Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hamburg vom März 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

6,4

Gesamtnote 1. Examen

7,51

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Vertragsschluss nach § 433 BGB, Beidseitige Vertretung, Widerruf der Vertretungsmacht, Geschäftsführung ohne Auftrag, Haftung des Vertreter ohne Vertretungsmacht

Paragraphen: §433 BGB, §184 BGB, §179 BGB, §683 BGB, §166 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit der Schilderung eines Sachverhaltes, der uns Prüflingen zum Mitlesen auch in Schriftform vorlag: Die E erzählt ihrem Freund F am Frühstückstisch beiläufig, dass sie sich ein Auto kaufen möchte. Daraufhin sucht F die Filiale des Oldtimerhändlers O auf, in dessen Verkaufsraum sich gerade Mechaniker G (in Werkstattoverall gekleidet) aufhält. Die Werkstatt und der Verkaufsraum sind räumlich voneinander abgegrenzt. G bietet dem F einen Oldtimer für 10.000€ zum Kauf an. Die beiden werden sich einig. Drei Tage später sprechen O und G über den Verkauf des Autos, wobei G seine von Anfang an bestehenden Zweifel an der Berechtigung des F zum Abschluss des Vertrages erklärt. Daraufhin erkundigt sich O telefonisch bei E und sagt, dass er an dem Vertrag festhalten möchte und ob dies auch für die E gelte. E, die, nachdem sie von dem Kauf des F erfahren hat, zunächst hocherfreut war, möchte nun doch kein Auto mehr haben und erklärt dem O gegenüber, dass sie an dem Auto kein Interesse hat. Gefragt war anschließend nach dem Anspruch von G gegenüber F. Die Prüfung startete mit der Frage nach der Anspruchsgrundlage für die Kaufpreiszahlung, § 433 II BGB. Anschließend gingen wir die Tatbestandsvoraussetzungen eines Kaufvertrages durch. Hierbei tat sich beim Angebot des G im Zusammenhang mit der Berechtigung bzw. Stellvertretung das erste Problem auf. Wir diskutierten, inwiefern § 56 HGB Anwendung finden könnte (findet hier keine Anwendung) und kamen anschließend auf die §§ 164ff. BGB (Vertretung und Vollmacht). Hier wollte der Prüfer auf die Thematik der Anscheins- und Duldungsvollmacht hinaus, deren Tatbestandsvoraussetzungen von uns aufgezählt und auf den Fall angewendet werden sollten. Anschließend prüften wir die Annahme durch den F und hierbei ebenfalls das Vorliegen einer wirksamen Stellvertretung. Da F jedoch ohne Vertretungsmacht handelte, diskutierten wir über den §177 I, II BGB sowie die Genehmigung, § 184 I BGB. Anschließend sprachen wir noch im Rahmen des § 179 BGB darüber, inwiefern der G den Mangel der Vertretungsmacht von F kennen konnte oder musste. Kurz vor dem Ende der Prüfung wollten wir noch mit der Frage, ob hier zwischen F und E ggfs. eine GOA (§§ 677ff. BGB) einschlägig sein könnte, beginnen, kamen aber über ein kurzes Anprüfen der Tatbestandsmerkmale einer GOA nicht hinaus. Obwohl uns der Sachverhalt in Textform vorlag, war es für uns anspruchsvoll, ihn nach einmaligem Hören bzw. Mitlesen schon in Gänze so erfasst zu haben, dass direkt ein sinnvolles Gespräch darüber zustande kommen konnte. So kam es leider auch des Öfteren vor, dass wir Prüflinge mit den Personen durcheinanderkamen oder nachlesen mussten, welche der Personen im Namen einer anderen Person gehandelt hatte. Der Prüfer führte uns jedoch insgesamt gut durch die Prüfung und sofern mal eine Antwort daneben ging, gab er dem Prüfling durch eine Nachfrage die Möglichkeit die Antwort zu überdenken oder zu korrigieren.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im März 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.