME: Was fordern ich und der BGH hier? => nahe Angehörige, verständlicher Anlass (gravierendes Ereignis), erhebliche Auswirkungen (pathologischer Zustand) So weit ich erinnere, war die Prüfung dann zu Ende. Tipps: Es lohnt sich wirklich, die Lieblingsgebiete von ME vorher noch einmal gut anzuschauen: Schuldrecht AT und BT, Deliktsrecht, ZPO. Frau ME leitet sehr freundlich durch die Prüfung, wegen fehlender Struktur aber sehr aufmerksam bleiben und gut mitgehen, wenn sie mal abseits der Falllösung etwas fragt. Hin und wieder sucht sie nach einem bestimmten Schlagwort/Vokabel (wie z.B. der Erheblichkeit). Das Prüfungsgespräch fühlt sich sehr viel stockender an, als sich diese Protokolle lesen, das kann man gar nicht so richtig wiedergeben. Also nicht verunsichern lassen, das ist völlig normal, auch bei KandidatInnen im gut zweistelligen Bereich. Macht euch keine Sorgen, mit ME habt ihr Glück. Viel Erfolg!

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im März 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.